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Corona-Pandemie

Nachgehakt: „Warum trägst du keine Maske?“

Valerie Jandeisek fragt sich, warum manche Menschen die Maske nur hin und wieder tragen.
Fabienne Lichtenberger
Valerie Jandeisek fragt sich, warum manche Menschen die Maske nur hin und wieder tragen.

Frankfurt ist Corona-Hotspot in Hessen. Aber ich sehe immer noch Menschen ohne Maske, trotz Maskenpflicht. Warum nur, denke ich und frage nach.

von Valerie Jandeisek

Ich bin Valerie und wohne in Frankfurt am Main. Das gilt bundesweit als Corona-Risikogebiet und die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus verschärfen sich laufend. Zur Zeit beobachte ich im Verhalten der Menschen eine Ambivalenz, die mich aufregt: Einerseits die allgemein wachsende Sorge vor der nächsten Welle, die sich für mich in der unverständlichen, aber vermehrten Nachfrage nach Klopapier äußert.

Andererseits sehe ich in der Innenstadt immer wieder Mitmenschen, die ihren Mund-Nase-Schutz nicht oder nicht korrekt tragen: Menschen mit Maske unter dem Kinn, unter der Nase oder ganz ohne Maske, obwohl dort doch seit dem 19. Oktober eine umfassende Maskenpflicht herrscht. Ich frage mich warum und beschließe: Bevor ich mich länger ärgere, frage ich nach.

Wieso Maske, wenn ich Abstand halte?

Ich spreche zwei junge Männer, Micha und Nick, in der Nähe der Katharinenkirche an. Ihre Masken haben sie dabei. Micha hat seine Stoffmaske unter das Kinn geklemmt, während Nicks Einwegmaske den Mund bedeckt, aber die Nase frei lässt. Sie seien gerade aus einem Laden gekommen und hätten die Maske runtergenommen, um frische Luft zu schnappen.

Sie erzählen, dass ein älterer Mann sie sofort auf die Maskenpflicht hingewiesen habe. Angezogen hatten sie sie dennoch nicht. An der frischen Luft sei doch das Ansteckungsrisiko geringer. Überhaupt könne der Abstand meist eingehalten werden, die Regeln in Frankfurt sehen sie als übertrieben an.

Ich frage, warum Nick seine Maske überhaupt trägt. Wenn sie die Nase frei lässt, dann könne er sie doch genauso gut ausziehen. Er sagt, sie rutsche beim Reden immer wieder herunter und er ziehe sie immer wieder über die Nase. Die beiden lehnen die Maskenpflicht nicht kategorisch ab: in geschlossenen Räumen und der Bahn können sie sie nachvollziehen.

Upps, Maske vergessen?

Danach begegne ich Huda und ihrer Freundin auf der Zeil. Beide tragen keine Maske. Als ich sie darauf anspreche, ziehen sie sofort ihre Masken an und sagen, sie hätten es schlichtweg vergessen. Sie sind auf dem Heimweg nach einem langen Tag in der Bibliothek. Beim Nachhaken zeigt sich aber auch, dass sie ein zwiespältiges Verhältnis zu Masken haben.

Die beiden jungen Frauen finden die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen grundsätzlich sinnvoll. Allerdings stört sie, dass sie die Masken auch dann in Räumen tragen müssen, wenn sie beinahe allein sind. Sie fragen sich zudem, ob viele ihre Masken überhaupt regelmäßig waschen oder wechseln, denn dann bringe auch die Maske keinen Schutz.

Kein Grund für keine Maske?

Die Maske nicht tragen, wo es doch vielerorts nicht nur Pflicht, sondern aus meiner Sicht auch eine Verantwortung in einem gemeinschaftlichen Miteinander bedeutet. Dafür können manche keinen triftigen Grund angeben. So ein älterer Herr, der seine Maske in der Hand spazieren führt. „Hm, es gibt eigentlich keinen Grund, warum ich sie nicht trage“, sagt er, „aber da hinten ziehe ich sie an, so hatte ich das vor.“ Er zeigt mit seiner Hand an eine Stelle einige Meter hinter mir.

Mehrere Gründe für den fehlenden Mund-Nase-Schutz

Meine Beobachtungen werden von dem Soziologen Stefan Kaufmann gestützt, der Professor an der Universität Freiburg ist. Im Interview mit dem SWR nennt er vier Gründe, aus denen die Maske nicht getragen wird.

  • Es wird vergessen
  • Das Ansteckungsrisiko wird als gering betrachtet
  • Wegen einer Beeinträchtigung auf gesundheitlicher Ebene
  • Als Protest gegen die Regierungsmaßnahmen

Er sieht die Herausforderung beim Maskentragen in der Umgewöhnung. Er sagt, dass „das Schwierige ist, unsere Alltagspraktiken zu verändern. Etwas Neues zu integrieren, verursacht immer einen großen Aufwand und dann werden auch schnell Proteste dagegen laut.“

Auch er bezeichnet das Nichttragen als rücksichtsloses Verhalten gegenüber der Gemeinschaft. Denn durch die Alltagsmasken schützen wir hauptsächlich die anderen. Er gibt aber auch Grund zu Hoffnung. Ihm zufolge orientieren sich die meisten Menschen in ihrem Verhalten stark an den Mitmenschen. „Wenn die meisten anderen eine Maske tragen, dann gibt es eine Dynamik, an die sich die meisten dann auch halten.“

Jeder hat eine Ausrede parat

Eine Begründung für das Nichttragen der Maske im Freien scheint jeder zu haben, den ich anspreche: Ausreichend Abstand zum Nächsten sei gewährleistet, nur mal eben frische Luft atmen, essen, trinken oder eine Zigarette rauchen. Andere vergessen es einfach oder nehmen sich vor, sie „da hinten“ aufzuziehen.

Kategorischen Maskenverweigerern begegne ich nicht. Vielmehr scheint die Grundhaltung der Menschen zu sein, dass sie sich grundsätzlich an die Regeln halten. Nur jetzt gerade in dem Moment eben nicht. Es wird es schon nicht so schlimm sein, es wird sich schon niemand anstecken.

Die Maske und das Virus werden uns noch eine Weile begleiten und ich bin mir sicher, dass ich vorerst auf dieses Accessoire nicht verzichten werden. Und ich freue mich sehr, wenn auch du auf andere Rücksicht nimmst und gemeinsam werden wir diese Krise auch meistern.