Anzeige
Anzeige
Angstprediger

Was konservative von rechtsradikalen Christen unterscheidet

Christliche Symbole auf fremdenfeindlichen Demos
epd/Matthias Schumann
Christliche Symbole tauchen immer wieder auf fremdenfeindlichen Demos auf, hier zum Beispiel im Jahr 2014 in Dresden.

Wie du erkennen kannst, wann eine Position nicht mehr konservativ, sondern radikal oder sogar extremistisch ist.

Erst mal die gute Nachricht: Rechtsradikale sind unter Christinnnen und Christen eine kleine Minderheit. Die wirkliche Größe der Szene sei zwar schwer einzuordnen, sagt die Publizistin und Juristin Liane Bednarz, aber vor vier Jahren sei der harte Kern auf rund 150.000 Personen eingeschätzt worden.

Liane Bednarz
privat
Liane Bednarz bezeichnet sich selbst als konservativ und gläubige Christin.

Radikaler Einfluss nimmt zu

Die schlechte Nachricht: „Mein Eindruck ist, dass das zunimmt“, sagt Bednarz bei einem Online-Vortrag über rechtsradikales und -extremes Gedankengut im Christentum in Darmstadt. Organisiert hat das das Darmstädter Netzwerk für politische Bildung. Zu diesem Netzwerk gehören die Volkshochschule Darmstadt, die Evangelische Erwachsenenbildung, das Katholische Bildungszentrum nr30 und der Asta der Hochschule Darmstadt.

Bednarz bezeichnet sich selbst als konservativ und als gläubige Christin. Und sie grenzt den Konservatismus scharf gegen rechts ab. Für Konservative seien  Heimat, Familie, Tradition und Nation wichtig, aber - und das ist der entscheidende Unterschied - sie verstünden das  nicht ausgrenzend.

Buchhinweis

Liane Bednarz: Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirche unterwandern, Droemer-Verlag 2018, 256 Seiten, 16,99 Euro.

Sechs Merkmale rechter Rhetorik

Trotzdem, erklärt die Rechtsextremismus-Espertin, gebe ein ein paar Themen, mit denen Radikale gut bei einigen konservativen Gläubigen landen könnten. Gender, Abtreibung, Islam- und Homosexuellenfeindlichkeit zum Beispiel.

Bednarz nennt einige Merkmale, an denen du erkennen kannst, wann eine Position nicht mehr konservativ, sondern radikal oder sogar extremistisch ist:

  1. Elitäres Selbstverständnis: Rechtsradikale neigen dazu, den Wahrheitsanspruch der Bibel auf die Politik zu übertragen. Sie reden gern von einer „Zeitgeist-Kirche“ und inszenieren sich als das einzig wahre Christentum.
  2. Antipluralismus: Weil sie behaupten, sie verträten die einzige Wahrheit, werten sie Menschen anderer Meinung ab. Wer etwas anderes glaubt, ist dann also entweder dumm, verderbt oder böse.
    Der politische Gegner sind dann „Altparteien“, „Kartellparteien“, „Lügenpresse“ oder „Volksverräter“. Radikale diffamieren die Demokratie als Diktatur und behaupten, sie seien die eigentliche Stimme des Volks.
  3. Antiliberalismus: Sie lehnen die westliche Ordnung als vermeintlich dekadent ab, angeblich herrschen hier Genderwahn, Zeitgeist, politische Korrektheit oder eine Homolobby.
  4. Ethnopluralismus: Klingt nach etwas Gutem, ist aber eine wirklich dreckige Ideologie. Christliche Extremisten sagen, jedes Volk habe von Gott seine eigene Kultur und sein eigenes Territorium, und Völker sollten sich nicht mischen. Sie reden von „Kultur“, meinen aber im Prinzip das, das man früher unter „Rasse“ verstanden hat. „Zu Ende gedacht würde das auf eine weltweite Apartheid hinauslaufen“, erklärt Bednarz.
  5. Scheinargumente: Sie fordern, Kirche solle sich nicht in Politik einmischen, aber verschleiern damit, dass ihre eigenen Botschaften selbst hochpolitisch sind. Oder sie bauschen Einzelfälle auf und geben vor, das sei die Regel - etwa Fälle, in denen Kindergärten die St. Martins-Umzüge in Lichterfeste umbenannt hätten. „Es gab vereinzelt Fälle, in denen das passiert ist“, sagte Bednarz, „aber in diesen Kreisen pickt man sich die heraus.“ Das nennt man Bestätigungsfehler: Menschen nehmen dann nur wahr, was ihre Überzeugung bestätigt und blenden alles andere aus.
  6. Dogmatismus: Sie behaupten einfach etwas steif und fest, ohne es zu belegen. Zum Beispiel, dass Homosexualität unnatürlich oder eine Krankheit sei. Wenn sie angebliche Belege dafür bringen, stimmen sie oft nicht. Zum Beispiel dass die Bibel gleichgeschlechtliche Liebe verdamme. „Bibelstellen zu Homosexualität meinen gar nicht Homosexualität im heutigen Sinn, sondern Prostitution oder Sklaven-Herren-Verhältnisse“, erläutert Bednarz.

Bednarz nennt als Beispiele den Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels oder auf protestantischer Seite den Pastor Olaf Latzel, die regelmäßig die Grenzen zur Radikalität überschritten. Auch Figuren der politischen Ultrarechten - zum Beispiel die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch oder die Graue Eminenz der "Neuen Rechen", Götz Kubitschek - argumentieren in diesen Mustern. Auch von der „Identitären Bewegung, ein kleiner Haufen, den der Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ bezeichnet, kommen solche Töne.

„Erschreckenderweise machen diese Leute auch mobil gegen Corona-Schutzmaßnahmen“, sagt die Expertin über Christen am rechten Rand. Das sei ein Widerspruch zum sonst oft proklamierten christlichen Lebensschutz: „Man sollte meinen, dass sie sich als Christen für Schwache einsetzen.“

Anbiederung funktioniert nicht

Insbesondere die Unionsparteien sieht Bednarz in der Pflicht, den Unterschied zwischen Konservatismus und rechtem Gedankengut deutlich zu machen. Da sei zu lange nichts passiert. „Was nicht funktioniert, ist Anbiederung“, kritisiert sie. Und: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass dieses Denken von allein wieder verschwindet.“