Spiritualität

Wie der Traum vom Fliegen den Himmel näher bringt

Klaus Hofmeister in seinem Gleitschirm
privat
Klaus Hofmeister in seinem Gleitschirm

Wenn der Körper schwerelos dahingleitet: Dieses Gefühl scheint unbeschreiblich. Unser Gastautor Klaus Hofmeister nimmt dich mit in den Himmel.

Es ist ein magischer Moment, wenn ich „frei komme“. Wenn der letzte Schritt mich nicht mehr tragen muss, sondern ich plötzlich getragen werde von zwei Dutzend Quadratmetern Nylon über mir. Von einem Augenblick auf den andern ist die irdische Schwere weg.

Was das Gefühl zu fliegen in uns auslöst

Das Getragensein erleben Gleitschirmflieger im Gurtzeug intensiver als jeder andere Flugsportler. Das hat eine starke psychische Dimension. Jeder von uns hat das Getragensein als Körpererinnerung aus Kindertagen in sich. Und noch früher als das: im Bauch der Mutter hatten wir schon einmal dieses ozeanische Gefühl des Fliegens, frei zu sein und zugleich getragen zu sein, in einer Welt ohne Ecken und Kanten.

Klaus Hofmeister

Klaus Hofmeister (62) ist katholischer Theologe und arbeitet als Redakteur für Kirche und Religion im Hessischen Rundfunk. Seit 1988 hat er den Pilotenschein, seit Januar 2019 eine Lizenz als Gleitschirmpilot. Seine alpinen Gleitschirmabenteuer mit Sohn und dessen Freundin dokumentiert er bei Youtube im Kanal „peak and fly“.

Die Fesseln der Schwerkraft abwerfen: Beim Start ist das ein starker Moment. Es ist eine Urkraft, mit der uns warme Luft – besonders in den thermisch hoch aktiven Alpen - nach oben trägt. Wer nicht jeden Sinn für Poesie verloren hat, erlebt darin nichts anders als eine Himmelfahrt zu Lebzeiten.

Spirituelle Erfahrung

Natürlich ist das alles objektiv gesehen „nur“ Physik. Aber es ist subjektiv eine Begegnung mit dem ganz Anderen, eine Erlebnisdimension, die unten auf der Erde nicht möglich ist. Sie ist wirklich überirdisch.

Es ist kein Zufall, dass diese Worte fast religiös klingen. Denn das Fliegen ist eine im Wortsinn transzendente Erfahrung, weil sie das schwerkraftgebundene Leben überschreitet, wie das lateinische Wort besagt.

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Hinzu kommt das überwältigende Erlebnis der Weite, das sich unter einem Gleitschirm mit seiner unverbauten Rundumsicht einstellt. Auch das kann das Fliegen zu einem ozeanischen Erlebnis machen: wie entgrenzt sind wir mitten in der Unendlichkeit des Himmels, hineingegeben in eine grandiose Offenheit.

Sehnsucht Fliegen und Sehnsucht Gott

Klaus Hofmeister beim Gleitflug
privat

Für mich ist jeder Flug eine Begegnung mit meiner Sehnsucht. Wenn ich aufdrehen kann, weit nach oben, wo das Blau unmerklich in den Horizont läuft und nichts, aber auch gar nichts den Blick begrenzt, dann komme ich in Kontakt mit dieser Dimension, die weit über mich hinausreicht. Ich erlebe dort etwas, von dem ich sage: „Das muss der Himmel sein!“

Es gibt keinen Flug, der einem andern gleicht. Ich genieße deshalb jeden Flug als etwas Besonderes, voller Freude und Dankbarkeit.

Die Alp Brunni am Thunersee in der Schweiz
Klaus Hofmeister
Die Alp Brunni am Thunersee in der Schweiz

Es sind grandiose Gefühle dort oben. Doch nach ein paar Stunden, wenn die Thermik zerfällt und die Müdigkeit kommt, weiß ich: Ich bin und bleibe ein Erdling. Die Flügel sind nur geliehen, im Licht der Höhe bin ich nur Gast. Das Stück Vermessenheit, das darin liegt, sich oben als der Größte zu fühlen, wird fühlbar beim Abstieg, wenn der Kopf glüht und die Blase drückt.

Himmel und Erde näher zueinander bringen

So wie das Fliegen für mich eine spirituelle Dimension hat, so auch die Landung, die bewusste Rückkehr auf die Erde mit ihren Gesetzen, auf den Boden der Tatsachen.

Geerdet leben heißt, im Alltag nicht abheben und Illusionen nachlaufen.

Zugleich bedeutet es, mit der himmlischen Perspektive im Herzen vertraut zu bleiben, den Kräften der Seele, die nach dem Großen ausgreifen, denen ich bei meinen Flügen begegne. Ich lebe dann auch unten mit diesem größeren Horizont, der mir hilft, nicht kleinlich zu werden mit mir und den andern.

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