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Social-Media

Alles gelogen? Warum RealFake-Profile ein Problem sind

Portrait von Esther Stosch
Kommentar von Esther Stosch

Tausenden Menschen erzählte Jule „Stinkesocke“ über ihren Alltag als querschnittsgelähmte im Rollstuhl. War das alles Fake?

Aktivist:innen auf Social Media sind Menschen mit Behinderung, die Einblick in ihr Leben gewähren und aufklären wollen. Dazu gehören beispielsweise der Aktivist im Rollstuhl Raul Krauthausen, der blinde TikToker Nikolaos oder die querschnittsgelähmte „Jule Stinkesocke“. Doch gibt es Jule wirklich?

Wenn die gefälschte Identität auffliegt

Darüber debattiert Twitter Deutschland seit Anfang April. Zumindest ihr Profilbild auf Social-Media war nicht echt. Denn das Gesicht gehört einer Pornodarstellerin. Jule, angeblich Jahrgang 1992, Hamburgerin und querschnittsgelähmt bloggt seit 2009 über ihr Leben. Es geht um barrierefreie Bahnstationen, Diskriminierungserfahrungen oder ganz Banales aus ihrem Leben.

Doch was ist dran, wenn alles fake ist? Fast 70.000 Menschen folg(t)en dem Account auf Twitter, aber seit den Vorwürfen ist alles abgeschaltet. Auch ihr Blog ist seit dem 2. April nicht mehr erreichbar. 

Unter dem Hashtag #julestinkesocke auf Twitter sind Fake und Fakten kaum noch zu unterscheiden: Hat etwa ein mittelalter Mann die junge Frau erfunden? Was hatte es mit einer Spendenaktion auf sich? Die Aufregung dreht sich vor allem um eines: Vertrauensmissbrauch. Und das schadet dem Inklusionsgedanken. 

Vermutlich gibt es falsche Identitäten im Internet, seitdem das Internet existiert. Wer von uns ist online nicht unter einem Pseudonym unterwegs? Doch was geht zu weit?

RealFake: Gefälschte Internet-Profile

RealFakes sind ausgedachte Internet-Profile. Sie erschleichen sich das Vertrauen der User:innen im Netz, indem sie über einen langen Zeitraum (teilweise jahrelang) posten. Alles wirkt absolut echt. Die Ziele sind unterschiedlich: Vertrauen, Zuneigung oder Liebe. Den Begriff hat Victoria Schwartz in ihrem Buch „Wie meine Internet-Liebe zum Albtraum wurde“ geprägt.

Erfundene Charaktere inspirieren uns seit Menschengenken. Und das ist auch völlig in Ordnung. Das Internet macht es uns einfach, eine Kunstfigur auszudenken. Das geht auch so lange gut, solange die Absicht transparent ist. Twitter-Oma Renate Bergmann unterhält uns, Sophie Scholl informiert uns auf Instagram über Nazi-Deutschland und Künstlerin Barbara klebt politische Botschaften an Straßenschilder.

Pseudonyme schützen die Privatsphäre und erlauben es Menschen, sich frei auszudrücken.

Aber es ist absolut nicht okay, uns reinzulegen!

Auch im Netz suchen wir nach wahrhaftigen Beziehungen. Scheinbeziehungen hinterlassen vor allem eines: Enttäuschung, Wut und manchmal auch Verzweiflung.

Ganz besonders dann, wenn RealFake-Accounts gesellschaftlich-benachteiligten Gruppen schaden. Egal wie pointiert die gefälschten Informationen sind, dadurch werden sie noch lange nicht real.

Persönliche Leidenserfahrungen sind nicht fakebar.

Den Aktivist:innen hat „Jule Stinkesocke“ auf jeden Falls einen Bärendienst erwiesen.

Warum ich meinen Artikel verändert habe

In der ersten Version des Kommentars habe ich das Wort Inkluencer verwendet. Da es sich hierbei um eine Kampagne der Aktion Mensch handelt, habe ich es durch Aktivist:in ersetzt. Vielen Dank für die Aufklärung Christiane

„Wie kann man nur darauf reinfallen?“ Wenn Menschen täuschend echte Identitäten erstellen, geht das nur zu einfach. Wie würdest du damit umgehen? Wo ist deiner Meinung nach die Grenze? Erzähle mir deine Meinung, gerne auf Social Media

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