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Deutschland ohne Evangelische Kirche

Brot für die Welt: Hilfe zur Selbsthilfe fördern

Eine Ärztin im Kongo sitzt am Bett einer Patientin und spricht mit ihr.
Brot für die Welt/Thomas Einberger
Frauenärztin Dr. Irene Tchangou behandelt Mädchen und Frauen im Panzi-Krankenhaus im Osten der Demokratischen Republik Kongo, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Projektpartner ist Brot für die Welt.

Viele Menschen verlassen die beiden großen christlichen Kirchen. Was würde passieren, wenn es die Evangelische Kirche eines Tages nicht mehr gäbe? Die Redaktion von indeon.de hat nachgefragt. Heute bei Dagmar Pruin, der Präsidentin von Brot für die Welt.

Brot für die Welt ist ein Hilfswerk der evangelischen Kirche für die Entwicklungszusammenarbeit. Was ist das Spezifische an Ihrer Arbeit, beziehungsweise wo unterscheidet sich die Arbeit der Organisation von der Arbeit anderer Institutionen in der Entwicklungszusammenarbeit?

Dagmar Pruin: Weltweit arbeiten wir mit mehr als 1.500 kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen an der Überwindung von Hunger und Armut und kämpfen gegen Ungerechtigkeit und die Folgen der Klimakrise. Das heißt konkret: Wir führen keine Projekte durch, sondern unsere lokalen Partner. Wir unterstützen sie dabei. Unser Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Brot für die Welt hilft unabhängig von der Politik

Weltweit sind unsere kirchlichen Partner ausgegrenzten Menschen besonders nahe und können dort helfen, wo der Staat fehlt. Darüber hinaus ermöglicht uns die Kooperation mit kirchlichen Einrichtungen auch in Ländern zu arbeiten, deren Regierungen aus politischen Gründen kein Geld für die Entwicklungszusammenarbeit vom deutschen Staat erhalten. Beispiel Simbabwe: Dort hat der Kirchenrat in der Corona-Pandemie durch unsere Unterstützung die Menschen informieren und Kliniken mit Schutzmaterial ausstatten können.

arai Gumisai ist TSURO-Mirarbeiter und unterrichtete die Dorfbewohner in Manzou über eine ausgewogene Ernährung und den Anbau bestimmter Getreidesorten. Projektpartner: Towards Sustainable Use of Resources Organisation (TSURO)
Brot für die Welt/Karin Schermbrucker
Die Organisation TSURO stellt Kleinbauern in der östlichen Region von Simbabwe Getreide und landwirtschaftliche Geräte zur Verfügung und hilft mit den Folgen des Klimawandels zu leben - und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.

Was ist die Motivation für diesen Ansatz?

Dagmar Pruin: Brot für die Welt setzt sich für die Überwindung von Hunger, Armut und Ungerechtigkeit in der Welt ein. Wir verstehen uns dabei als Teil der weltweiten Christenheit, getragen von evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland und von der biblischen Verheißung, dass alle „das Leben haben und volle Genüge“ (Joh 10.10).

Die Würde des Menschen stellen wir in den Mittelpunkt. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen und Partnerkirchen in aller Welt ist es gelungen, Millionen von Menschen darin zu unterstützen, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft zu verbessern.

Ins Leben gerufen wurde Brot für die Welt 1959 von den evangelischen Landes- und Freikirchen aus Dankbarkeit für die Hilfe, die den Menschen nach dem Krieg in Deutschland zuteilgeworden ist und war zugleich ein Signal gegen die reine Orientierung am Konsum in der Zeit des Wirtschaftswunders der 1950er Jahre. „Es geht nicht ohne einen jeden von uns“ – sagte der Theologe Helmut Gollwitzer bei der Gründungsveranstaltung in der Deutschlandhalle in Berlin.

Das gilt bis heute: Wir setzen uns für einen maßvollen Lebensstil und einen Wandel in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ein.

Welche Projekte unterstützt Brot für die Welt?

Porträtfoto von Dagmar Pruin, der Präsidentin von Brot für die Welt.
Hermann Bredehorst/Brot für die Welt
Dagmar Pruin ist Präsidentin von Brot für die Welt. In der Organisation stehe die Würde des Menschen im Mittelpunkt, sagt sie.

Macht sich das auch bemerkbar bei der Auswahl der Projekte, für die sich Brot für die Welt engagiert?

Dagmar Pruin: Wir fördern weltweit Partnerorganisationen, die sich für den Schutz der Menschenwürde und -rechte einsetzen, die Notleidenden und Armen beistehen.

Gibt es Projekte, die für Brot für die Welt nicht infrage kommen?

Dagmar Pruin: Projekte, die nicht den Zielen unserer Satzung entsprechen oder Projekte, die Rassismus oder Diskriminierung erkennen lassen, kommen für eine Zusammenarbeit nicht in Frage.

Reine Nothilfeprojekte, etwa nach einer Naturkatastrophe, fördert Brot für die Welt als Entwicklungswerk nicht. In solchen Fällen hilft unsere Schwester, die Diakonie Katastrophenhilfe.

Welche Rolle spielt Brot für die Welt rein quantitativ in der Entwicklungszusammenarbeit?

Dagmar Pruin: Wir gehören zu den großen nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen in Deutschland und Europa. Aktuell fördern wir rund 1.800 Projekte von Partnerorganisationen in 85 Ländern weltweit und haben einen Gesamtetat von mehr als 320 Millionen Euro.

Der deutsche Staat stellt den kirchlichen Entwicklungswerken Brot für die Welt und Misereor seit 60 Jahren erhebliche Mittel zur Verfügung. Auch das zeigt, dass wir für die Entwicklungszusammenarbeit unverzichtbar sind.

Vertrauen in religiöse Führer

Seit 1962 arbeitet die Bundesregierung offiziell mit den beiden großen Kirchen in der Entwicklungspolitik zusammen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Niels Annen (SPD), hat zum Jubiläum betont, wie notwendig die gemeinsame Entwicklungsarbeit ist. Sie helfe, die Folgen von Krieg, Erderwärmung und Corona-Pandemie zu bekämpfen. Die Kirchen leisteten Hilfe zur Selbsthilfe in fast allen Bereichen, von der Armuts- und Hungerbekämpfung über die Gleichstellung der Geschlechter und den Klimaschutz bis hin zur Stärkung der Zivilgesellschaft in den Ländern des globalen Südens. Kirchen seien auch dann noch tätig, „wenn dies die politische Situation der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit häufig nicht mehr erlaubt“. Es sei „großartig“, dass sie etwa im Tschad und dem Südsudan aktiv seien. In vielen Ländern könnten religiöse Führer und Führerinnen zur gesundheitlichen Aufklärung beitragen. Ihnen vertrauten die Menschen. Zudem seien sie oft Träger von Krankenhäusern oder medizinischen Ausbildungsstätten.

Wie zeigt sich der christliche Ansatz konkret für die Menschen, um deren Hilfen es geht?

Dagmar Pruin:Vor Gott sind alle Menschen gleich. Unsere Entwicklungszusammenarbeit stellt die Würde des Menschen in den Mittelpunkt und setzt auf Befähigung – also Hilfe zur Selbsthilfe. Unsere Arbeit geschieht in dem Horizont der christlichen Hoffnung. „Weil das, was ist, nicht alles ist, kann das, was ist, sich ändern“, so hat es Jürgen Ebach in Anlehnung an Theodor Adorno einmal formuliert.

Was würde aus Ihrer Sicht passieren, wenn die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche wegfiele, weil es sie nicht mehr gäbe. Würde das das Aus für Brot für die Welt bedeuten? 

Dagmar Pruin: Ja, das würde das Aus für Brot für die Welt bedeuten, denn wir sind das Hilfswerk der Evangelischen Landeskirchen und der Freikirchen. Deshalb: Gott bewahre! Wir können nur so arbeiten, wie wir arbeiten, weil wir nicht nur staatliche Mittel, sondern auch kirchliche Mittel und private Spenden erhalten. 

Das garantiert auch unsere Unabhängigkeit gegenüber dem Staat, nur so kann „Brot für die Welt“ tatsächlich Brot für die Welt sein und nicht jede beliebig andere Organisation. Und nur so können wir auch Menschen erreichen, die von staatlicher Hilfe nicht erreicht werden.

Spenden für Brot für die Welt

Kuda Gudyanga (46) und seine Frau NoMatter (39) in Nyanyadzi, Chimanimani an der Ostgrenze Simbabwes.
Brot für die Welt/Karin Schermbrucker
Dürre in Simbabwe: Die Region hat eine schwere Dürre erlebt und ist vom Klimawandel stark betroffen. Dadurch sind die Kleinbauern von großen Verlusten bei der Ernte und dem Viehbestand bedroht.

Immer mehr Menschen treten aus der evangelischen und katholischen Kirche aus, aber das Spendenaufkommen bei Brot für die Welt steigt. Welche Erklärungen gibt es von Ihrer Seite für das steigende Spendenaufkommen? 

Dagmar Pruin: Kirchenaustritt ist nicht gleichzusetzen mit dem Ende der Hilfsbereitschaft. Viele Menschen haben uns gespendet, die Weihnachten nicht in die Kirche gehen konnten. Für Brot für die Welt spenden zudem auch Menschen, die keiner Kirche angehören. Viele teilen unsere Werte und vertrauen unserer weltweiten Arbeit. Sie wissen, dass ihre Spenden bei Brot für die Welt wirksam und sinnvoll verwendet werden.

Zuletzt haben die Corona-Pandemie und der Krieg gegen die Ukraine gezeigt: In Krisen sind wir eine solidarische Gesellschaft, kirchlich oder nicht-kirchlich, alle gemeinsam. Langjährige Unterstützer:innen haben zusätzlich überwiesen, neue Spender:innen kamen dazu. Einen wichtigen Anteil am Spendenaufkommen haben zudem unsere Fördermitglieder mit ihrer regelmäßigen Unterstützung. Das ist Hilfe, auf der wir unsere Hilfe aufbauen.