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Vier-Tage-Woche

Burn-out durch Arbeitssucht

Andreas Fauth
Kommentar von Andreas Fauth

Eine Vier-Tage-Woche würde die Attraktivität der Arbeit steigern und Fachkräfte binden, findet unser Chefredakteur Andreas.

Plädoyer für eine Vier-Tage-Woche

Drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland plädieren für eine Vier-Tage-Woche, in der Industrie ist der Wunsch sogar noch größer. Viele würden für ein längeres Wochenende sogar Lohneinbußen hinnehmen, immerhin 25 Prozent der Beschäftigten denken so. Die Gründe sind vielfältig: Der Wunsch nach mehr Freizeit oder mehr Zeit für die Familie, aber auch die gestiegene Arbeitsverdichtung im Job sind ein Thema.

Zugleich hat erst kürzlich eine neue Studie im Auftrag der Hans Böckler-Stiftung gezeigt: Jeder Zehnte ist arbeitssüchtig.

Ein Burn-out, wenn wir anderen helfen, hätte Gott nicht gewollt.

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Betroffen von Arbeitssucht sind nicht nur Chefs oder Managerinnen, Leute mit einer kleinen Firma im Handwerk, sondern auch Ärzte und Ärztinnen, sogar Pflegekräfte: Menschen, die anderen Menschen helfen wollen, sind schnell von Arbeitssucht betroffen – wer in der Pflege arbeitet, geht nicht einfach nach Hause, wenn Hilfe nötig ist. Aber mal ehrlich: Ein Burn-out, wenn wir anderen helfen, das hätte der liebe Gott gewiss nicht gewollt.

Arbeitssucht gerade in kleinen Betrieben

Vor allem in kleinen Betrieben kommt es zu Arbeitssucht. Ursache ist in vielen Fällen die Betriebskultur, wenn zum Beispiel nicht genug Pausenzeiten oder Regeneration im Feierabend oder am Wochenende möglich sind. Manche haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie freinehmen wollen. Die Folge: Arbeitssucht kann langfristig Burn-out oder Depression auslösen.

Die Arbeitsverdichtung in den Betrieben nach Ende der Corona-Pandemie hat das Risiko noch verschärft - eine Vier-Tage Woche würde helfen zu entschleunigen.

Weiterarbeiten nach Feierabend
gettyimages/damircudic
Weiterarbeiten nach Feierabend

Denn oft sind wir gerade selbst die Ursache, wenn wir zur Arbeitssucht neigen: Viele Menschen sehnen sich danach, gebraucht zu werden. Für Arbeitssüchtige ist der Job mehr als nur ein Arbeitsplatz, denn es bereitet ihnen ein positives Gefühl, wenn sie unverzichtbar im Unternehmen scheinen. So definieren Arbeitssüchtige oftmals ihr Leben durch den Job – Anerkennung in der Gesellschaft bekommen Arbeitssüchtige vor allem für ihre beruflichen Aufgaben.

Burn-out-Falle für Engagierte

Viele bemerken ihre Arbeitssucht erst dann, wenn sie in den Ruhestand gehen: Plötzlich ist alles vorbei. Die Kollegen, der geregelte Tagesablauf, oft geht auch das Ansehen flöten: „Keiner interessiert sich mehr für mich.“ Arbeit, die Menschen in eine solche Sucht treibt und eine Gesellschaft, die so tickt, das ist toxisch. Eine solche Gesellschaft fördert nicht die Produktivität, sondern im Gegenteil: sie lockt die besonders Engagierten in eine Burn-out-Falle.

Die Arbeit über alles andere zu stellen ist auch ein typisch deutsches Phänomen: Andere machen Siesta, Familie und Freunde sind wichtiger, Freizeit und Hobbys – das Risiko von Arbeitssucht ist in manch anderem Land geringer.

Wir brauchen deshalb ein Umdenken bei der Gestaltung von modernen Arbeitsprozessen, zum Beispiel:

  • Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass in vielen Branchen Home-Office möglich ist. Für viele Menschen ist Home-Office ein echter Gewinn.
  • Auch flexiblere Arbeitszeiten sind denkbar, wenn Menschen von zu Hause arbeiten dürfen. So kann zum Beispiel eine Vier-Tage-Woche dazu führen, dass Menschen produktiver arbeiten. Stress und Burn-out nehmen ab.
  • Der Volkswagenkonzern zum Beispiel blockiert die Mail-Postfächer seiner Angestellten am Abend und schaltet sie erst am nächsten Morgen wieder frei.

Vier-Tage-Woche als Chance

Die Vier-Tage-Woche würde längere Erholungszeiten bieten und damit Burn-out oder Depressioinen vorbeugen. Die ständige Arbeitsverdichtung, wie wir sie gerade im Dienstleistungsbereich erleben, beschleunigt das Ausbrennen der Mitarbeitendenden. Digitale Tools und Videokonferenzen diktieren den Tagesablauf, Pausen sind seltener geworden und oftmals wird die Arbeit noch parallel zum Meeting am Bildschirm erledigt. 

Die Einführung einer Vier-Tage-Woche würde die Effizienz also keinesfalls senken, sondern vielmehr die Arbeitsleistung wieder auf ein gesundes Maß zurückführen. Natürlich ist eine Vier-Tage-Woche nicht in allen Branchen realisierbar - dort, wo sie möglich ist, steigert die Vier-Tage-Woche aber die Attraktivität des Arbeitsplatzes und bindet Fachkräfte an das Unternehmen.

Macht Kirche arbeitssüchtig?

Im kirchlichen Umfeld finden sich viele Jobs, die potenziell von Arbeitssucht betroffen sind. Die Hilfe für den Nächsten ist das Kerngeschäft der Kirche – in Diakonie und Pflegeberufen, aber auch in Kitas und selbst bei ehrenamtlichem Engagement. Gerade in der Verwaltung wäre eine Vier-Tage-Woche möglich. Gleichzeitig entwickelt sich Kirche nur äußerst langsam weiter. Bis Veränderung Einzug hält, kann es schon mal dauern – die Folge: Frust und Burn-out sind für so manchen ein bekannter Begleiter.

Wenigstens den Feierabend wörtlich nehmen

Wenn schon die Vier-Tage-Woche bislang nur ein Vorschlag und für viele noch in weiter Ferne liegt: Dann sollten wir gerade in Deutschland wenigstens den Feierabend wörtlich nehmen: Der Abend ist zum Feiern da, Abstand von der Arbeit finden, abends sind Freizeit, Freunde und Familie dran. Freizeit macht das Leben vielfältiger. Wir dürfen Gott dankbar sein für die Vielfalt des Lebens. Wir leben gesünder bis zu unserem Ruhestand und wir dürfen uns auf das Ende der beruflichen Laufbahn freuen – weil wir mit dem Job eben nicht den Sinn unseres Lebens verlieren.

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