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Zu wenig Personal

Die Pflege liegt auf der Intensivstation

Renate Haller
Kommentar von Renate Haller

Corona macht noch einmal deutlich, was schon lange bekannt ist: Es gibt zu wenig Pflegekräfte in Deutschland. Wer das ändern will, muss die Arbeit besser bezahlen. Aber das alleine reicht nicht aus, um die Pflege in Kliniken und Heimen vor dem Kollaps zu bewahren.  

Corona trifft die Welt mit voller Wucht. Zwischen Januar 2020 und November 2021 sind laut Weltgesundheitsorganisation mehr als 5,1 Millionen Menschen im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Viele von ihnen in Krankenhäusern. Auf den Intensivstationen kämpfen Pflegekräfte und Ärzte um das Leben der Infizierten.

Alltag auf Intensivstationen

Wer wissen will, wie es in diesen Tagen auf den Intensivstationen aussieht, muss nur den Fernseher einschalten und eine der vielen Reportagen anschauen. Abgekämpfte, müde und frustrierte Frauen und Männer, die es leid sind, für wenig Geld und geringe Wertschätzung das auszubügeln, was Politiker und Politikerinnen sträflich versäumen.

Pflege eines mit dem Coronavirus infizierten Patienten am 22.02.2021 auf der Intensivstation des BG Klinikum Bergmannstrost Halle.
epd-bild/Steffen Schellhorn
Pflege eines mit dem Coronavirus infizierten Patienten im Februar auf der Intensivstation des BG Klinikum Bergmannstrost Halle

Leere Versprechungen der Politik gegenüber der Pflege

Klar, vor gut zwei Jahren wusste niemand, dass sich ein Virus namens SARS-CoV-2 auf der Erde ausbreiten und die Gesundheitssysteme überfordern wird. Aber dass es der Pflege hierzulande sehr schlecht geht, ist seit Jahren bekannt. In Kliniken, Pflegeheimen und bei mobilen Diensten.

Es mangelte nicht an Versprechen der Politik, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Versprechen entpuppen sich mit schöner Regelmäßigkeit als Luftschlösser. Wo kein Personal ist, kann man keines einstellen.

Schwester Eva vom SanitaetsVerein Neu-Isenburg 1861 e.V. versorgt einen 85-jaehrigen Rentner in Neu-Isenburg.
epd-bild/Tim Wegner
Schwester Eva vom SanitätsVerein Neu-Isenburg 1861 versorgt einen 85-jährigen Rentner in Neu-Isenburg

Studierte Pflegekräfte unterfordert

Zugegeben, es gibt Bemühungen, seit 2020 etwa die generalisierte Pflegeausbildung, die gemeinsame Ausbildung von Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege. Sie ermöglicht interdisziplinäre Zusammenarbeit, fachliche Vertiefungen und für die Ausgebildeten Mobilität innerhalb der EU.

Das ist dringend notwendig, damit der Beruf attraktiver wird. Anwerbeversuche von Personal im Ausland haben gezeigt, dass etwa in Spanien ausgebildete, oft studierte Pflegekräfte mit dem hiesigen Alltag nicht zufrieden sind, wo der Anteil der medizinischen Behandlungspflege meist gering ist. Die Angeworbenen fühlen sich unterfordert.

Pflegekräfte sind mehr als Handlanger der Ärzte

Überfordert sind hiesige Pflegekräfte, die aktuell in Krankenhäusern und Heimen arbeiten.

  1. Sie verdienen zu wenig. Auch die versprochenen Corona-Zulagen haben längst nicht alle bekommen.
  2. Sie bekommen zu wenig Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Darüber darf die aktuelle Präsenz in den Medien nicht hinwegtäuschen. Sie wird enden, sobald die Zahlen der Infizierten sinken.
  3. Sie sind zu wenige.
  4. In Kliniken werden sie oft als Handlager der Ärzte behandelt, das schafft zu recht Unzufriedenheit.

Kommerzialisierung des Gesundheitssystems schadet Menschen

Die Politik muss endlich aufhören, nach kurzfristigen Lösungen zu suchen. Weder Anwerbungen im Ausland noch einmalige Zulagen, wie der wieder versprochene Pflegebonus, lösen ein komplexes Problem.

Protestaktion vor dem Bundestag unter dem Motto „Wenn, dann jetzt: #Pflegerebellion” macht auf  Missstände im Pflegebereich aufmerksam.
epd-bild/Juergen Blume
Protestaktion vor dem Bundestag unter dem Motto „Wenn, dann jetzt: #Pflegerebellion” macht auf Missstände im Pflegebereich aufmerksam.

Erst recht nicht die Kommerzialisierung des Gesundheitssystems. Wo Rendite im Vordergrund steht, bleibt der Mensch auf der Strecke. Verkäufe von Kliniken und Heimen sind nicht per Federstrich rückgängig zu machen. Aber wenn man Gesundheit und Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht und nicht als privates Problem, muss man umsteuern.

Gesetzliche Höchstgrenze für Arbeitsvolumen

Gehaltserhöhungen und allgemeingültige Tarifverträge für das Pflegepersonal sind notwendig. Aber sie bringen nichts, wenn die jeweilige Einrichtung sie über eine Verkleinerung der Teams finanziert oder über höhere Sätze für Pflegeheimbewohner, die diese nicht bezahlen können.

Es muss gesetzlich und überprüfbar festgelegt sein, für wie viele Bewohner oder Kranke eine Pflegekraft zuständig sein darf. Die Pflegeversicherung muss reformiert werden.

Zwölf-Stunden-Schichten auf Intensivstationen

Im vergangenen Winter haben viele Klinken ihr Intensiv-Personal in Zwölf-Stunden-Schichten eingeteilt. Zwölf Stunden unter Dauerstress, meist in Schutzanzügen. Nichts spricht dafür, dass dieser Winter anders wird. Die Pflege liegt selbst auf der Intensivstation – die neue Regierung muss sie dringend dort runterholen.

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