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10 Jahre nach dem Breivik-Anschlag

„Das hat der Breivik-Anschlag bei uns verändert“

Mia und Anne-May: „Das hat der Breivik-Anschlag bei uns verändert“
privat & Joakim S. Enger

Das rechtsextremistische Attentat von Anders Breivik tötete 77 Menschen. Wir haben mit Norwegern darüber gesprochen, was sich seitdem verändert hat.

von Niklas Jenny

Bei meinen Recherchen zu dem den Morden auf Utøya und dem Bombenanschlag in Oslo, merke ich schnell: Viele Menschen sind bis heute traumatisiert. Auf meine Interviewanfrage höre ich oft den Satz: „Sorry, ich kann nicht darüber sprechen.“

Vor zehn Jahren, am 22. Juli 2011 brachte der Rechtsextremist und Islamfeind Anders Behring Breivik 77 Menschen in Norwegen um. Nachdem er im Osloer Regierungsviertel eine Autobombe explodieren lässt, machte er sich auf den Weg zur nahegelegenen Insel Utøya. Als Polizist verkleidet eröffnet er das Feuer auf ahnungslose Teilnehmende beim Sommercamp der Norwegischen Arbeiterpartei. Er lässt sich widerstandslos festnehmen und wird zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

Wie geht es den Menschen, die Angehörige bei den Anschlägen verloren haben?

Mie Nordlie wohnt in Norwegen
privat

Mie Nordlie war 16 Jahre alt, als sie, beim Frisör sitzend, von den Terroranschlägen hörte. Kurz zuvor hatte sich die Teenagerin dazu entschlossen, politisch aktiv zu werden, wenn auch bei den jungen Konservativen. Nun war sie besorgt, ob nicht Bekannte bei der Attacke verletzt oder gar getötet worden waren.

„Ich und mein Freund haben die ersten Tage das Internet durchsucht und herumtelefoniert, um herauszufinden, ob eine Freundin meines Freundes überlebt hatte. Nach einigen Tagen war klar, dass sie getötet worden war. Das machte mich sehr wütend und ich erinnere mich immer noch daran, wie kraftlos ich mich fühlte.

Ich denke nicht, dass ich ihm [Anders Breivik, Anm. d. Red.] jemals das vergeben könnte, was er getan hat. Er hat so viel Angst gesät. Aber ich denke auch, dass es nicht an mir liegt, ihm zu vergeben.“

Gedenken an die Opfer des Anschlags

Anne-May Grasaas ist die Dekanin der Osloer Dompropstei.
Joakim S. Enger

Anne-May Grasaas war damals Pfarrerin der Dreifaltigkeitsgemeinde in Oslo. Das ist ganz in der Nähe, wo die Bombe im Regierungsviertel explodierte. Sie erlebte, wie in den Tagen danach Kerzen vor dem Osloer Dom abgestellt und gemeinsam getrauert wurde.

Heute ist Anne-May Grasaas die Dekanin der Osloer Dompropstei und organisiert den Gottesdienst zum zehnjährigen Gedenken mit.

„Wir sind nicht länger blind für die Tatsache, dass terroristische Taten auch unser Land treffen können. Nach der Attacke sind alle Teile der Gesellschaft zusammengekommen. Unglücklicherweise scheint dies aber nicht den Trend der Polarisierung und des Extremismus in Norwegen gestoppt zu haben.

Ich denke, es ist wichtig, dass unterschiedliche Glaubensrichtungen im Kampf gegen den Extremismus zusammenstehen.“