Gesellschaft

Wehrdienst verweigern - wie geht das ?

Zwei Soldaten gehen mit Waffen durch den Wald
Jens Schulze/epd-Bild

Was muss ich tun, wenn ich den Wehrdienst verweigern will? Der Friedensbeauftragte der pfälzischen Landeskirche beantwortet die wichtigsten Fragen.

Der Krieg in der Ukraine hat die Diskussion um die Wehrpflicht neu angefacht. Bis 2027 sollen allein in Litauen 5.000 Soldatinnen und Soldaten stationiert sein. Die Bundeswehr sucht Personal und den Dialog mit der Gesellschaft – wie jetzt beim ersten Nationalen Veteranentag. Welche Fragen du dir stellen solltest, wenn du keinen Dienst an der Waffe leisten willst, weiß der Friedensbeauftragte der pfälzischen Landeskirche, Gregor Rehm.

Rund ein Drittel würde Wehrdienst leisten

  • 36 % würden sich in einer aktuellen Umfrage des Meinungsinstituts INSA für den Wehrdienst entscheiden, 51 %für einen alternativen Pflichtdienst
  • 47 % sprechen sich für eine Rückkehr der Wehrpflicht aus, 34 %lehnen sie ab
  • 2023 haben 1.609 Personen in Deutschland den Kriegsdienst verweigert, 2022 waren es noch 1.123.
  • Bis zum 31. August 2024 sind 2.053 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung eingegangen.

 

Kommt die Wehrpflicht wieder?

Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft, die Einberufung ist ausgesetzt. Diskutiert wird, ob die Einberufung wieder stattfindet. Momentan ist das auf freiwilliger Basis geplant. Niemand muss deshalb befürchten, dass er gezwungenermaßen Wehrdienst oder einen Ersatzdienst leisten muss.

Was passiert, wenn ein allgemeiner Pflichtdienst kommt?

Wenn ein gesellschaftliches Pflichtjahr eingeführt wird, müssten alle Betroffenen einen solchen Dienst leisten. Zum Dienst an der Waffe darf jedoch niemand gezwungen werden. Im Grundgesetz steht in Artikel 4, Absatz 3: „Niemand darf gegen seinen Gewissen zum Dienst an der Waffe gezwungen werden.“ Und wenn man den Wehrdienst nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, muss es einen entsprechenden Ersatzdienst geben.

Soll ich trotz ausgesetzter Einberufung verweigern, wenn ich den Wehrdienst nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann?

Das ist durchaus sinnvoll. Wenn es einen Spannungs- oder Verteidigungsfall gäbe, würde die Wehrpflicht automatisch wieder in Kraft treten.

Gregor Rehm sitzt in seinem Büro
Florian Riesterer
Gregor Rehm, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz

Wer kann verweigern?

Ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung können alle stellen, die wehrpflichtig sind. Das sind in Deutschland alle Männer zwischen dem 18. und dem 65. Lebensjahr, die diensttauglich sind. Der Antrag kann bereits ein halbes Jahr vor dem 18. Geburtstag gestellt werden. Allerdings wird dann auch zur Musterung eingeladen, bei der ein Arzt die Diensttauglichkeit feststellt. Soldaten und Reservisten können ebenfalls verweigern.

Müsste ich Wehrdienst leisten, wenn ich Transfrau bin?

Aktuell ist vom Grundgesetz nur gedeckt, dass Männer zur Wehrpflicht einberufen werden können. Es kommt also darauf an, ob im Personalausweis als Geschlechtsmerkmal „männlich“ eingetragen ist.

Wie läuft eine Musterung ab?

Die Musterung ist in erster Linie eine körperliche Gesundheitsuntersuchung, ähnlich beim Eintritt in den öffentlichen Dienst. Es gibt auch psychologische Fragestellungen. Aber aus den letzten Berichten haben wir keinen Hinweis, dass das ein schikanöses Verfahren ist, wie das in alten Musterungsbeschreibungen zu lesen ist.

Broschüre: Finde DEINEN Weg

Hilfreich zur eigenen Gewissensentscheidung ist die Broschüre „Finde deinen Weg“ der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden.

Was muss rein in einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung?

Er besteht aus drei Teilen. Teil eins ist das formelle Anschreiben. Darin nehme ich Bezug aufs Grundgesetz, Artikel vier, Absatz drei: Niemand darf gegen seinen Gewissen zum Dienst an der Waffe gezwungen werden. Das zitiere ich am besten. Und dann gibt es zwei Anlagen: Einen tabellarischen Lebenslauf, wie man es von einer Bewerbung kennt, aber ohne Fotos und Zertifikate sowie der eigentliche Hauptteil – die Begründung der eigenen Gewissensentscheidung.

Wie wird diese Begründung nachvollziehbar und glaubwürdig?

Es gibt dafür kein Muster, sondern es beginnt mit dem Blick in die eigene Biografie. Wie komme ich zu dieser Entscheidung? Wenn ich bisher keinen Kontakt zur Bundeswehr hatte, kann ich bei meiner Erziehung beginnen, bei Dingen, die mich geprägt haben. Und wenn ich schon mal Dienst geleistet habe, ist die Frage, was sich seitdem verändert hat in meiner Überzeugung.

Wo setzt die Beratung der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden an?

In der Beratung geht es darum, herauszufinden, welche Erfahrungen und Einflüsse zur Entscheidung geführt haben. Oft ist es kein klarer Moment, sondern ein Prozess. Dann geht es darum, diesem Wandel auf den Grund zu gehen - etwa durch gezielte Fragen, die dabei helfen, die persönliche Entwicklung besser zu verstehen. Über ein Formular auf der Homepage kann eine Beratungsanfrage gestellt werden. Dann meldet sich ein Berater oder eine Beraterin.

Welche Fehler sollte ich beim Schreiben vermeiden?

Der größte Fehler wäre zu googeln, irgendwo eine Begründung zu finden und diese dann zu übernehmen. Was dort gefunden wird, kennt auch das Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben. In solchen Fällen fehlt es an Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit.

Wo schicke ich meinen Antrag hin?

Der Antrag geht an das zuständige Karrierecenter der Bundeswehr im eigenen Bundesland. Das prüft, ob schon ein Diensttauglichkeitsbescheid, also ein Musterungsergebnis, vorliegt. Das wird beigelegt oder es wird zur Musterung eingeladen. Wenn die Unterlagen vollständig sind, leitet das Karrierecenter das ganze Paket weiter an das Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben. Bei Soldaten wird noch eine Stellungnahme der Dienstvorgesetzten eingeholt und die Dienstakte beigelegt.

Broschüre zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen
Florian Riesterer
Broschüre "Finde deinen Weg" der EAK

Wie hoch sind die Chancen auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer?

Wer den Antrag aus ehrlichen Gewissensgründen stellt, hat sehr gute Chancen auf Anerkennung – die Quote liegt nahezu bei 100 Prozent. Es handelt sich um ein rechtsstaatliches Verfahren, das nicht darauf ausgelegt ist, Antragstellende scheitern zu lassen. Für Soldatinnen und Soldaten im aktiven Dienst kann das Verfahren jedoch anspruchsvoller sein.

Wo bekomme ich Rechtsberatung?

Für die allermeisten Fälle reicht die inhaltliche Beratung. Die Rechtsberatung ist in der Regel für Soldatinnen und Soldaten im aktiven Dienst sinnvoll, etwa, wenn es um die Frage geht, ob Ausbildungskosten zurückzuzahlen sind und in welcher Höhe. In solchen Fällen kann die Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Kriegsdienstverweigerung und Frieden Anwälte vermitteln, mit denen bereits gute Erfahrungen gemacht wurden.

Welche rechtlichen Grundlagen habe ich als Verweigerer?

Die erste relevante Größe ist das Grundgesetz mit Artikel vier. Er zählt zu den sogenannten Ewigkeitsartikeln, ist also sehr hoch in unserem Rechtssystem verankert. Dazu gibt es das Kriegsdienstverweigerer Gesetz (KDVG), in dem geregelt ist, wie das Verfahren ablaufen muss. Und es gibt noch das Soldatengesetz und das Wehrpflichtgesetz, die eine Rolle spielen können.

Wie stehst du zur Wehrpflicht?

Gehört ein Pflichtdienst zur Solidarität in der Gesellschaft? Oder ist es gerade Ausdruck einer freien Gesellschaft, Nein sagen zu dürfen?

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