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Reliunterricht

Als jüdischer Relilehrer für religiöse Identität begeistern

Mark Krasnov unterrichtet jüdischen Religionsunterricht in Wiesbaden
privat & gettyimages/Anna_leni

In Deutschland gibt es fünf Schulen, an denen Jüdisch ein Schulfach ist. An einer davon unterrichtet Mark Krasnov. Nicht immer eine leichte Aufgabe.

Jüdisch als Unterrichtsfach an einer staatlichen Schule ist in Deutschland immer noch die Ausnahme. Mark Krasnov ist einer der Relilehrer, der das Fach unterrichtet.

Er ist 1988 geboren. Als er drei Jahre alt war, zog er mit seinen Eltern, seinem vier Jahre älteren Bruder und der gesamten Familie um – von Odessa an der russischen Schwarzmeerküste nach Hannover. Heute lebt er in Wiesbaden. Er ist einer von fünf jüdischen Religionslehrern an einer staatlichen Schule in Deutschland, gibt Unterricht quer durch alle Altersstufen.

Jüdische Religion wird sonst in den Gemeinden unterrichtet

„Ich biete All-inclusive-Unterricht“, sagt Krasnov und lacht, „jeder kann sich mit seinen unterschiedlichen Standpunkten, seinem jeweils eigenen Wissensstand einbringen.“ Jüdische Kinder erhalten Religionsunterricht sonst in Kursen der jüdischen Gemeinden, die die Verantwortlichen in ihren Räumen oder an einer Schule organisieren. In Wiesbaden kommen sie in der Diltheyschule zusammen. Hier unterrichtet Mark Krasnov nicht nur jüdische Religion, sondern auch Hebräisch, Latein und Spanisch. 

Jüdisch als Schulfach

Insgesamt gibt es nur fünf jüdische Religionslehrer an staatlichen Schulen in Deutschland.

„Der Religionsunterricht dient in besonderer Weise der Identitätsbildung“, erklärt Krasnov. Viele seiner Schüler kämen aus säkularen Elternhäusern. „Wer in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen ist, hat mit Religion wenig zu tun“, weiß der Pädagoge. Über den Wissenserwerb hinaus setzen sich die jungen Menschen damit auseinander, wo sie herkommen, wer sie sind.

Eltern erziehen Kinder in permanenter Furcht

In seinem Unterricht geht es um die Bibel und den Gottesdienst, die Feiertage, religiöse Traditionen, Ethik und Verantwortung in der Gesellschaft. Leicht hat es der Pädagoge dabei nicht. Die Kinder würden in einem Gefühl permanenter Furcht erzogen.

„Die Eltern“, erklärt der jüdische Religionslehrer, „verbinden mit ihrem Judentum oft tief verwurzelte negative Erfahrungen.“ Sie schärften ihren Kinder ein, zu verschweigen, dass sie den jüdischen Religionsunterricht besuchen. „Unter diesen Voraussetzungen identitätsstiftend wirken zu wollen, ist schon herausfordernd“, so Krasnov.

Jüdisches Leben in Deutschland

Vor 1.700 Jahren gab es den ersten Nachweis jüdischen Lebens in Deutschland. Unter dem Namen #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland gibt es 2021 bundesweit rund tausend Veranstaltungen ausgerichtet.

Alle Infos findest du hier: 2021jlid.de

„Die Schüler leben in zwei Gesellschaften: der Mehrheitsgesellschaft und der jüdischen Mikrogesellschaft, die aber in die Mehrheitsgesellschaft eingebettet ist“, erklärt der Lehrer. Es gelte, die Spielregeln der jeweils anderen kennenzulernen, nach denen die Gesellschaften funktionieren. Das würde umso schwieriger, „je russischer“ das Elternhaus sei. „Es gibt Schüler, die keinen einzigen deutschen Satz gerade herausbekommen“, bedauert Krasnov.

Juden hätten sich immer angepasst in ihrer langen Geschichte, hätten immer die Umgebungssprache gelernt. „Und wenn ich nach Israel schaue: Dort müssen alle Einwanderer selbstverständlich Hebräisch lernen.“

Deutschland: Das Land der Parallelgesellschaften

Wenn er auf 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland guckt, kann er sich dieses Land nicht ohne jüdische Parallelgesellschaft vorstellen. „Beides hat schon immer zusammengehört“, findet er. Es habe mal bessere, mal schlechtere, mal katastrophale Zeiten gegeben. Der Beitrag jüdischer Menschen für die Gesamtgesellschaft sei enorm.

Besonders im 20. Jahrhundert habe der jüdische Teil der Bevölkerung danach gestrebt dazuzugehören. Deutlich würde das zum Beispiel an dem Einsatz jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg. Doch dann hätten die Nazis die assimilierten, zum Teil sehr national gestimmten Juden daran erinnert, wer sie sind und wo sie herkommen.

Schüler*innen sollen im jüdischen Religionsunterricht Hintergründe kennenlernen

„Egal, wie gut Migration funktioniert“, sagt Krasnov, „die Schüler müssen wissen, wo sie herkommen.“ Er wolle nicht, dass seine Schüler auf Stammtischniveau diskutieren, sie sollen Hintergründe kennen. Durch Wissen bekämen sie etwas in die Hand, mit dem sie argumentieren könnten.

Und eines ist auch klar für ihn: „Meine Schülerinnen und Schüler sind nicht automatisch Experten, weil sie Juden sind.“ Da heiße es oft von Lehrern: „Du bist doch Jude, erkläre du das mal!“ Das werde schnell zu einer Überforderung.