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Zukunft der Kirche

Gehört der Talar der Vergangenheit an?

Junge Pfarrer:innen wollen immer seltener den Talar tragen
epd/Jens Schulze

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau wird 75 und sucht Ideen für die Zukunft. Gefragt ist der Mut, sich von Traditionen zu verabschieden, zum Beispiel dem Talar.

„Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren.“ Mit dieser Parole prangerte die Studentenbewegung in den 1960er Jahren verkrustete Universitätsstrukturen an. Die Proteste sorgten unter anderem für die Abschaffung der schwarzen Professorengewänder.

In protestantischen Gottesdiensten, auch in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), gibt es die Talare bis heute. Auch wenn es dagegen keine Aufstände gibt, der 1811 im Kirchenrecht verankerte Zwang zu einheitlicher Kleidung ist nicht mehr für jeden zeitgemäß.

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Und genau darüber diskutieren Pfarrer:innen. Bei einer "Zukunftswerkstatt" in der Evangelischen Akademie Frankfurt erzählte ein Pfarrer sogar, er werde „von jungen Leuten ausgelacht“, wenn er im Talar Gottesdienste feiere. Er fühle sich zunehmend unwohl in dem Gewand und sehe keinen Sinn, es tragen zu müssen.

Werde von jungen Leuten ausgelacht.

Um derlei Schieflagen unter die Lupe zu nehmen und neue Wege zu ergründen, hatten Hanna-Lena Neuser und Pfarrerin Anika Rehorn sich die Veranstaltung überlegt.

Junge Pfarrer:innen wollen keinen Talar in der Kirche tragen

„Viele junge Pfarrerinnen und Pfarrer wollen mehr und anderes machen, sehen sich aber von den Pflichtaufgaben blockiert,“ sagt Hanna-Lena Neuser. Pionierarbeit in Sachen Innovation wird ihrem Urteil nach in England geleistet. Doch auch hierzulande stellten einige Landeskirchen trotz knapper Budgets Mittel für die Entwicklung innovativer Ideen zur Verfügung, weiß Neuser.

Die Kirche sucht angsichts von Mitgliederschwund nach neuen Wegen

Auch die Frankfurter Pfarrerin Stefanie Brauer-Noss will Veränderungen: „Die Situation verlangt danach: Mitgliederschwund, Vertrauensbruch, die gesellschaftliche Relevanz von Kirche. Wir müssen es wagen, alternativ zu denken, Dinge auszuprobieren.“ Sie betont:

Wir dürfen keine Angst vorm Scheitern haben und sollten selbstbewusst auftreten.

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Was den Talar betrifft, geht sie jedoch im Frankfurter Stadtteil Bornheim einen anderen Weg: „Ich habe mich voriges Jahr am Himmelfahrtstag im Talar auf mein Fahrrad gesetzt und bin durch den Stadtteil geradelt, unterwegs habe ich an Straßenecken und Plätzen öffentlich Andachten gefeiert und und dabei erklärt, dass der Feiertag was mit Kirche zu tun hat." Der 40-Jährigen war es wichtig, als Pfarrerin wahrgenommen zu werden - und dies funktioniert nun mal am besten im Talar.

75 Jahre EKHN

Am 30. September wird die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) 75. Erster Kirchenpräsident wurde Martin Niemöller. Der U-Boot-Kommandant aus dem Ersten Weltkrieg hatte zunächst rechtsradikalen Vereinigungen angehört und die NSDAP gewählt. Später wurde er zum Gegner des Führers und ist nur knapp der Hinrichtung entgangen.

Kirchen müssen aus der Komfortzone

Doch ganz so einfach lassen sich Veränderungen in einer Organisation wie es nun mal die Kirche ist, nicht umsetzen. „Wir müssen raus aus der Komfortzone. Wir brauchen einen Wechsel von Kirche als Durchführerin hin zu Kirche als Ermöglicherin“, sagt Pfarrerin Stefanie Brauer-Noss. 

Mut macht vielen, dass die EKHN in ihrer 75 Jahre andauernden Geschichte immer wieder mutig neue Wege gegangen ist. Lange galt sie sogar als das "Enfant terrible" unter den deutschen Landeskirchen und führte Vieles als erste Landeskirche ein: 

✔️ die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Kirche

✔️ das Friedens- und Umweltpfarramt

✔️ die Segnung homosexueller Paare im Gottesdienst

Wie dem Mitgliederschwund begegnen?

So gerne die EKHN auch in ihrer Geschichte die Vorreiterinnenrolle übernahm, kann sie sich doch dem allgemeinen Trend der Kirchen nicht entziehen. Sie verliert massiv Mitglieder, nur gut 1,4 Millionen sind es noch, von denen nur die Hälfte überhaupt Kirchensteuern zahlt. Ursache ist die Überalterung der Gesellschaft, aber auch ein Anstieg der Austritte.