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Kardinal Marx

Rücktrittsersuche in der katholischen Kirche: Alles Kalkül?

Andrea Seeger
Kommentar von Andrea Seeger

Kardinal Reinhard Marx bat den Papst um seinen Rücktritt. Franziskus hat den Rücktritt abgelehnt.

Kardinal Reinhard Marx bat den Papst um seinen Rücktritt als Münchner Erzbischof, weil er seinen Teil der Verantwortung für die Missbrauchskrise übernehmen wollte. Nun hat Franziskus den Rücktritt abgelehnt.

Es sei auch ein Akt der „Freiheit, indem man etwas lässt“, nämlich etwa Vermögen oder Macht, sagte Kardinal Reinhard Marx. Die Worte sprach er vor der versammelten Presse nach der Veröffentlichung seines Rücktrittsgesuchs an den Papst. Das Ansinnen wirkte wie ein Donnerhall. Der Papst hat sein Gesuch heute abgelehnt. Das ist ungewöhnlich, aber vielleicht hat der Kardinal genau das beabsichtigt, um den Weg der Reformen weiter gehen zu können.

Kardinal Marx gilt als Reformer

Im Loslassen übt sich Marx schon eine ganze Weile. Vom Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz hat er sich verabschiedet. Dabei galt er als einer der Antreiber des Synodalen Weges, einer Reformbewegung, die zunächst den Missbrauchsskandal aufarbeiten will. Rom, so hieß es von Kritikern, sähe das nicht gerne. Marx gründete eine Stiftung, um Missbrauchsopfern zu helfen. Einen erheblichen Teil seines Privatvermögens hat er in diese Stiftung gegeben. Das angebotene Bundesverdienstkreuz für seinen Einsatz für Geflüchtete lehnte er ab – aus Rücksicht auf die Missbrauchsopfer.

Nun wollte er auch von einem Teil seiner Macht lassen. Wirklich? Hätte der Papst sein Rücktrittsgesuch angenommen, hätte er sich aus der Leitung seiner Diözese zurückgezogen. Als Bischof allerdings kann er nicht zurücktreten, denn dieses Amt ist ihm durch die Weihe verliehen. Und er bleibt ebenfalls Kardinal, denn auch das ist er auf Lebenszeit.

Bemerkenswerte Worte des Papstes

Marx überrascht

Kardinal Reinhard Marx hat sich angesichts des Neins von Papst Franziskus zu seinem Rücktrittsangebot als Erzbischof von München und Freising überrascht gezeigt. Er habe "nicht damit gerechnet", dass der Papst so schnell reagieren würde, und auch den Inhalt der Entscheidung habe er "so nicht erwartet", heißt es in einer vom Erzbistum München und Freising verbreiteten Stellungnahme von Marx. Er sei "bewegt über die Ausführlichkeit und den sehr brüderlichen Ton des Briefs". Der Vatikan hatte das Papst-Schreiben an den Kardinal veröffentlicht. Marx sagte weiter, er spüre, wie sehr Papst Franziskus "mein Anliegen versteht und  aufgenommen hat". Im Gehorsam akzeptiere er dessen Entscheidung, "so wie ich es ihm versprochen habe". Marx will also sein zur Verfügung gestelltes Amt als Erzbischof weiter ausführen. Die Entscheidung des Papstes empfinde er als "große Herausforderung": "Danach einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, kann nicht der Weg für mich und auch nicht für das Erzbistum sein." epd

Reinhard Marx trägt das Kardinalspurpur. "Die leuchtendrote Farbe symbolisiert die Treue des Trägers zum Papst und zu seiner Kirche - notfalls wird er sie bis aufs Blut verteidigen." So steht es auf der Seite des Erzbistums München unter der Rubrik Insignien. Auch der Wahlspruch des Kardinals findet sich dort: "Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit." Da ist sie wieder, die Freiheit. Das meint auch die Freiheit, strategisch zu denken. So liegt es auf der Hand, darüber nachzudenken, ob es nicht Kalkül war, den Rücktritt anzubieten, um dann nach dessen Ablehnung umso engagierter weiter zu machen. 

Der Papst verpflichtet ihn nun sogar dazu – mit bemerkenswerten Worten: „Wir müssen für die Geschichte Verantwortung übernehmen, sowohl als einzelner als auch in Gemeinschaft. Angesichts dieses Verbrechens können wir nicht gleichgültig bleiben. Das anzunehmen bedeutet, sich der Krise auszusetzen. Nicht alle wollen diese Tatsache annehmen, aber es ist der einzige Weg“, schreibt der Papst Vatikanangaben zufolge in einem Brief an Marx.

Ein gutes Zeichen

Damit steht fest: Der synodale Weg geht weiter. Die Position des kantigen, einflussreichen und wortgewandten Bischofs ist gestärkt. Das ist ein gutes Signal für die Katholiken in Deutschland, aber auch für die Protestanten. Denn Reformen tun auch der Ökumene gut.