Anzeige
Anzeige
Rechtsextremer Anschlag in Hanau

Hanauer Oberbürgermeister erhöht politischen Druck

Oberbürgermeister Claus Kaminsky am Brüder Grimm Denkmal mit Bildern der Ermordeten aus Hanau
epd-bild/Tim Wegner

Ein Jahr nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau streitet die hessische Politik um Pannen bei der Polizei. Am Ende leiden darunter die Angehörigen.

Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky hat die lückenlose Aufklärung des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020 im südhessischen Hanau gefordert. Die Angehörigen der neun Mordopfer seien noch immer stark traumatisiert, sagte Kaminsky in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Kurz zusammengefasst

Bei dem Anschlag in Hanau hatte der 43-Jährige Täter am 19. Februar neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen, anschließend seine Mutter und dann sich selbst.

Es ginge ihnen aber sicher besser, wenn sie den Eindruck hätten, dass der Staat alles für die Transparenz tue. Dies schließe auch das Eingeständnis von Fehlern ein.

Notruf-Panne in der Tatnacht bei der Polizei in Hanau

Wegen der kürzlich bekanntgewordenen Polizeipanne erneuerte der 61-jährige SPD-Politiker seine Rücktrittsforderung an Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Auch die Oppositionsparteien im hessischen Landtag greifen den Innenminster an. Kaminsky kritisiert vor allem, dass Beuth nicht selbst den Vorgang offengelegt habe.

Nach Medienberichten war am Abend des Anschlags der polizeiliche Notruf in Hanau mit nur einem Beamten unterbesetzt, so dass nicht alle Anrufe von Zeugen entgegengenommen werden konnten. Auch eines der späteren Opfer des Attentäters sei telefonisch nicht durchgekommen.

Ist der Vater vom Attentäter von Hanau auch gefährlich?

Große Sorgen machten sich die Angehörigen auch wegen des Vaters des Attentäters, fügte Kaminsky hinzu. Sie fürchteten, dass von ihm eine Gefahr ausgehe, weil er die rassistische Ideologie seines Sohnes teile und er von der Polizei dessen Waffen zurückfordere. Stimmen, dass der Sohn deswegen auch ein Opfer gewesen sei, verletzten sie tief.

Monatliche Treffen mit den Angehörigen

Er fühle sich den Angehörigen verpflichtet, betonte der Oberbürgermeister, der seit 2003 im Amt ist. Er treffe sich mindestens einmal im Monat mit allen rund 25 Hinterbliebenen, zuletzt coronabedingt per Videokonferenz.

Brüder Grimm Denkmal mit Bildern der Ermordeten in Hanau im Februar 2021
epd-bild/Tim Wegner
Brüder Grimm Denkmal mit Bildern der Ermordeten in Hanau im Februar 2021

Mit dabei seien auch die nicht mehr in Hanau lebenden Personen. Dabei gehe es etwa um die Aufarbeitung der Verbrechen, die finanzielle Unterstützung, die Gestaltung des geplanten Denkmals oder der Gedenkfeier am Jahrestag.

Die Stadt Hanau und sein Opferbeauftragter Andreas Jäger arbeiten nach Kaminskys Einschätzung gut mit den örtlichen Gruppierungen
Initiative 19. Februar Hanau“ und „Institut für Demokratie und Toleranz“ zusammen.

Ich bin für jede Person dankbar, der sich in der Stadt für den Zusammenhalt und das demokratische Miteinander einsetzt.

Auch wenn sie unterschiedliche Schwerpunkte setzten, sei er doch „für jede Person dankbar, der sich in der Stadt für den Zusammenhalt und das demokratische Miteinander einsetzt“.

Kritik am geplanten Opferhilfsfond

Auch mit dem Land und dem Bund arbeite die Stadt gut zusammen, auch bei der Gewährung von finanziellen Hilfen. Die Stadt habe in vielen Fällen „unbürokratisch“ unterstützt. Kaminsky begrüßte, dass das Land einen Hilfsfonds für die Hanauer Angehörigen einrichten wolle, kritisierte aber, dass er nur mit zwei Millionen Euro ausgestattet werde und auch andere Opfer von Straftaten bedacht werden sollen.

Rechtsterroristischer Anschlag verändert Hanau

Der Oberbürgermeister nannte den Anschlag vom 19. Februar das „schlimmste Ereignis in der Stadtgeschichte seit dem Bombenangriff am
19. März 1945“.

Für sein Eintreten für die Opfer und gegen Fremdenhass und Rassismus habe er in den vergangenen Monaten zahlreiche Drohungen und Beschimpfungen erhalten, vor allem über die sozialen Medien. Auf strafbare Inhalte reagiere er inzwischen mit Anzeigen. „Ich lasse mir nichts mehr gefallen“, sagte er.