Das war ein langer Weg für Kristina Hänel. Nach einer Strafanzeige von Abtreibungsgegnern hatte das Amtsgericht Gießen die Ärztin 2017 wegen Verstoßes gegen den Strafrechtsparagrafen 219a zu einer Geldstrafe verurteilt.
Hänel ging in Berufung und kämpfte weiter, bis vor das Bundesverfassungsgericht.
Die Verurteilung der Ärztin hatte eine bundesweite Debatte über den Paragrafen 219a ausgelöst. Im ganzen Land gab es Demonstrationen für die Abschaffung.
Die Gießener Ärztin gab etlichen Medien Interviews, trat auf Podiumsdiskussionen auf und nahm an Info-Veranstlatungen teil. Paragraf 219a sei eine der Ursachen für die immer schlechter werdenden Versorgungslage beim Schwangerschaftsabbruch in Deutschland.
Wir wollen nicht, dass Frauen wieder zum Kleiderbügel greifen müssen.
Kristina Hänel
In DE wurden heute die sexuellen und reproduktiven Rechte aller Frauen gestärkt, #219a wird gestrichen. @haenel_kh hat diesen Entscheidungsprozess unermüdlich vorangetrieben und immer wieder auf die Agenda geholt. Dank an alle Mitstreiter:innen @ProChoice_DE, danke dir Kristina. pic.twitter.com/caQpaoIdeH
— medica mondiale e.V. (@medicamondiale) June 24, 2022
Die evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) sind erleichtert über das Abstimmungsergebnis des Bundestages. Jetzt können sich Frauen und Männer in Schwagerschafts-Konflikten über medizinische Methoden fachlich richtig informieren.
Der wichtige Schritt der Abschaffung eines von den Nationalsozialisten eingeführten Paragrafen wurde endlich gegangen.
Susanne Kahl-Passoth, Vorsitzende der EFiD
Befürchtungen, dass nun eine ausufernde Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen eintritt, werde allein schon durch das ärztliche Berufsrecht entkräftet. „Berufswidrige Werbung ist Ärztinnen und Ärzten untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung“, heißt es dort. Der §219a war demnach nicht, wie oft dargestellt, dass einzige Bollwerk gegen Kommerzialisierung oder anstößige Werbung.
Er war jedoch ein Instrument, um Ärzt:innen zu kriminalisieren, wenn sie ihrem Arbeitsauftrag entsprechen. „Darüber hinaus ignoriert diese Interpretation völlig die Lebenswirklichkeit von Frauen“, sagt Anja Schwier-Weinrich, geschäftsführende Pfarrerin im Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V.
Keine Frau trifft so eine Entscheidung leichtfertig. Eine solche Unterstellung ist schlicht frauenfeindlich.
Anja Schwier-Weinreich
Die evangelischen Frauen machen aber auch darauf aufmerksam, dass einige grundlegende Probleme, die in Deutschland zu Schwangerschaftsabbrüchen führen, noch immer ungelöst sind. So zum Beispiel: eine strukturelle und reale Armutsgefahr insbesondere für Frauen, durch die notwendige Sorgearbeit für Kinder und Angehörige, wird gesellschaftlich noch immer hingenommen. Sie wird nicht als gesamtgesellschaftliches Problem gesehen, sondern letztlich zur persönlichen Fehlleistung einzelner Frauen gemacht.
Nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, den Paragrafen 219a zu streichen. Am Freitag stimmte der Bundestag nun abschließend zu. Hänel sagte dazu: „Ich freue mich, dass der unsägliche Paragraf, der viel Unheil angerichtet hat, damit der Geschichte angehören wird.“
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