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Konfrontative Stimmung

Kirchengemeinden wollen mit „Querdenkern“ reden

Vetreter von Kirchengemeinden sind zum Gespräch mit "Querdenkern" bereit - aber die Atmosphäre ist frostig.
Dagmar Jährling
Vetreter von Kirchengemeinden sind zum Gespräch mit "Querdenkern" bereit - aber die Atmosphäre ist frostig.

Am Rande von „Querdenker“-Demos in Rimbach sucht die Kirchengemeinde den Dialog. Mit überschaubarem Erfolg.

Aufstehen, aufeinander zugehen, und sich nicht entfernen, wenn wir etwas nicht verstehen“, lauten die Zeilen eines der bekanntesten Songs des Pfarrers und Liedermachers Clemens Bittlinger. Eine Zeile, die Bittlinger in Bezug auf „Querdenker“ wörtlich nehmen will.

Gepräche am Rand der Demo

In Rimbach im hessischen Odenwald nämlich demonstrieren seit Wochen jeden Montag Menschen, die die Anti-Corona-Maßnahmen von Bundes- und Landesregierungen kritisch sehen oder gleich ganz ablehnen. Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Kirchengemeinden aus der Region, darunter Bittlinger, bemühen sich um einen Dialog mit den „Querdenkern“. „Charme-Offensive“ nennt sich die Aktion, bei der sie am Rand der Demo für Gespräche bereitstanden.

Der Erfolg der "Charme-Offensive" ist bislang allerdings überschaubar. „Da sind ideologisch verfestigte Personen dabei, die weder den Medien noch veröffentlichten Zahlen trauen“, sagt Bittlinger. Vor drei Wochen seien sie auf der Demo als „Volksverräter“ bezeichnet worden, berichtet der Rimbacher Pfarrer Daniel Fritz. Eine Rednerin habe pauschal vorgeworfen, die Kirche sei schuld, dass Menschen alleine stürben und Frauen und Kinder Gewalt ausgesetzt seien, da sie die Corona-Beschränkungen unterstütze. Diese Rednerin sei eine Kreistagsabgeordnete der AfD gewesen, sagt Bittlinger. „Es steht jedem frei, Kirche nicht zu mögen oder zu kritisieren“, erklärt sein Kollege Daniel Fritz. Diese Kritik müsse aber auf inhaltlicher Ebene stattfinden, nicht auf persönlicher.

Keine geeignete Umgebung

Deshalb wollen die Vertreter der Kirchengemeinden nicht mehr auf den Demos auftauchen. Die "Querdenker"-Veranstaltung sei dafür keine geeignete Umgebung, bedauert Bittlinger: „Viele der Menschen dort sind enttäuscht oder auch hasserfüllt gegen Kirche", sagt er. "Sie wollen nicht reden, sondern ihrem Unmut Ausdruck verleihen.“ Außerdem habe der Staatsschutz die Kirchenvertreter darauf aufmerksam gemacht, dass sie eine Gegenveranstaltung anmelden müssten, die an einem anderen Ort als die „Querdenker“-Demo stattfinden müsse.

Vor vier Wochen hatten Vertreter von Kirchengemeinden aus Rimbach und Umgebung in ihrer „Charme-Offensive“ erstmals den Dialog mit „Querdenkern“ gesucht. Sie wollten die Fragen und Sorgen ernst nehmen, sich aber gegen Verschwörungsmythen und rechte Parolen positionieren. Die „Charme-Offensive“ gehe weiter, sagt Bittlinger, anstatt auf Demos nun per E-Mail oder Videokonferenz. In der benachbarten Kirchengemeinde Mörlenbach stehe ein „Friedenspavillon“ zur Verfügung, in dem Menschen unterschiedlicher Meinungen miteinander ins Gespräch kommen sollten.

Keine Erkenntnisse über Extremisten

Obwohl den Kirchenvertretern auf den Demos viel Ablehnung entgegenschlägt, haben sie es dort wohl nicht mit Extremisten zu tun. Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass Rechtsextremisten oder Reichsbürger allmontäglich nach Rimbach pilgerten, sagt Christiane Hansmann vom Polizeipräsidium Südhessen. Die Anmelderin der Demos, Inga Keller, hatte dem "Darmstädter Echo" gesagt, sie leugne überhaupt nicht die Gefahr, die vom Coronavirus ausgehe. Aber die Covid-19-Pandemie müsse anders bekämpft werden als durch Einschränkungen des öffentlichen Lebens, etwa durch Lokalisierung und Eingrenzung der Infektionsherde.

Dabei hatte sich die "Charme-Offensive" zunächst gar nicht so schlecht angelassen. Eine Woche zuvor, als sie erstmals das Gespräch mit Demonstranten gesucht hätten, sei die Stimmung noch nicht so konfrontativ gewesen, berichtet Daniel Fritz. Auch damals hätten viele der Teilnehmer hingen Verschwörungsmythen angehangen, sagt er. Das habe die Gespräche zwar schwierig gemacht, aber nicht unmöglich. Beim ersten Mal habe er noch ins Mikrofon sprechen dürfen, sagt eBittlinger beim zweiten Mal sei ihm das verwehrt worden.

Verärgerung über Fernsehbeitrag

Möglicherweise habe die Demonstranten ein Beitrag der „Hessenschau“ vom 7. Februar verärgert, vermutet Bittlinger. Als die Mitglieder der Kirchengemeinden zum ersten Mal am Rand der Demo Gespräche anboten, war ein Fernsehteam des Hessischen Rundfunks dabei. Das Team habe auch die Anmelderin Keller interviewt. Im fertigen „Hessenschau“-Beitrag sei sie dann aber gar nicht zu Wort gekommen..

Während die Leute der Rimbacher „Charme-Offensive“ mit den Demonstranten reden wollen, geht die Initiative „Hand aufs Herz“ aus Gelnhausen einen anderen Weg. Sie organisiert Gegendemos. Alexander Schopbach und Julia Hott von der Initiative lehnen jedes Gespräch mit „Querdenkern“ ab, „da uns bekannt ist, dass diese Gruppe stark von Personen unterstützt und getragen wird, deren Gesinnung am rechten Rand unserer Gesellschaft angelehnt ist“, wie sie sagen.