Glaube

Avatare aus dem Jenseits – Wenn Tote per KI weiterreden

Mann lässt sich von mehreren Kameras scannen
farbfilm verleih GmbH
Szene aus dem Film „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“: Manche Menschen lassen schon zu Lebzeiten einen KI-Avatar von sich anfertigen.

Einmal noch mit Opa reden? Zumindest mit seinem Avatar - das bieten KI-Unternehmen an. Doch ist die Simulation von verstorbenen Personen okay?

von Bettina Ditzen

Stell dir vor, du machst einen Videocall mit deinem toten Opa. Klingt nach Science-Fiction? Ist aber schon Realität: Start-Ups auf der ganzen Welt entwickeln „digitale Zwillinge“ von Verstorbenen - mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Sie versprechen damit quasi Unsterblichkeit.

KI statt Abschied von Verstorbenen

Viele Menschen können nur schwer ertragen, dass mit dem Tod alles vorbei sein soll. Deshalb nutzen manche KI-basierte Tools, um mit einem digitalen Abbild eine „Verbindung ins Jenseits“ herzustellen. 

„Das sind KI-Modelle, die Stimme, Aussehen und typische Reaktionen einer verstorbenen Person nachahmen können“, erklärt Jessica Heesen. Sie leitet den Bereich Medienethik, Technikphilosophie und KI am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen.

Stimme aus dem Jenseits

Jessica Heesen forscht zu Künstlicher Intelligenz und dem digitalen Leben nach dem Tod
Monika Bluthard
Jessica Heesen zu Gast im Podcast Alpha & Omega

Und so funktioniert das Ganze: Hinterbliebene laden persönliche Daten der verstorbenen Person hoch - Mails, Videos, Sprachnachrichten oder persönliche Erzählungen. Je mehr Infos, desto besser kann die KI daraus lernen und umso „echter“ wirkt das digitale Gegenüber. Solche Chatbots funktionieren wie eine individualisierte Sprachassistentin, erklärt Jessica Heesen. 

Die KI-App reagiert dann so, was sie für die wahrscheinlichste Antwort hält. Das wirkt so, als hättest du tatsächlich wieder Kontakt mit der verstorbenen Person. Obwohl natürlich der Algorithmus antwortet. 

Ergänzender redaktioneller Inhalt von Youtube

Eigentlich haben wir hier einen tollen Inhalt von Youtube für dich. Wisch über den Slider und lass ihn dir anzeigen (oder verbirg ihn wieder).

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von Youtube angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

KI und Tod

Wir wollen wissen:

Würdest du einen KI-Avatar von Verstorbenen nutzen oder einen von dir selbst erstellen lassen?

Schreib uns deine Meinung auf: 

Instagram

Facebook

Aber solche Avatare gibt es nicht nur für Verstorbene, auch du kannst schon zu Lebzeiten einen Chatbot oder Avatar von dir erstellen lassen. Du kannst dann selbst bestimmen, welche Infos nach dem Tod verfügbar sind.

So sollen Menschen schon zu Lebzeiten darüber bestimmen können, welche Informationen nach dem Tod verfügbar sind und versuchen, die Kontrolle über das postmortale Leben zu behalten. Aber hilft das wirklich beim Trauern?

KI-Avatare: zwischen Trauerhilfe und Illusion

Jessica Heesen bringt es auf den Punkt: „Menschen, die sich als Avatar verewigen, sind genauso tot wie alle anderen.“ Entscheidend sei, wie die Hinterbliebenen damit umgehen.

Trauer ist ein Prozess, der verschiedene Phasen durchläuft. Im besten Fall können Hinterbliebene am Ende akzeptieren, dass diese Person nicht mehr Teil ihres Lebens ist.

Das klappt aber nicht immer. Beispielsweise, wenn man sich vor dem Tod gestritten hat oder kein richtiger Abschied möglich war. In solchen Fällen könne die KI helfen. Obwohl klar sei, dass das Gegenüber ein Avatar sei, ist das „Gefühl, weiterhin mit der verstorbenen Person sprechen zu können“ für viele sehr wertvoll, sagt die Medienethikerin.

Digitale Nähe kann Trauer blockieren

Trauerbegleiter oder Palliativmediziner warnen jedoch, dass solche digitalen Kontakte den Abschied stören könnten. „Wenn wir immer wieder das Handy aus der Hosentasche ziehen können, um uns mit der verstorbenen Person zu unterhalten, dann kann es sein, dass es den Trauerprozess erschwert und wir nicht loslassen können“, so Jessica Heesen.

Außerdem verändert sich das Erinnern. Direkt nach dem Tod denkst du vielleicht an eine Sterbe- oder Pflegesituation. Jahre später eher an die schönen Dinge, die du mit der verstorbenen Person erlebt hast.

Wenn nun aber immer wieder mit Avatar oder Chatbot sprichst, füge die KI vielleicht neue Dinge hinzu. Das kann das Bild der verstorbenen Person verzerren

Was darf KI mit den Toten machen?

Der digitale Kontakt mit Verstorbenen wirft viele Fragen auf - rechtlich, ethisch, emotional:

  • Darf alles reproduziert werden? Auch politisch fragwürdige Ansichten?
  • Dürfen Verstorbene inszeniert und „weichgespült“ werden?
  • Dürfen Kinder allein mit Avataren sprechen?
  • Wem gehören die Daten der Verstorbenen? Wer darf darüber verfügen?
  • Wie verhindern wir digitale Klone, wenn das jemand nicht möchte?

Noch sind solche Fragen bislang kaum geregelt. 

Die EU arbeitet derzeit an einer KI-Verordnung, die unter anderem klare Kennzeichnungspflichten für KI-generierte Inhalte vorsieht. Ab dem 2. August 2025 tritt sie in Kraft. Darin geht es unter anderem darum, die Grundrechte der Menschen und somit auch den Schutz der eigenen Daten der Menschen zu schützen. Also auch beim Einsatz von KI. „Es muss stets klar sein, dass wir uns in der Kommunikation mit einer Künstlichen Intelligenz befinden“, erklärt Jessica Heesen. Ob diese KI-Regeln ausreichen, bleibt offen.

Digital Afterlife Industry im Wachstum

Ein Forschungsteam des Fraunhofer Instituts und der Uni Tübingen hat sich in der Studie: Edilife mit dem digitalen Umgang mit Tod, Trauer und Erinnerung befasst. 

Erkenntnisse aus der Studie sind, dass Menschen den Tod überdauern oder die Möglichkeit nutzen wollen, sich mit Verstorbenen noch einmal auszutauschen. Die Forschenden fordern einen besonderen Schutz der Personen, die diese Angebote nutzen, sowie Transparenz, eine Kennzeichnung der Avatare und die Erfüllung datenschutzrechtlicher Pflichten gegenüber den Verstorbenen und den Angehörigen.

Verantwortung gegenüber Trauernden und Verstorbenen

Zahlreiche kommerzielle KI-Anbieter und Start-ups sehen in solchen Anwendungen vor allem ein lukratives Geschäft. Denn diese Dienste kosten Geld und leben von persönlichen Daten. „Daten sind das Gold dieser Art von Wirtschaft“, sagt Jessica Heesen. Sie glaubt: „Bald liegen mehr Daten von Verstorbenen als von Lebenden in der Cloud.“ 

Deswegen fordert sie klar geregelte Verträgen nach rechtlichen und ethischen Richtlinien: „Wenn man sich dazu entschließt, einen Avatar zu erstellen, sollte der Vertrag regeln, wie lange der Avatar bestehen bleiben darf und wann er abgeschaltet wird.“ So lassen sich Konflikte wegen „Laufzeiten“ zwischen den Angehörigen vermeiden.

Datenschutz in der Grauzone

Bereits im Testament lässt sich regeln, was mit den persönlichen Daten nach dem Tod passieren soll. „Man kann dann allerdings nur hoffen, dass die Angehörigen sich auch daranhalten“, sagt die Medienethikerin.

Was beispielsweise der Nachbar oder die gute Freundin mit den Daten machen, die sowieso im Netz sind - davor schütze aktuell niemand. Datenschutz für Verstorbene sei tatsächlich noch eine Grauzone.