von Dejan Vilov & Florian Riesterer
Ein Grabstein als Briefkasten, um Verstorbenen etwas mitteilen zu können. Diese Idee hatten die drei Designstudenten Dominik Arnold, Jörg Arnold und Tim Busam. 2023 haben sie ihre Firma „allive“ gegründet, seit 2024 stehen ihre Steine mit Briefschlitzen auf Friedhöfen.
„Ein Freund von Dominik hat während Corona beide Großeltern innerhalb kurzer Zeit verloren, war aber zu diesem Zeitpunkt in Quarantäne“, sagt Geschäftsführer Tim Busam. „Als wir ihn gefragt haben, wie er trauert, ob er jetzt öfters auf den Friedhof geht, meinte er: Was soll ich denn auf dem Friedhof? Da ist ja alles so leblos und steril.“
Die Gruppe aus Freudenstadt setzt sich daraufhin mit dem Thema intensiv auseinander. Wie könnte ein Ort aussehen, an dem sie gerne beerdigt werden würden – und wie müsste ein Grabstein denn aussehen?
Für Tim Busam ist klar: Ein Friedhof und eine Grabstelle sollen nicht nur informieren. Sie sollen das sein, was „den Ort früher ausgemacht hat, der Friedhof als Austauschort, wo sich die Leute getroffen haben, an dem sie sich ihre Sorgen, Ängste und Wünsche gegenseitig mitteilen konnten“. Das, sagt Busam, war der Friedhof vor Zeiten des Internets oder des Telefons.
Am Ende kristallisiert sich aus den Überlegungen eine Idee heraus: Ein hohler Grabstein mit einem Schlitz darin, um Mitteilungen an den Verstorbenen einzuwerfen. Ein Briefkasten in ganz anderer Form. „Jede Person, egal ob Familienangehörige, Freunde oder alte Weggefährten, Arbeitskollegen, soll den Ort so nutzen dürfen, wie er oder sie das braucht und gerne hätte“, sagt Tim Busam.
Anders als bei dem Modell der Post wird der „Grabstein-Briefkasten“ allerdings nie geleert. Es wäre das Ende von Intimität und Ehrlichkeit, mit der man die Inhalte verfasst, wenn jemand an die Inhalte herankäme, sagt Tim Busam. Dann würden die Mitteilungen an den Verstorbenen auch wenig helfen im Trauerprozess, sagt der allive-Geschäftsführer.
Damit der Stein trotzdem dauerhaft Briefe oder Bilder aufnehmen kann, ohne überzuquellen, ist er so konzipiert, dass über Fugen Feuchtigkeit hineingelangt. Im Fundament reicht das Erdreich in den „Briefkasten“ hinein. Stück für Stück zersetzt sich so das Papier.
Die Lifestone-Entwickler merken, dass die Grabsteine nachgefragt sind, wenn Dinge vor dem Tod unausgesprochen blieben oder sich mit dem Tod noch nicht auseinandergesetzt wurde, etwa bei einem Unfall oder Suizid. Oder „wenn Eltern ihre Kinder überleben“, sagt Busam.
Kinder und Jugendliche wiederum teilen sich anders mit als ältere Menschen. Sie möchten die Verstorbenen mehr an ihrem Leben teilhaben lassen, werfen in den Grabstein „Zeichnungen für Mami, Papi oder Opa“ ein. „Die gehen mehr diese kreative Schiene.“
Ob ein Lifestone, sei es relativ schlicht oder komplett individuell designt, das Richtige ist, müsse am Ende jeder für sich entscheiden, sagt Busam. „Wir sagen nicht, dass jeder so einen Stein benötigt.“ Vor allem sei er eine „Option für Menschen, die in der Trauerbewältigung noch einen großen Schritt vor sich haben, durch diesen Austausch die Trauer zu greifen, zu handeln und letztendlich so zu bewältigen“.
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