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ForuM-Studie

Sexualisierte Gewalt in der Kirche: Was steht in der ForuM-Studie?

Ein Mädchen sitzt in einer Kirchenbank
UBSKM / ©Barbara Dietl
Ein Mädchen sitzt in einer Kirchenbank

Ein unabhängiger Forschungsverband hat eine Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche vorgestellt. Wir fassen für dich das Wichtigste zusammen.

Das sorgt für Wirbel: Eine unabhängige Forschungsgruppe hat eine Studie über Missbrauch in der Evangelischen Kirche vorgelegt. Doch um was geht es genau?

Was steht in der Studie zur sexualisierten Gewalt drin?

Hohe Dunkelziffer bei Betroffenen von sexualisierter Gewalt

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat es in der evangelischen Kirche in größerem Ausmaß gegeben als bislang von der Kirche angenommen.

  • Die Studie nennt 1.259 Beschuldigte und 2.225 Betroffene.

Aber: Klar ist, es gibt eine hohe Dunkelziffer, die tatsächlichen Zahlen sind weit aus höher. Die vorliegenden Zahlen spiegeln, so die Forscher:innen die „Spitze der Spitze des Eisbergs“.

Kinder und Jugendliche von sexueller Gewalt betroffen

  • Das Durchschnittsalter der Betroffenen bei der ersten Tat lag bei etwa 11 Jahren.

Unter den Betroffenen in den Landeskirchen waren mehr Frauen als Männer. Die Taten waren meist geplant und fanden mehrfach statt.

Vor allem Pfarrer haben sexuelle Gewalt ausgeübt

  • Laut Studie waren zwei Fünftel der Beschuldigten Pfarrpersonen, mehr als zwei Drittel von ihnen war verheiratet.

Das Durchschnittsalter der Täter:innen liegt im Durchschnitt bei 39.6 Jahren.

Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt

  • Gleichzeitig wird deutlich, dass der Umgang mit Betroffenen in der evangelischen Kirche alles andere als zufriedenstellend ist.

​​​​​​​Von mangelnder Sensibilität und Ablehnung ist die Rede. Betroffene erlebten zumeist kaum Unterstützung und mangelnde Sensibilität, wenn sie bei kirchlichen Stellen Taten anzeigten.

Evangelischer Kontext bei sexuellem Missbrauch

  • Die Studie zeigt auch, es gibt keine klassische Tatkonstellation im evangelischen Kontext.

Nahezu alle Bereiche von evangelischer Kirche und Diakonie sind betroffen: von Hauptamtlichen bis Ehrenamtlichen.

Die Studie zeigt den Angaben zufolge, dass es evangelische Besonderheiten gibt, die sexualisierte Gewalt ermöglichen und begünstigen können:

  • Diffusion von Verantwortung“
  • übermäßiger Wunsch nach Harmonie
  • Konfliktunfähigkeit im „Milieu der Geschwisterlichkeit“
  • fester Glaube daran, dass die evangelische Kirche ein sichere Ort sei

Dabei gibt es ein Gefälle im Umgang der 20 Landeskirchen und 17 Diakonischen Werke mit dem Thema. 

  • Deutliche Kritik an der föderalen Struktur, die einheitliche Standards und Regeln verhindert.

Weitere Infos

Alles Wissenswerte rund um die Studie findest auf www.forum-studie.de.

Wer hat die ForuM-Studie erstellt?

ForuM steht für den Forschungsverbund „Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“. Die unabhängige Studie umfasst 870 Seiten. 

Das Forschungsprojekt wurde von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit ihren 20 Landeskirchen beauftragt und finanziert. Die Kosten belaufen sich auf rund 3,6 Millionen Euro. An der Studie beteiligte Institutionen:

  • Hochschule Hannover
  • Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
  • Bergische Universität Wuppertal
  • Freie Universität Berlin
  • Institut für Praxisforschung und Projektberatung München
  • Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf
  • Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim
  • Universität Heidelberg

Wie geht es nach der Missbrauchsstudie weiter?

Mit der Veröffentlichung der Studie beginnt in der Kirche nun die Arbeit. „Wir bei der EKHN werden die Ergebnisse der ForuM-Studie gründlich studieren und diese sehr ernst nehmen“, sagt Oberkirchenrat Volker Rahn. Bereits geplant sind  Gespräche mit Vertretern des bundesweiten Beteiligungsforum der EKD, in dem betroffene Personen vertreten sind.

Ziel des Beteiligungsforums ist es, der EKD-Synode im November 2024 Maßnahmen vorzulegen. So sollen auf der EKD-Synode im November erste Maßnahmen beschlossen und Konsequenzen gezogen werden.

Welche Kritik gibt es an der ForuM-Studie?

Ein wichtiger Kritikpunkt an der Studie ist die Datenlage. Schon vor Veröffentlichung haben Forschende berichtet, dass ihnen nicht alle benotigten Personalakten zur Verfügung gestanden hätten. Psychiater Harald Dreßing hat beispielsweise von einer „schleppenden Zuarbeit“ aus den 20 Landeskirchen gesprochen, die Betroffene Katharina Kracht davon, dass sie die „Aufklärung verhindern“ würden.

Neben den Personalakten gehe es auch um „inoffiziellen Sammlungen“ oder „Kisten mit problematischen Inhalten“ in einigen Kirchenämtern. Nicht auszuschließen ist laut Studie, dass Akten vernichtet oder manipuliert wurden. Deswegen wurde das Studiendesign angepasst und die Forschenden haben sich im Wesentlichen auf die Auswertung von Disziplinarakten beschränkt.

Unklarheiten bei Missbrauchsstudie

Nun scheinen sich bei dem Thema die Forschenden und die Kirchen gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Einige Kirchenvertreter:innen sagen, sie wären nicht nach Personalakten gefragt worden, andere sagen, es wäre personell und zeitlich viel zu aufwändig gewesen, die Menge an Akten zu sichten.

Aus dem Forschungsteam hat Reiner Anselm betont, dass die Studie von vornherein nur als Anfang der Aufarbeitung angelegt gewesen sei. Er geht nicht von einer Strategie aus, bescheinigt den Kirchen im Deutschlandfunk allerdings „strukturelle Unprofessionalität“.