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EKD-Vorsitzende

Vertrauen verspielt: Rücktritt Annette Kurschus

Andrea Seeger
Kommentar von Andrea Seeger

Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus hat ihren Rücktritt erklärt. Grund ist Kritik an ihrem Umgang mit einem Verdachtsfall sexualisierter Gewalt.

Nun ist sie also zurückgetreten – endlich. Annette Kurschus hat sich verabschiedet als oberste Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als Präses der westfälischen Landeskirche.

Worum geht es?

Gründe für Kurschuss-Rücktritt 

Ausgangspunkt war der Verdacht gegen einen kirchlichen Mitarbeiter wegen sexuellen Missbrauchs. Annette Kurschus war

  • ab 1993 Pfarrerin
  • später dann Superintendentin des Kirchenkreises Siegen, das zur westfälischen Landeskirche gehört.

Seit mehr als einem Jahrzehnt stand sie an der Spitze dieser Landeskirche und damit verantwortlich für kirchliche Vorgänge.

Hintergrund zum Rücktritt

Am 20.11. ist Annette Kurschus von allen leitenden Ämtern zurückgetreten. Es geht um einen ehemaligen Kirchenmitarbeiter aus Kurschus' altem Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein. Er soll der junge Männer sexuell bedrängt haben soll. Die Pfarrerin soll nicht transparent mit dem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt umgegangen sein. Sie weist zwar die Vorwürfe von sich, aber wolle die Kirche nicht beschädigen.  

Der Mann, um den es in dem Missbrauchsfall geht, war Mitarbeiter der Kirche dort. Inzwischen ist er Rentner. Kurschus war mit ihm und seiner Frau eng befreundet, soll Patentante eines der Kinder der Familie sein. Von homosexuellen Neigungen des Mannes ist die Rede, er soll sich mehreren jungen Männern mit sexuellen Ambitionen genähert haben. Es soll um ein Schüler-Lehrer-Verhältnis gehen, also um Machtmissbrauch.

Auf einer Gartenparty Ende der 1990er Jahre sollen mehrere Menschen die damalige Pfarrerin Kurschus darüber informiert haben. Daran könne sie sich nicht erinnern, sagt sie. Der Staatsanwaltschaft Siegen liegen eidesstaatliche Versicherungen von zwei Beteiligten vor, die besagen, dass sie Kurschus bei diesem Anlass informiert hätten. Wusste sie etwas und hat geschwiegen? Oder kam bei ihr tatsächlich nur die Information an, dass der Bekannte homosexuelle Neigungen hat und in der Ehe untreu war, wie sie sagt. Die Unschuldsvermutung gilt, Vorverurteilungen haben hier keinen Platz.

Kirche reagiert erst auf Pressedruck

Annette Kurschuss in der Pressekonferenz
epd-bild/Detlef Heese
„Ich kann meinen Dienst nicht wirksam tun, wenn meine Aufrichtigkeit öffentlich angezweifelt und immer wieder jeden Tag infrage gestellt wird.“

Was aber hier Platz haben muss, ist das Kommunikationsdesaster. In der Westfälischen Kirche weiß die Führungsebene seit Frühjahr von dem Fall. Anstatt frühzeitig und transparent zu kommunizieren, umhüllten die Verantwortlichen die Sache mit dem Mantel des Schweigens.

Erst als die Veröffentlichung von Presseberichten drohte, wurden mehr Menschen ins Bild gesetzt, offizielle Gremien der EKD befassten sich nun mit dem Fall. Was folgte, waren Chaostage in der EKD. Die Salamitaktik, also immer erst dann etwas zugegeben, wenn es bereits öffentlich geworden ist, hat sich selten als kluge Strategie erwiesen. So ist es auch dieses Mal.

Missbrauchsfälle der Kirche wesentlicher Grund für Misstrauen gegenüber der Kirche

Und dann passiert es ausgerechnet jetzt. Gerade ist eine neue Mitgliederstudie erschienen. Die besagt, dass das Vertrauen der Menschen in die Kirchen weiter abnimmt. Krass erlebt das gerade die katholische Kirche. Nur neun Prozent aller Befragten vertrauen ihr noch.

Wesentlicher Grund: der Umgang mit Missbrauch. Der evangelischen Kirche sprechen immerhin noch 24 Prozent der Befragten das Vertrauen aus. Noch!

Pressekonferenz vom Rücktritt Annette Kurschus'
epd-bild/Detlef Heese

Die ehemalige Ratsvorsitzende, die zuständig war für rund 20 Millionen evangelische Christinnen und Christen, hat nun einiges davon verspielt.

Wer möchte, dass man der Kirche vertraut, muss klar, schnell und konsequent aufklären.

Das gilt nicht nur für Missbrauchsfälle. Annette Kurschus hat stattdessen gemauert, beruft sich auf Erinnerungslücken, betont in ihrer Rücktrittserklärung ihre Redlichkeit. Wer ist schuld? Die Öffentlichkeit, sprich die Medien, sagt sie.

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Nein, das sind sie nicht. Sie haben das getan, was ihre Aufgabe ist: aufgeklärt über das, was ist.

Wer vertuscht, verschweigt, unter den Teppich kehrt, macht sich schuldig. Annette Kurschus ist durch ihr unprofessionelles Handeln mit dafür verantwortlich, dass noch mehr Vertrauen schwindet.­ Das lag sicherlich nicht in ihrer Absicht. Gut gemeint kann aber durchaus schlecht gemacht sein. Das kann sich die Kirche nicht leisten.