Zain ist vielleicht zwölf Jahre alt, niemand weiß das so genau. Der schmächtige Junge mit dem strubbeligen Haarschopf ist zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er einen Menschen niedergestochen hat. Doch zu Beginn des Films „Capernaum - Stadt der Hoffnung “ erscheint Zain nicht als Angeklagter vor Gericht, sondern als Kläger.
Er wagt etwas: Zain verklagt seine Eltern, weil sie ihn auf die Welt gebracht haben. Sie sollen keine Kinder mehr in die Welt setzen, denn um die, die sie schon haben, kümmern sie sich nicht. Ein langer intensiver Blick des Jungen. Schnitt: Straßenszene in Beirut. In Rückblenden entfaltet der Film nun seine Vorgeschichte.
Mit Gelegenheitsjobs verdient Zain Geld, Schulunterricht ist ein Fremdwort für ihn. Bittere Armut, drogendealende Erwachsene, Kriminalität bestimmen seinen Alltag. Als Zain seine elfjährige Schwester vor der Verheiratung nicht schützen kann, reißt er aus. Unterschlupf findet der Junge bei einer Äthiopierin, die ihn in ihre winzige Wellblechhütte aufnimmt, obwohl sie selbst kaum über die Runden kommt und ständig mit Abschiebung rechnen muss.
Bei Rahil erfährt er erstmals Zuwendung und kümmert sich selbst liebevoll um das Baby der Äthiopierin, während sie arbeitet. Doch eines Tages kehrt Rahil nicht mehr zurück. Zain versucht daraufhin alles, sie zu finden. Als dies nicht gelingt, will er zumindest dem Baby Yonas eine Zukunft verschaffen. Der Menschenhändler Aspro versucht schon lange, das Baby in seine Hände zu bekommen. Er wittert ein gutes Geschäft. Aspro verspricht Zain, dass Yonas in eine gute Familie kommt. Verzweifelt geht Zain auf das Angebot ein, in der Hoffnung, dass Aspro sich daran hält.
Fast alle Schauspielerinnen und Schauspieler in dem Spielfilm sind Laien. So auch der großartige Hauptdarsteller. Die Regisseurin ließ Zain, der im wahren Leben auch so heißt, viel Raum für Improvisation. Zain ist mittlerweile mithilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks nach Norwegen übergesiedelt und besucht eine Schule. Aber „Mein Film ist eine Anklage gegen ein ganzes System, das Kinder an den Rand der Gesellschaft stellt“, sagt Nadine Labaki in einem Spiegel-Interview. „Das Gericht, vor das ich die Eltern im Film stelle, das sind wir alle.“
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes erhielt der Film 15 Minuten Standing Ovations, war für den Oscar nominiert und wurde vielfach ausgezeichnet – häufig auch mit dem Publikumspreis. Für mich ist der Film ein großes Drama von beeindruckender Intensität und ein Film, der uns Zuschauenden noch lange nachgeht.
Dieser Tipp ist Teil einer Kooperation zwischen der Evangelischen Medienzentrale Frankfurt und indeon.de.