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Eintracht-Frankfurt-Fans

Wie sich Behinderten-Fanbeauftragte für Inklusion im Fußball einsetzen

Fanbeauftragter für Behinderte in Frankfurt
Eintracht Frankfurt

In Kaiserslautern und Frankfurt gibt es Beauftragte für Behinderte. Behinderten-Fanbeauftragter der Eintracht, Clemens Schäfer, kündigt eine Erweiterung für den Bereich der Rollstuhlfahrer im Frankfurter Stadion an.

Von Susanne Cahn

„Den Erich kannst du mitten in der Nacht anrufen. Der hilft dir immer“, lobt Jens Hoffmann den Behinderten-Fanbeauftragten des FC Kaiserslautern. „Er ist ein Glücksfall für den FCK“, ist der 41-Jährige aus Trier überzeugt. Die Verletzung an der Wirbelsäule hat er von Geburt an. Und fährt seit 1988 regelmäßig zu den Heimspielen seiner Lieblingsmannschaft, meist zusammen mit seinem Vater. Oft besucht er auch Auswärtsspiele. „Wir sind Lautern-Fans in der dritten Generation“, erzählt der ausgebildete Kaufmann für Bürokommunikation, der bei der Lebenshilfe arbeitet.

Mehr Barrierefreiheit seit Fußball-WM 2006 

„Seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist für uns Behinderte in den Stadien alles im grünen Bereich“, lautet seine Erfahrung. Parkplätze seien vorhanden, die Zugänge barrierefrei, Toiletten für Rollis zugänglich. Doch früher sei das schon anders gewesen, erinnert er sich. Auch bei kleineren Vereinen gebe es Mankos. 

Behindertfanbetreuung beim FC Kaiserslautern
Erich Huber
Jens Hoffmann (links im Bild – hier mit Dennis Weber und Monika Wichert) fährt seit 1988 regelmäßig zu den Heimspielen seines FCK.

Rund 80 Rollstuhlfahrer seien es im Durchschnitt, die aktuell zu den Heimspielen auf den Kaiserslauterer Betzenberg kommen, berichtet der Behinderten-Fanbeauftragte. Seit 2016 ist Erich Huber Ansprechpartner unter anderem für Rollstuhlfahrer, Blinde und Gehörlose bei den FCK-Spielen.

Behinderten-Fanbeauftragter Erich Huber gründet "Fairplay"

Auch Huber, ist Fan der ersten Stunde. Mit seiner Familie ist er aktiv im 1992 gegründeten Fanclub „Fairplay“. Sein Engagement für behinderte Fans kam bereits vor Jahren über einen Kontakt zu einer Bekannten zustande, die an Multiple Sklerose erkrankt war. „Sie hatte das Privileg, dass sie immer zu den Auswärtsspielen fahren konnte“, berichtet Huber. Doch vielen Behinderten sei dies eben nicht möglich gewesen. Seit dieser Erfahrung setze sich der Vorstand von „Fairplay” dafür ein, dass Behinderte zu FCK-Spielen kommen.

„Um Behinderte zu Auswärtsspielen mitnehmen zu können, haben wir im Fanclub ein Rollstuhl-Sonderkonto eröffnet“, berichtet Huber. Und diese „Schnapsidee“, wie Huber es nennt, sei am 1. Juni 1997 tatsächlich umgesetzt worden. „Damals sind wir mit mehreren Bussen und 50 Rollstuhlfahrern nach Frankfurt gefahren.“ 

Rolli-Autogrammstunde für Fans

Um das Rollstuhl-Sonderkonto zu füllen, wurden immer wieder Spenden geworben. Bei einer Tombola verkauften die Fußballfans unter anderem Bundesliga-Raritäten. Der ganze Spaß habe damals 12.000 Mark gekostet. „Aber wir mussten nur 2.000 Mark selbst bezahlen. Zahlreiche Sponsoren haben uns unterstützt“, berichtet Huber von den Anfängen.

Auch erinnert er an die erste Autogrammstunde, die er mit „Fairplay“ für Rollstuhlfahrer ins Leben rief. „Bei den normalen Autogrammstunden kommen Behinderte im Gedränge doch kaum durch“, weiß er.

Bei der Premiere mit Trainer Otto Rehhagel habe dieser angeregt, „seine Jungs“ das nächste Mal mit einzuladen. Die Rolli-Autogrammstunden finden seither jährlich mit Spielern statt. Auch biete der Verein Führungen durch das Fritz-Walter-Stadion speziell für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Sehbehinderung an, sagt Huber.

Behindertenfanbeauftragter Erich Huber
Erich Huber
Behinderten-Fanbeauftragter Erich Huber mit Lautern-Schal.

Der 69-Jährige war zunächst Bäckermeister, schulte dann auf Busfahrer um. „Wenn ich im Berufsalltag mitbekommen habe, was mache Leute für Probleme haben… und wenn ich dann mit den Rollstuhlfahrern zusammen bin, dann weiß ich, was wirkliche Probleme sind“, macht der Fußballfan deutlich.

Und gerade gehandicapte Personen seien es doch oft, die große Lebensfreude ausstrahlen, sagt Huber. Bei Wind und Wetter machten sie sich auf zum Spiel, dabei sei dies gar nicht einfach. „Dazu gehört Planung und eine Begleitperson“, weiß Huber.

Erster Behinderten-Fanbeauftragter beim FCK

Der Fanbeauftragte ist stolz, dass sein FCK den ersten Behinderten-Fanbeauftragten in der Bundesliga stellte. Ganz großen Anteil daran hatte FCK-Ehrenpräsident Norbert Thines, auch Ehrenmitglied des Fanclubs „Fairplay“.

Der inzwischen verstorbene Fan-Kollege Kurt Jung, der damals beim Rollstuhl-Convoi nach Frankfurt mit von der Partie war, hatte stets energisch auf die Sorgen und Nöte seiner behinderten Fußballfreunde hingewiesen – und fand vor allem beim ehemaligen Meisterpräsidenten Thines offene Ohren. „Durch Thines wurde Ulf Weber 1996 zum ersten Behinderten-Fanbeauftragten beim FCK, zum ersten in der ganzen Bundesliga“, erinnert Huber.

Auf Weber folgte 2006 Nino Gag-liano, zehn Jahre später übernahm Huber diese Aufgabe. Er hat nicht nur mit Rollstuhlfahrern zu tun. Auch Blinde finden in ihm einen Ansprechpartner. „Wir haben extra Blindenreporter, die die Spiele kommentieren, dafür werden Kopfhörer beim Spiel ausgegeben. Die Leute sind geschult, und wer denkt, die können einem ja viel erzählen, der irrt!“ Die Blinden-Reportagen würden kontrolliert. Sie sind auch auf der Internetseite des FCK abspielbar. Auch mit Gehörlosen hat Huber zu tun, es gebe regelmäßige Treffen und Gelegenheiten zum Austausch.

Förderung von Barrierefreiheit und ermäßigte Karten

Neben Betreuung und Integration behinderter Fußballfans gehört die Förderung von Barrierefreiheit in und um das Stadion zu seinen Aufgaben. Auch vermittelt er zwischen behinderten Fans und nicht Behinderten sowie dem Verein. Zudem gibt es regelmäßige Austausche mit anderen Beauftragten. Das einzige, wo er nicht weiterhelfen kann, ist die Sache mit den Tickets. Nur eine Karte, die im Gedenken an eine verstorbene Rollstuhlfahrerin zur Verfügung steht, könne er vergeben, erklärt Huber.

Insgesamt biete der FCK Rollstuhlfahrern 100 Plätze unterhalb der Südtribüne, zehn Prozent seien für auswärtige Fans. Für Blinde gebe es zehn Plätze. Die Karten seien ermäßigt, auch für Begleitpersonen. „In manchen Stadien gibt es aber nicht so viele Plätze“, weiß Huber. „Stuttgart hat 150, Walldorf aber nur 20. Das sind dann nur zwei für Auswärtige“, gibt er zu bedenken. „Für uns ist es schwierig, an Karten zu kommen“, bestätigt auch Jens Hoffmann. Er würde sich mehr Plätze für Rollstuhlfahrer wünschen.

Clemens Schäfer

Im Herzen von Europa 1

60528 Frankfurt 

Telefon: 069 - 95 50 32 70

Mobil: 0170 - 76 50 12 4

c.schaefer@eintrachtfrankfurt.de

 

110 Plätze für Rollstuhlfahrer bei der Eintracht

Das sieht bei der Eintracht in Frankfurt etwas anders aus. Dort stehen 110 Plätze für rollstuhlfahrende Fans und ebenso viele Plätze für deren Begleiter zur Verfügung. Es gibt auch noch einen barrierefreien Bereich mit 70 Sitzplätzen. Ferner seien 30 Plätze für gehörlose Fans mit Gebärdendolmetscher-Service reserviert, schildert Behinderten-Fanbeauftragter Clemens Schäfer. Für Sehbehinderte gebe es 34 Plätze mit Audiodeskription durch Sehbehindertenreporter.

„Diese Plätze sind bei unseren Heimspielen komplett ausgebucht“, erläutert Schäfer. „Um möglichst vielen behinderten Menschen den Zugang zu Spielen von Eintracht Frankfurt zu ermöglichen, erweitern wir unseren Bereich für rollstuhlfahrende Fans um 100 Prozent auf 220 Plätze ab der Saison 2023/2024“, kündigt Schäfer an. Durch die Digitalisierung sei der Empfang der Audiodeskription für Sehbehinderte im gesamten Stadion möglich. „Dadurch hat der sehbehinderte Fan freie Platzwahl“, fügt er hinzu.

❗️ Jeder Bundesligist in der Ersten und Zweiten Liga ist laut Lizensierung verpflichtet, einen Behinderten-Fanbeauftragten zu benennen. In der Ersten Bundesliga sind es laut Schäfer festangestellte Mitarbeiter in Ganztagsbeschäftigung, bei der Eintracht sei dies seit 2012 der Fall.