Pro & Contra: Im Kampf gegen Corona

Impfpflicht gegen Corona: Ja oder Nein?

Andrea Seeger und Andreas Fauth
Medienhaus der EKHN
PRO CONTRA

Die Corona-Inzidenzen schnellen in die Höhe und nur knapp 70 Prozent der Deutschen sind geimpft. Brauchen wir deshalb jetzt eine Impfpflicht?

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben Politiker und Politikerinnen betont, es werde keine Impfpflicht gegen eine Covid-Erkrankung geben. Nun ist Deutschland in der vierten Welle, die Impfquote liegt bei knapp 70 Prozent und die Zahl der Infizierten steigt täglich. Die einen  wollen deshalb eine Impfpflicht einführen, andere lehnen sie ab. In der Kirche ist die Lage ähnlich. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, ist für die Impfpflicht, ihr Vorgänger Heinrich-Bedford Strohm ist dagegen. Ein Pro und Contra Impfpflicht von Andrea Seeger und Andreas Fauth.

Pro: Impfpflicht gegen Corona ist Christenpflicht

Andrea Seeger
Medienhaus der EKHN

Impfpflicht ist Christenpflicht. So sagte es Annette Kurschus in der ARD-Sendung „Hart aber fair“. „Eine Hammerthese“, attestierte Moderator Frank Plasberg der neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dabei vertrat Kurschus, zugleich Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, lange eine andere Haltung. Sie setzte auf Konsens und Überzeugungskraft, auf Verständigung und Versöhnung.

Jeder Tag ohne Impfpflicht kostet Leben

Nur funktioniert das nicht. Und die Zeit drängt. Jeder Tag dieser „Überzeugungsanstrengungen“ kostet mehr und mehr Menschen ihr Leben, bringt das Gesundheitswesen an den Rand seiner Leistungsgrenzen und lässt die dort Beschäftigten verzweifeln.

Die Situation ist brandgefährlich. Immer mehr Politikerinnen und Politiker setzen sich für eine allgemeine Impfpflicht ein. Sie kommt zu spät, um die vierte Welle noch zu durchbrechen. Doch vor weiteren Wellen könnte sie schützen.

Theologische Argumente für Impfpflicht

Kurschus, die oberste Protestantin der Bundesrepublik, argumentiert theologisch. „Freiheit hat christlich gesehen immer mit Gemeinschaft zu tun. Bei allem, was ich tue oder unterlasse, muss ich fragen: Was macht das mit dem anderen?“ Es sei eine Pflicht für den, der in Gemeinschaft lebt, sich impfen zu lassen, wenn medizinische Gründe nicht dagegensprächen. So ist es.

Annette Kurschus springen die Katholiken an die Seite. Die Mitglieder des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz appellieren an die Moral. „Impfen ist in dieser Pandemie eine Verpflichtung aus Gerechtigkeit, Solidarität und Nächstenliebe“, schreiben sie. Nun ist Moral etwas Anderes als Gesetz. Wie die Impfpflicht durchzusetzen ist, muss auf politischer und juristischer Ebene geklärt werden. Instrumente sind vorhanden.

Impflichten in Deutschland haben bereits Erfolg erzielt

Es gab sie ja auch schon, die Impfpflicht - von 1959 bis 1983 gegen die Pocken. Und seit 2020 gilt sie bei der Masern-Impfung für schulpflichtige Kindern und Beschäftigte von Kindertagesstätten und Schulen.

Bedauerlich finde ich, dass es bei der Corona-Pandemie soweit kommen musste. Wie viel leichter hätten wir es heute, wenn Einsicht beizeiten gesiegt hätte? Sehr vielen Menschen wäre viel Leid erspart geblieben.

Contra Impfpflicht

Andreas Fauth
Andreas Fauth

Wenn Annette Kurschus jetzt eine Impfpflicht gegen das Coronavirus fordert, ist die frisch gewählte Ratsvorsitzende schlecht beraten – aus mehreren Gründen:

„Es drängt die Zeit“, sagt die Ratsvorsitzende, damit hat sie recht. Es ist aber auch klar, dass eine Impfpflicht für die vierte Welle viel zu spät kommt. Wenn überhaupt, würde sie die Lage erst im nächsten Jahr entlasten.

Versprechungen der Politik in Sachen Impfpflicht

Das frühe Versprechen der Politik, auf eine Impfpflicht zu verzichten, erscheint jetzt wie ein Bumerang. Schließe niemals etwas aus in einer Pandemie, sagen die einen. Zu Recht, aber eine Kehrwertwende bei der Impfpflicht wäre nichts anderes als ein Vertrauensbruch. Schon jetzt ist die Gesellschaft gespalten, das Vertrauen in die Politik schwindet, eine Impfpflicht würde diesen Prozess weiter beschleunigen.

Wollen wir Impfgegner mit der Polizei abholen?

Wie soll eine Impfpflicht aussehen? Wollen wir Impfgegner mit der Polizei abholen? Was würden mögliche Bußgelder bewirken? Eine Impfpflicht würde die Gemüter weiter erhitzen. Wer sich nicht impfen lassen will, verharrt aus Trotz in seiner Position, und viele der Geimpften pflegen dann erst recht ihre Empörungsrhetorik.

Die Impfung ist der einzige Weg aus der Corona-Pandemie

Um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie! Wirksamer als eine Impfpflicht wären jedoch konkrete Regeln: Flugreisen und Fernbahnreisen nur noch für Geimpfte oder Menschen mit Attest, eine 2G-Regel für die Mobilität.

Politische Maßnahmen in der Pandemie kommen jedes Mal zu spät

Doch wie immer kommen die politischen Maßnahmen in der Pandemie viel zu spät. 3G am Arbeitsplatz hätten wir schon im Sommer haben können, 2G im Freizeitbereich war längst überfällig. Natürlich darf man Denkfehler revidieren, dann hätte die Politik in dieser Pandemie aber viel zu tun.

Den Weg aus der Corona-Pandemie finden wir nur mit Debatten, mit klugen Argumenten und mit Überzeugung. Wenn das Werben und Aufklären für die Impfung laut einer Studie keinen Sinn mehr machen würde, dann wäre dies die Bankrotterklärung nach einem vertanen Sommer. Politik und wir alle hätten für die Impfung mehr und ansprechender werben müssen. Denn es geht um Glaubwürdigkeit, eine Kernkompetenz auch der Kirche.

Deshalb zielt der Schuss der neuen Ratsvorsitzenden ins falsche Lager: Kurschuss trifft diejenigen, die Impf-Skeptiker auf Augenhöhe mitnehmen, ja überzeugen wollen. Wenn die Impfpflicht kommt, glaubt diesen Menschen niemand mehr.

Für oder gegen die Impfpflicht - wo stehst du?

Bei dem Thema kochen die Emotionen hoch und die Corona-Schutzimpfung vertieft die Gräben in unserer Gesellschaft. Wir wollen mit dir trotzdem darüber debattieren: Bist du für oder gegen eine Impfpflicht? Und warum? Lass uns hübsch sachlich in Social Media reden. Auf: 

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