Wenn der Notfallpiepser bei Renate Speckhardt losgeht, weiß sie: Das Leben von Mit-Menschen hat sich von einem Moment auf den anderen für immer verändert. So wie vor Kurzem nachts. Sie steht leise auf, damit sie ihren Mann nicht weckt. Die Adresse des häuslichen Todesfalls sieht sie auf dem Pager, dem Funkmeldeempfänger. Sie verständigt die Leitstelle, dass sie sich auf den Weg macht. Und sie ruft den B-Teamer an. Zu zweit fahren sie zur angegebenen Adresse.
Die Menschen fühlen sich in solchen Situationen isoliert
„Ich heiße Renate Speckhardt. Ich bin Notfallseelsorgerin und für Sie da“, stellt sie sich vor. Der Name sei ganz wichtig, sagt die erfahrene Notfallseelsorgerin, die von Beruf Physiotherapeutin ist. „Die Menschen fühlen sich in solchen Situationen isoliert“, sagt Heiko Ruff-Kapraun, Leiter der Notfallseelsorge und Krisenintervention Odenwaldkreis. „Sie verlieren ihre ureigenste Identität, sind nur noch Fälle“, ergänzt er.
„Wir sind nicht da, um eine Maßnahme einzuleiten, sondern den Menschen eine Chance zu geben, dem Notfall hinterherzukommen, das Geschehen zu synchronisieren“, erklärt der Pfarrer. Sie hülfen ihnen zu verstehen, dass sie nicht in dieser Situation verharren müssten, dass es ein Vorher gab und auch ein Nachher geben wird.
Not zu sehen und für Menschen da zu sein, wenn sie mit einem plötzlichen Todesfall konfrontiert werden: So beschreibt die Notfallseelsorge und Krisenintervention im Odenwaldkreis ihr zentrales Anliegen. Dieser Aufgabe stellen sich die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie brauchen ein hohes Maß an Empathie und zugleich die nötige Distanz. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagt Renate Speckhardt. Sie fahre nur so viele Einsätze mit, die sie auch mit-leiden kann, ergänzt sie.
Jeder Mensch verhalte sich nach einem lebensverändernden Ereignis anders. Wer eine Todesnachricht bekommt, reagiere manchmal wie taub, wirke wie versteinert, der Boden unter den Füßen scheine wegzubrechen. Verzweiflung breche sich Bahn.