Soziales

Stolpersteine: Wie können wir das Vergessen verhindern?

Eine Hand putzt mehrere Stolpersteine mit einem Lappen.
Carina Dobra
Um die Erinnerung zu erhalten, müssen Stolpersteine regelmäßig geputzt werden.

Vor 85 Jahren begann die systematische Verfolgung der Juden – heute knien Menschen auf den Straßen ihrer Städte und putzen Stolpersteine, um diesen Menschen eine letzte Ehre zu erweisen.

In ganz Deutschland blitzen sie im Straßenpflaster auf – kleine, goldene Quadrate, kaum größer als eine Handfläche. Stolpersteine nennt man sie. Sie erinnern an die Menschen, die während der NS-Zeit verfolgt, deportiert und ermordet wurden. 

Über 100.000 dieser Steine liegen inzwischen in 30 Ländern Europas. Gemeinsam bilden sie das größte Mahnmal der Welt. 

Gold gegen das Vergessen

Jedes Jahr am 9.November gehen Menschen auf die Straße, knien sich auf einen Gehweg ihrer Stadt und putzen die 10 x 10 cm großen Steine, bis ihre Oberfläche wieder golden glänzt. Manche mit ihren Freunden, andere legen Blumen auf den Gehweg und beten.

Stolpersteine richtig putzen

Du brauchst: 

  • Wasser

  • 1-2 Schwämme

  • Einen trockenen Lappen

  • Essig, Silberputzmittel oder eine andere Metallpolitur

Befreie den Stolperstein von Schmutz. Gib dann die Politur darauf und Putze den Stein mit dem Schwamm. Dann mit Wasser abspülen, trocknen, fertig!

Warum der 9. November?

Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Fensterscheiben wurden eingeschlagen und über 7.500 jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört. Auch vor den jüdischen Friedhöfen wird kein Halt gemacht. Doch das war erst der Anfang, denn jüdisches Leben war in Deutschland nach der Nacht vom neunten auf den zehnten November kaum noch möglich.

  • Jüdinnen und Juden durften keinen Handel, kein Handwerk und kein Gewerbe mehr betreiben.
  • Auch in anderen Lebensbereichen wurden Juden diskriminiert. Durch strenge Verbote und Auflagen. Dadurch entzog das nationalsozialistische Regime diesen Menschen Schritt für Schritt jede wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenzgrundlage.

Verschleppt und ermordet

Rund 30.000 jüdische Männer nur wenige Tage nach dem 9. November in Konzentrationslager wie Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt. Diese Auswertung haben das „United States Holocaust Memorial Museum“ und die „Bundeszentrale für politische Bildung“ veröffentlicht. In den Lagern wurden die Menschen misshandelt und ermordet.

Begriff „Reichskristallnacht“

Die Reichspogromnacht wurde lange Zeit als „Reichskristallnacht“ bezeichnet. Die „Kristallnacht“ bezieht sich auf die Glasscherben, die durch das Zerstören von Wohnungen, Läden, Büros und Synagogen unzählige Straßen bedeckten. Der Begriff  ist seit den 1980er Jahren umstritten, deswegen wird mittlerweile „Reichspogromnacht“ bevorzugt, um das Leid der Opfer nicht zu verharmlosen.

„Der 9. November gilt heute als Reichspogromnacht“, erklärt Irina Ruoff, die bei der Stolpersteininitiative Stuttgart und im Projekt „Widersetzen“ aktiv ist. 

Der Begriff „Pogrom“ stammt aus dem Russischen und bedeutet „Verwüstung“ oder „Zerstörung“. Er beschreibt gewalttätige Übergriffe auf eine religiöse, ethnische oder nationale Minderheit, die von staatlicher Seite geduldet oder sogar aktiv unterstützt werden.

Was war der Auslöser für die Reichspogromnacht?

  • Seit 1933 hatten die jüdische Bevölkerung durch Gesetze der Nationalsozialisten immer weniger Rechte und wurden ausgegrenzt und wirtschaftlich ruiniert.
  • Im Oktober 1938 ließ das NS-Regime etwa 17.000 polnische Juden zwangsweise ausweisen („Polenaktion“). Darunter war auch die Familie Grynszpan, deren Sohn Herschel Grynszpan in Paris lebte.
  • Am 7. November 1938 erschoss Herschel Grynszpan aus Verzweiflung über das Schicksal seiner Familie den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris.
  • Die NS-Führung benutzte diesen Vorfall als Vorwand, um einen bereits vorbereiteten Gewaltexzess gegen Jüdinnen und Juden zu inszenieren, der am 9. November 1938 stattfand.

Ein außergewöhnliches Kunstprojekt

Heute, über 85 Jahre später, erinnern sich Menschen weltweit auf verschiedene Weise an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Jede einzelne, der in den Boden eingelassenen Messingplatten, steht für einen Menschen, der während der Nazizeit verfolgt oder sogar ermordet wurde. 

Die Steine sollen dazu beitragen, dass diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten. Damit diese langfristig erhalten bleiben, müssen sie regelmäßig geputzt werden. 

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Um die Stolpersteine zu putzen und damit den verfolgten und ermordeten Menschen eine letzte Ehre zu erweisen, braucht es nicht viel, erklärt Irina Ruoff: „Am besten man füllt sich etwas Wasser ab, gibt Essig hinzu und nimmt sich einen weichen Schwamm oder Lappen, damit die Stolpersteine nicht beschädigt werden.“

Unsere Buchtipps

Geputzt werden können die Steine natürlich nicht nur am 9. November, sondern das ganze Jahr über. Wer nicht nur mit dem Schwamm aktiv werden möchte, sondern noch mehr über den Nationalsozialismus, die Pogromnacht und die Judenverfolgung erfahren will, ist mit diesen Büchern an der richtigen Stelle:

Anne Frank: „Das Tagebuch der Anne Frank.“

Judith Kerr: „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl.“

Thomas Harding: „Hanns und Rudolf: Der deutsche Jude und die Jagd nach dem Kommandanten von Ausschwitz.“

Margot Friedländer und Malin Schwerdtfeger: „Versuche, dein Leben zu machen – als Jüdin versteckt in Berlin.“

Ulrich Alexander Boschwitz: „Der Reisende.“