Gesellschaft

Als Puppenspieler immer unterwegs

Charlotte Mattes (Host) und Ricardo Sperlich im Studio. Ricardo hält zwei Puppen hoch. Urzeitratten, die er im Stück Furzipups spielt.
Arik Sürek
Ricardo Sperlich erzählt über sein Leben als Puppenspieler. Als Unterstützung hat er zwei Urzeitratten dabei. Sie sind aus dem Stück Furzipups.

Ricardo Sperlich ist Puppenspieler. Mit seiner Frau und ihren drei Kindern ist die Familie an bis zu 15 unterschiedlichen Orten im Jahr.

Als Ricardo drei Jahre alt war, hat sein Vater einen Zirkus gegründet. Wenn Ricardo über seine Kindheit erzählt, schwärmt er: Er durfte als Clown auftreten und hat Trompete spielen gelernt.

In meinem Podcast „echt gefragt - der Talk mit Lotte“ hat er mir von dieser Zeit erzählt: Besonders die Gemeinschaft mit vielen Artisten aus unterschiedlichen Ländern, das Musizieren in einer Gruppe und die Tierpflege empfand er als besonders schön. Denn so habe er schon als kleines Kind gelernt, sich um Tiere zu kümmern und sie wertzuschätzen. Früher konnte er auch Saltos und Flickflacks, eigentlich wollte Ricardo Artist werden.

Als Kind gibt es nichts Schöneres als im Zirkus aufzuwachsen.

Auch das Puppenspiel kennt der 35-Jährige von klein auf, denn seine Großeltern sind Puppenspieler. Er habe immer mal bei Auftritten mitgeholfen und sie spielen gesehen. Seine Großmutter, habe „Pfeffer“ und würde heute noch spielen, wenn sie könnte. Sie habe immer Tricks und Kniffe für ihn parat, wenn er mal einen Tipp für eines seiner Stücke braucht.

Vom Zirkus zum Puppenspiel

Im Jahr 2003 ging der Zirkus seines Vaters insolvent. Das war für Ricardo traurig. Ihm fehlten das Musizieren und die Clownerie. Was blieb, war das Umherfahren. Die Familie wechselte ins Schauspiel.

Sie spielten fortan Märchen für Kinder. Auch Ricardo übernahm Rollen und lernte so zu schauspielern. Als Teenager war er der „Hänsel“ im Märchen „Hänsel und Gretel“. Das fand er damals nicht immer toll, hat er mir schmunzelnd erzählt. Auch das Puppenspiel fand er zunächst nicht sonderlich spannend. Als er jedoch ein Stück für Erwachsene sah, habe ihn das so begeistert, was zwei Menschen auf die Beine stellen könnten, dass er seine Meinung verändert hat.

Heute spielen seine Frau und er Stücke für Kinder. Zum Beispiel „Furzipups“, „der Grüffelo“, „Rabe Socke“ oder „das Neinhorn“. Ich war selbst schon mit meinen Kindern in zwei der Stücke und habe erlebt, wie die Puppen starke Gefühle bei den Kindern auslösen und sie laut mitlachen und erzählen.

Im Podcast erzählt er mir von einem kleinen Jungen: Er kam zu Ricardo, habe ihn umarmt und nicht mehr losgelassen. Solche Momente machen Ricardo dankbar und er freue sich, dass er diesen Beruf machen und davon leben könne. 

Wenn ich sehe, wie ich die Kinder begeistere, das gibt viel zurück.

Je nach Charakter der Puppe, verstellen Ricardo und seine Frau Patrizia ihre Stimmen. Beim kleinen Gespenst spielten zum Beispiel bis zu 13 Figuren mit und jede höre sich anders an.  

Die Puppen lässt die Familie extra anfertigen - das kostet viel Geld. Am Ende des Jahres entscheidet die Familie deswegen immer neu: Spielen wir im kommenden Jahr ein neues Stück oder machen wir einen Familienurlaub? 

Bisher haben sie sich immer für das neue Stück entschieden. Mit dem Puppenspiel wird man nicht reich, aber das Spielen mache sehr viel Freude, und begeistere Kinder und Eltern gleichermaßen. Insbesondere in Frankfurt kämen häufig immer wieder dieselben Zuschauerinnen und Zuschauer. Daraus ziehe er seine Kraft und wisse, warum er das alles mache. Das Spiel fühle sich nicht nach Arbeit an, das sei die ganze Organisation rund um die Stücke.

Familienleben mit eigenem Puppentheater

Host Charlotte Mattes, von hinten, von vorne sieht man sitzend Ricardo Sperlich. Mikros stehen im Raum.
Arik Sürek
Ricardo Sperlich erzählt über seine Kindheit und wie interessiert seine Mitschülerinnen und Mitschüler waren als „der vom Zirkus" bei ihnen Unterricht hatte.

Im Jahr 2018 gründete Ricardo das Gießener Figurentheater gemeinsam mit seiner Frau. Anfangs reisten sie ohne Zelt und spielten zum Beispiel für Kindergärten.

Bei der Gründung war der älteste Sohn vom Puppenspielerehepaar drei Jahre alt. Er habe nie gequengelt oder nie geschrien, sondern „ganz brav in seinem Reisebettchen hinter der Bühne“ gesessen, während seine Eltern gespielt haben.

Auch als das zweite Kind kam, habe der große Bruder sich rührend um den kleinen gekümmert. So konnten die Eltern ihre Auftritte trotz zweier Kinder absolvieren. Mittlerweile haben sie drei Kinder, ihre Tochter ist fünf Jahre alt.

Ricardo genießt es, seine Kinder und Frau den ganzen Tag um sich zu haben. Im Video siehst du das Kita-Mobil, das zu den Sperlichs fährt, um die kleine Tochter stundenweise zu betreuen.

Die Bindung zu den Kindern ist ganz anders.

Weil sie so häufig an unterschiedlichen Orten sind, ist die Familie sehr wichtig – enge Freundschaften lassen sich nur schwer pflegen. Alle leben zusammen mit Hund Ares in mehreren Wohnwagen. Irgendwann hätten sie „schon gerne wieder ein Haus“, wo sie sich zu Hause fühlen können, aber das ganze Jahr in einem Haus findet Ricardo unvorstellbar.

Corona war hart, hatte aber auch einen guten Nebeneffekt

Die Corona-Pandemie war für Ricardo und seine Familie eine besonders harte Zeit. Die Familie konnte sich auf nichts verlassen und sie durften nicht spielen. Der einzige Vorteil war, dass wenig Kosten entstanden seien. Sie mussten zum Beispiel keine Flächen mieten und keine Reparaturen an den Fahrzeugen durchführen oder bezahlen. Wie viele andere Kulturschaffende hätten sie Hilfsleitungen bekommen. 

Im Jahr 2021 haben sie im Rahmen von „Neustart Kultur“ eine Förderung erhalten. Das half ihnen sehr, denn sie beantragten einen Toilettenanhänger und kauften ein größeres Zelt, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Im Nachhinein sei die Corona-Pandemie ein Push gewesen, „der Hunger auf Kultur“ sei sehr groß gewesen.

Glaube gibt Halt - Kinder wurden im Zelt getauft

Schön, dass du die Geschichten von Ricardo auch so spannend findest. Unterstütze gerne meinen Podcast mit einem Abo oder folge uns auf Social Media:

Instagram

Facebook

Ricardo zieht Kraft und Hoffnung aus seinem Glauben an Gott. Ein wichtiger Ansprechpartner für ihn und seine Familie ist der Schaustellerseelsorger Volker Drewes der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Er hat ihre drei Kinder im Puppenzelt getauft und ist der Familie auch sonst eine wichtige Stütze.

Wenn Ricardo mal Freizeit hat, fährt er gerne Motorrad – auch wenn seine Frau das nicht so gerne sieht, weil sie sich Sorgen macht.

Ricardos Wunsch ist, dass seine Kinder das Figurentheater später übernehmen – aber er würde sie niemals dazu zwingen.