Gesellschaft

Einseitige Interaktionen: Parasoziale Beziehungen

Wenn du deinem Lieblingsstar eine Nachricht schreibst und nichts zurückkommt, kann das frustrierend sein: Parasoziale Interaktion
ljubaphoto/gettyimages

Was ist eine parasoziale Beziehung und wie geht Influencerin Kira Geiss mit parasozialen Beziehungen um?

Kennst du das auch? Du schaust die neue Staffel deiner Lieblingsserie und leidest mit deiner Lieblingsdarstellerin mit – fast so, als wäre sie deine Freundin? Das wird in der Medienpsychologie als „parasoziale Beziehung“ bezeichnet.

Parasoziale vs. soziale Beziehung

Was sind Orthosoziale Beziehungen

Bei der ortosozialen Interaktion handelt sich um eine persönliche Interaktion, bei der beide Seiten aufeinander reagieren – sei es im selben Raum, am Telefon oder per Video-Call. Entscheidend ist, dass eine wechselseitige Reaktion möglich ist.

Um zu verstehen, was überhaupt eine parasoziale Beziehung ist, musst du wissen, was eine soziale Beziehung ist. Das erklärt Prof. Dr. Katrin Döveling. Sie lehrt unter anderem Medienpsychologie an der Hochschule Darmstadt und verwendet dafür den Begriff der „Orthosozialen Beziehung“. Das sind die alltäglichen Beziehungen zu anderen Menschen, bei der wir wechselseitig auf uns reagieren können. Zum Beispiel, wenn wir mit Freund*innen oder Partner*innen reden und uns austauschen.

Katrin Döveling kennt sich unter anderem mit dem Thema parasoziale Beziehungen aus
privat
Katrin Döveling lehrt unter anderem Medienpsychologie an der Hochschule Darmstadt

Parasoziale Beziehungen in den Medien

Parasoziale Beziehungen haben wir nicht mit unseren Freund*innen oder Kolleg*innen, sondern mit Medienfiguren. Der eigentliche Unterschied: Medienfiguren können in der Regel nicht auf uns zurück reagieren. Beispielsweise bei einem Fußballspiel: Angenommen Rafael Borré von der Frankfurter Eintracht foult einen Gegenspieler. Vor dem Fernseher kannst du so laut „On nein!“ schreien wie du willst - Rafael Borré bekommt das natürlich nicht mit und kann auch nicht darauf reagieren. Das ist ein klassischer Fall einer parasozialen Interaktion. Für dich fühlt sich das wie eine normale Interaktion an. Katrin Döveling sagt, dass parasoziale Beziehungen nicht pathologisch – also krankhaft seien. Wir alle würden in irgendeiner Form auf Medienfiguren reagieren. Das würden Menschen grundsätzlich machen, weil wir in dem Moment sogar oft vergessen würden, dass wir eigentlich auf einen Bildschirm reagieren. Obwohl wir vor dem Handy oder Fernseher wissen müssten, dass diese Beziehung einseitig ist, denken wir, wir sind mit der Person befreundet.

Parasoziale Beziehungen sind etwas ganz Menschliches.

Wir wollen wissen:

Bist du dir parasozialer Beziehungen bewusst?

Hattest du auch schon mal das Gefühl gehabt, einer prominenten Person sehr nah zu sein, gar eine Bindung zu ihr aufzubauen?

Schreib uns auf: 

Instagram

Facebook 

Wann werden parasoziale Beziehungen pathologisch?

Wenn Fans zu sehr in die Medienwelt eintauchen, kann es krankhaft werden. Besonders dann, wenn sie dann auch noch etwas von der Medienfigur erwarten. Ein Beispiel: Wenn jemand einen Brief an einen Serienstar schreibt und eine Antwort erwartet. Außerdem könne es pathologisch werden, wenn ein einsamer Mensch von morgens bis abends einer Medienfigur folgt, sagt Katrin Döveling.

Welche Rolle Social Media und KI spielen

Durch Social Media wandele sich gerade viel. Dadurch, dass Influcener*innen aber die Möglichkeit haben auf Kommentare oder Chats in einem Livestream zu reagieren, sei das keine parasoziale Beziehung mehr. Den Influencer*innen können ja direkt mit ihrem Publikum interagieren.  

So geht Kira Geiss mit parasozialen Beziehungen um

Seit Kira Geiss „Miss Germany 2023“ ist, ist es für sie normal, dass Leute an ihrem Leben teilnehmen wollen, dass Leute sich ständig für sie interessieren. Für sie sei das auch ein Privileg. Trotzdem gebe es für sie Grenzen.

Kira Geiss

Kira Geiss hat 2023 den Wettbewerb „Miss Germany gewonnen. Mit über 35 Tausend Follower*innen auf Instagram hat sie eine große Community. Auf ihrem Kanal spricht sie auch über ihren Glauben. Außerdem hat sie vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Bitter Süße Realität“ rausgebracht.

Parasoziale Beziehungen finden Kiras Meinung nach ganz unterschiedlich statt. Es gebe die einen, die alles glauben und kaufen, was ein Influencer posten würde. Einfach, weil sie das Gefühl hätten, sie könnten der Person vertrauen. Sie selbst appelliert dazu, Dinge zu hinterfragen. Zum Beispiel warum man einer Person folgt.

So weit können parasoziale Beziehungen gehen

Parasoziale Beziehungen könnten aber auch ins Real Life überschwappen. Kira Geiss musste auch schon negative Erfahrungen machen. Beispielsweise Stalking-Erfahrungen, wo Leute sie bis nach Hause verfolgt hätten. Oder sich in einem Café zu ihr an den Tisch gesetzt hätten und dachten, sie könnten mit ihr reden. Das wären auch fremde Männer gewesen. „Es gab Situationen, wo ich Angst hatte, weil ich den Menschen ja noch nie gesehen habe.“ 

Auch bei Fernsehshows oder einem roten Teppich merkt sie das – sowohl davor als auch danach. Einige möchten dann ein Autogramm oder Foto mit ihr. Einmal ist ein Fan zu ihr ins Auto gesprungen ist, in der Hoffnung noch irgendwie ein Autogramm oder Foto zu kriegen. Deswegen hat sie auf größeren Events auch immer eine Person dabei, die nach ihr schaut.

Parasoziale Beziehungen gaukeln einem aber auch ein bisschen vor.

Das merke Kira auch. Ohne böse Absicht kämen Fans ihr sehr nah. „Da muss ich gucken, dass ich da Grenzen setze und klar kommuniziere, wenn es mir zu viel ist.“ Deswegen hält sie ihr Privatleben auch aus der Öffentlichkeit raus: Zum Beispiel ihr Beziehungsleben, oder ihre Familie. Auch für ihre eigene Gesundheit. Sie nimmt aber auch auf ihre Community Rücksicht: Dinge, die anderen Leuten schaden könnten, teilt sie nicht. Wie viel Sport sie gemacht hat oder Kalorienangaben.

Sie gewann 2023 Miss Germany: Kira Geiss
privat
Kira Geiss ist Influencerin und Autorin

Für Kira sind parasoziale Beziehungen per se auch nicht krankhaft. Viele Leute würden nicht wissen, dass sie parasoziale Beziehung zu bestimmten Personen haben, und dass man diese hinterfragen müsse. Außerdem dürfen parasoziale Beziehungen nicht Überhand im Alltag nehmen.

Künstliche Intelligenz und parasoziale Beziehungen

Das Thema Künstliche Intelligenz sei in der Medienpsychologie noch viel zu wenig erforscht, weil es so aktuell ist. Aber es sei hochspannend. Katrin Döveling glaubt, dass sich vieles ändern wird. Zum Beispiel, wie wir künftig mit Avataren agieren werden und wie Avatare künftig mit uns agieren werden.

Da mischt sich die parasoziale Interaktion mit der orthosozialen

Man dürfe aber nicht vergessen, dass das nach wie vor ein Computerprogramm sei. Trotzdem: „Viele warten auf einen Menschen, mit dem man reden kann. Und da kann es durchaus hilfreich sein, für eine gewisse Zeit auch hier eine Ergänzung durch die KI vorzunehmen.” Eine KI könne aber niemals eine tatsächliche Interaktion mit einem realen Menschen ersetzen. Sie könne eine Ergänzung in gewissen Lebensphasen sein, wie Hilfe benötigt werde. In der menschlichen Interaktion spielten mehrere Aspekte eine wichtige Rolle – auf emotionaler Ebene. Wenn es um Mimik, Gestik, Haptik geht. Es gehe auch mal um eine Umarmung und das könne KI zum Glück noch nicht, merkt Katrin Döveling an.