Gesellschaft

Fledermäuse willkommen! Wie Kirchen den Tieren helfen.

Ein Langohr-Fledermausbabys krallt sich an einem Daumen fest
Kerstin Krämer

Kirchen sind ideale Quartiere für Fledermäuse. Eigentlich. Wie Gemeinden den Tieren helfen können, zeigt Nabu-Fledermausbotschafterin Annette Schwartz.

Annette Schwartz lässt den Lichtkegel ihrer Taschenlampe über den Dachboden der Queichhambacher Kirche streifen. Plötzlich hält sie inne, geht in die Hocke, zeigt auf einen unscheinbaren grauen Kotkrumen. „Das ist jetzt eine verräterische Spur vom Langohr, da sind auch Flügelreste vom Insekt, die lässt das Langohr einfach fallen“, sagt Schwartz. Der Beweis für Fledermäuse im Dachstuhl.

Fledermäuse in der Kirche

Schwartz ist ein Fan der nachtaktiven Säuger. 2012 hat sie sich zur Fledermausbotschafterin im Naturschutzbund Deutschland ausbilden lassen. „Ich will die Fledermaus dem Menschen näher bringen, Interesse wecken, sie zu schützen“, sagt die 66-Jährige. So kam sie mit der Kirchengemeinde Queichhambach in Kontakt.

In einem von der Europäischen Union geförderten Projekt ging es darum, Quartiere der großen Mausohren, einer Fledermausart, zu finden. Diese hält sich wiederum vorwiegend in Dachböden von Kirchen auf. Rund 70 Dachböden in der Südpfalz inspizierte Schwartz deshalb. Eben auch in Queichhambach, wo sie mit dem damaligen Presbyter Rudolf Wild einen Unterstützer fand.

Für die Fledermäuse: Fenster verdunkeln

Rudolf Wild sieht sich ein verdunkeltes Fenster an
Florian Riesterer
Rudolf Wild inspiziert ein verdunkeltes Fenster im Kirchendachboden

Aus seinem Amt hat sich der 80-Jährige aus Altersgründen mittlerweile verabschiedet. Um nach den Fledermäusen zu sehen und die Turmuhr nachzustellen, geht der ehemalige Kirchendiener aber immer noch auf den Dachboden. Wild zieht eine Luke auf, lässt die schmale Leiter herunter.

Am Anfang sei im Presbyterium schon diskutiert worden, gibt er zu. Sollen wir das machen, verschmutzen uns die Tiere nicht den Raum? Aber diese Bedenken habe Frau Schwartz ausgeräumt. Die Gemeinde richtete den Dachboden fledermausgerecht her.

Wild zeigt auf eine Konstruktion, die ein schmales Fenster hoch oben im First verkleinert. Eine der Einflugschneisen der Fledermäuse, verraten Kotspuren. „Auf diese Weise kommen zwar Fledermäuse rein, aber keine Tauben“, sagt Schwartz. Das darunter liegende Fenster hat die Kirchengemeinde mit Pappe von innen verdunkelt. Denn die Tiere mögen es bekanntermaßen dunkel.

Unterschlupf hinter Brettern

Zwei Fledermauskästen hängen auf dem Dachboden der Kirche Queichhambach
Florian Riesterer
Fledermauskästen im Dachboden der Kirche Queichhambach dienen den Tieren als Wohnstube

Schwartz leuchtet den Boden entlang. Immer wieder entdeckt sie Kotkrümel, die von ihrer Größe auf einzelne Fledermausarten hindeuten. Zwergfledermäuse, vielleicht auch Grauhautfledermäuse oder Langohren, vermutet die Expertin.

An den Dachbalken hängen Konstruktionen aus Brettern. „Spaltkästen“ nennt sie Schwartz. Sie dienen den Tieren als Wohnstuben. Aber auch hinter Brettern, die die Kirchengemeinde über Eck genagelt hat, können die Tiere Unterschlupf finden. Ob sie die Wohnungen auch annehmen, lasse sich schwer voraussagen. In Albersweiler habe die örtliche Gemeinde vieles dafür getan, bisher ohne Erfolg. „Das kann Jahre dauern, bis eine Fledermaus ein Quartier annimmt. Man braucht da sehr viel Geduld“, sagt Schwartz.

Ob in Queichhambach derzeit Fledermäuse sind? Schwer zu sagen, erklärt Schwartz. „Entweder haben sie sich gut versteckt oder sie sind grad nicht da“, klärt sie auf. Fledermäuse haben verschiedene Quartiere. „In der Zeit der Wochenstube, also wenn Sie Jungen haben, wechseln Zwergfledermäuse ihr Quartier alle zwei bis drei Wochen. Dann nehmen sie ihr Junges mit, hängen sie an den Bauch, und fliegen ins Alternativquartier.“

Fledermausexpertin Annette Schwartz im Turm der Kirche Queichhambach
Florian Riesterer
Fledermausbotschafterin Annette Schwartz zeigt, wie Fledermäuse in den Kirchturm kommen.

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Kotkrümel verraten Fledermäuse

Die Fledermausexpertin inspiziert mit Rudolf Wild den Kirchturm, der mit dem Dachboden verbunden ist. Auch hier entdeckt sie Kotkrümel – unter den Schallschutzlamellen der Fensterläden im Glockenstuhl. „Die sind ideal für den Einflug, breit genug für die Mausohren, die Tiefe ist auch gut“, sagt Schwartz und steckt zur Demonstration ihre Hand hindurch. Vor allem aber sind sie innen unvergittert. Das sei in den meisten Türmen leider nicht der Fall. „Und dann ist kein Einflug möglich.“ Zur Taubenabwehr sei das Gitter nicht nötig, sagt Schwartz. „Die Vögel kommen da eh nicht rein.“

Der größte Feind der Fledermaus: der Mensch

Fledermauskot liegt auf einem Holzbalken
Leonie Mändler
Fledermauskot auf dem Dachboden der Kirche Queichhambach

Oftmals machten sich die Verantwortlichen keine Gedanken um das, was sie tun. „Und wenn man sie darauf anspricht, erntet man plötzlich Verständnis.“ Denn alle Fledermausarten sind bedrohtGrößter Feind der Fledermäuse sei neben Katzen, Eulen oder dem Marder vor allem der Mensch. Etwa wenn Kirchen so saniert würden, dass sie völlig hermetisch abgedichtet seien, sagt Schwartz. „Oder Kirchen verkauft werden und dann die Nutzung eine ganz andere ist – und zum Beispiel so ein Dachboden ausgebaut wird.“ Dabei schlössen sich eine regensichere Sanierung und mögliche Einfluglöcher nicht aus.

Lebensraum für Fledermäuse

Wer Fledermäusen etwas gutes tun will, sollte folgendes beachten:

  • Gelände insektenfreundlich bepflanzen, wenn möglich Totholzhaufen liegen lassen,

  • Gebäude nachts nicht beleuchten,

  • Fledermauskästen aus unbehandeltem, rauen Holz bauen.

Mehr zum Fledermausschutz und was Kirchen tun können, hat die Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der pfälzischen Landeskirche zusammengetragen.

Ein anderes Thema sei die Lichtverschmutzung, etwa bei der Beleuchtung von Kirchen oder angrenzenden Straßen. 300 Insekten frisst eine Fledermaus pro Nacht. Weil die Insekten wie „ein Staubsauger“ in die nächtlichen Lichtkegel gezogen würden, fehlten sie im Dunkeln – dort, wo die fliegenden Säuger auf Nahrungssuche gehen. „Das sind Zusammenhänge, die man so gar nicht auf Anhieb erkennt.“

Beim Abstieg entdeckt Schwartz noch tiefe Ritzen im nicht verfugten Sandstein des Turms. „Ideale Winterquartiere, frostfrei, so um die sechs bis neun Grad mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit.“ Anders als im Sommer, wo es die Tiere warm und nicht zu feucht mögen. Auf ihrer Suche nach Winterquartieren in Stollen, Erdkellern und Bunkern flögen die Tiere 200 bis 300 Kilometer, sagt sie.

Fledermäuse in zwei Drittel der Kirchen der Südpfalz

Für Schwarz sind die Bedeutung von Kirchen als Fledermausquartiere nicht hoch genug einzuschätzen. Bei ihrem Streifzug durch die Kirchendachböden der Südpfalz konnte sie in  gut zwei Drittel der Kirchen Fledermäuse nachweisen. „Das ist schon eine enorme Zahl“. Mit ein Grund: Die Gebäude stehen oft schon seit Jahrhunderten in der Landschaft. „Und Fledermäuse sind sehr ortstreu. Wenn sie sich irgendwo wohlfühlen, das sind die jahrzehntelang drin. Sie geben die Information von Generation zu Generation weiter.“ So seien Quartiere bekannt, die es seit 60, 70 oder gar 80 Jahren gibt.