Gesellschaft

Fromm, schwul, Papa: Michas langer Weg zum Familienglück

Micha sitzt im Studio von Alpha & Omega und lächelt in die Kamera.
Evangelisches Medienhaus Stuttgart
In der Sendung Alpha&Omega erzählt Micha von seinem langen Kampf um ein Familienleben.

Micha wächst in einem streng religiösen Umfeld auf und kämpft jahrelang mit seiner sexuellen Identität – und seinem großen Kinderwunsch.

Dass er eines Tages selbst Vater werden möchte, wusste Micha schon früh: „Ich bin mit drei Geschwistern aufgewachsen, bin Erzieher von Beruf – und mein Kinderwunsch war schon immer sehr groß“, erzählt er. Damals ahnt Micha noch nicht, wie lang und zermürbend der Weg zur eigenen Familie werden würde.

Bin ich schwul?!

Mit 14 Jahren merkt Micha zum ersten Mal, dass er auf Jungen steht. In der streng religiösen Missionarsfamilie, aus der er stammt, ein absolutes Tabu. „Ich dachte, das wäre nur eine Phase und würde wieder vorbeigehen“, erinnert er sich heute. „Mit 19 habe ich dann gemerkt, dass es keine Phase ist.“

Ich habe gemerkt, dass ich ein ernsthaftes Problem habe.

Mit dieser Erkenntnis beginnt für Micha ein jahrelanger innerer Kampf.

Der religiöse Druck macht krank

In dem Umfeld, aus dem ich komme, war immer klar, dass Homosexualität eine Sünde ist und nicht sein darf. Sie galt als Krankheit – aber eben auch als heilbar“, sagt Micha. 

Micha im Studio der Sendung Alpha & Omega
Evangelisches Medienhaus Stuttgart

„Ich habe viele Geschichten gehört von Männern, bei denen das angeblich funktioniert haben soll. Und ich wollte immer gottgefällig leben“, sagt Micha heute kopfschüttelnd. Nicht nur die religiöse Erziehung, auch sein starker Kinderwunsch treiben ihn dazu, seine Sexualität verändern zu wollen. „Für mich war es der Satan, der mir homosexuelle Gedanken in den Kopf setzt.“

Konversionstherapie – eine fragwürdige Praxis

Micha nimmt an sogenannten „Konversionstherapien“ teil. Das ist eine hoch umstrittene Praxis, die in mehreren Ländern inzwischen verboten ist. „Ich habe dann so komische Aufgaben bekommen, wie mit Mädchen zu flirten oder sogar eine Beziehung zu beginnen.“ Micha macht alles mit – doch nichts hilft.

Stattdessen wird er pornosüchtig, fühlt sich wie ein Außenseiter und sein psychischer Zustand verschlechtert sich zusehends: „Ich hatte keinen Selbstwert mehr“, erinnert er sich. „Manchmal bin ich in den Wald gerannt, habe mich auf den Boden geworfen und so lange geweint und geschrien, bis ich nicht mehr konnte.“

Das Coming-out: Endlich die Wahrheit sagen

„Irgendwann war es unvermeidlich, dass ich mich oute“, erzählt Micha. „Die Angst war zu groß. Was ist, wenn es herauskommt? Wenn mich meine Gestik oder Mimik verrät?“ Als sich ein Christ aus dem Nachbarort outet, fasst Micha all seinen Mut zusammen – und folgt seinem Beispiel. Anfang 2016 erzählt er innerhalb von sechs Wochen seinem gesamten Freundes- und Familienkreis, dass er schwul ist.

Bei „Zwischenraum“ findet Micha Anschluss

Anschluss zu Gleichgesinnten findet Micha bei „Zwischenraum“, einem Verein für queere Christ:innen. Zum ersten Mal fühlt er sich verstanden – und hier begegnet er auch seinem heutigen Mann. Bereits beim ersten Treffen spricht Micha offen über seinen großen Kinderwunsch.

Der Weg zur Pflegefamilie

Nach der Hochzeit und dem Einzug ins gemeinsame Haus stellt sich bald wieder die Kinderfrage.

Micha überzeugt seinen Mann davon, sich beim Jugendamt als Pflegeeltern zu bewerben. Anfangs ist dieser skeptisch, denn ein Pflegekind kann jederzeit wieder aus der Familie genommen werden. Doch die Sehnsucht ist größer als die Angst. Der gemeinsame Wunsch: „Wir wollen einem Kind ein Zuhause schenken, das sonst in einem Heim oder einer Wohngruppe leben müsste.“

So werden schwule Paare in Deutschland Eltern

In Deutschland nehmen schwule Paare vor allem Pflegekinder auf – diese Möglichkeit besteht bereits seit den 1990er-Jahren. Das Recht auf Adoption haben gleichgeschlechtliche Paare erst seit der Einführung der „Ehe für alle“ im Jahr 2017.

Um leibliche Kinder zu bekommen, sind Männerpaare auf eine Leihmutter angewiesen. Leihmutterschaft ist in Deutschland gesetzlich verboten, weshalb viele Paare auf Angebote im Ausland zurückgreifen.

Eine neuere Entwicklung ist das sogenannte Co-Parenting: Dabei schließen sich Menschen zusammen, um gemeinsam ein Kind großzuziehen – ohne dabei ein Liebespaar zu sein.

Die formalen Schritte zur Pflegeelternschaft

Mit einer E-Mail ans Jugendamt beginnt für Micha und seinen Mann die Reise zum Pflegekind. Die beiden müssen Bewerbungsunterlagen ausfüllen, Führungs- und Gesundheitszeugnisse vorlegen, Infoveranstaltungen besuchen und einen Qualifizierungskurs absolvieren.

Auch sehr persönliche Informationen zu Beruf, Beziehung und Erziehungsvorstellungen werden abgefragt. Ihre Lebensgeschichte muss handschriftlich verfasst werden – ein intensiver bürokratischer Prozess, den Micha gelassen sieht: „Andere sind schwanger und bereiten sich dadurch auf ein Kind vor.“

Der Tag, an dem der Anruf kommt

Und dann geht alles ganz schnell. Kaum ist die Bewerbung abgeschlossen, meldet sich das Jugendamt: „Würden Sie einen dreijährigen Jungen aufnehmen?“ Das Kind zeige aggressives Verhalten gegenüber Frauen – eine Familien-Konstellation mit zwei Vätern wäre daher ideal. Micha und sein Mann zögern nicht lange. 2021 nehmen sie den Jungen als Pflegesohn auf.

Glück gefunden: Papa, Daddy und ein neues Zuhause

Für Micha erfüllt sich ein lang ersehnter Traum. Der kleine Junge hat ein neues Zuhause bei „Papa und Daddy“ gefunden. „Es gibt so viele Kinder da draußen, die dringend ein Zuhause brauchen“, sagt Micha. „Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Paare – egal ob homo- oder heterosexuell – sich überlegen, Pflegeeltern zu werden.“

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