Dass er eines Tages selbst Vater werden möchte, wusste Micha schon früh: „Ich bin mit drei Geschwistern aufgewachsen, bin Erzieher von Beruf – und mein Kinderwunsch war schon immer sehr groß“, erzählt er. Damals ahnt Micha noch nicht, wie lang und zermürbend der Weg zur eigenen Familie werden würde.
Mit 14 Jahren merkt Micha zum ersten Mal, dass er auf Jungen steht. In der streng religiösen Missionarsfamilie, aus der er stammt, ein absolutes Tabu. „Ich dachte, das wäre nur eine Phase und würde wieder vorbeigehen“, erinnert er sich heute. „Mit 19 habe ich dann gemerkt, dass es keine Phase ist.“
Ich habe gemerkt, dass ich ein ernsthaftes Problem habe.
Mit dieser Erkenntnis beginnt für Micha ein jahrelanger innerer Kampf.
„In dem Umfeld, aus dem ich komme, war immer klar, dass Homosexualität eine Sünde ist und nicht sein darf. Sie galt als Krankheit – aber eben auch als heilbar“, sagt Micha.
Micha nimmt an sogenannten „Konversionstherapien“ teil. Das ist eine hoch umstrittene Praxis, die in mehreren Ländern inzwischen verboten ist. „Ich habe dann so komische Aufgaben bekommen, wie mit Mädchen zu flirten oder sogar eine Beziehung zu beginnen.“ Micha macht alles mit – doch nichts hilft.
Stattdessen wird er pornosüchtig, fühlt sich wie ein Außenseiter und sein psychischer Zustand verschlechtert sich zusehends: „Ich hatte keinen Selbstwert mehr“, erinnert er sich. „Manchmal bin ich in den Wald gerannt, habe mich auf den Boden geworfen und so lange geweint und geschrien, bis ich nicht mehr konnte.“
„Irgendwann war es unvermeidlich, dass ich mich oute“, erzählt Micha. „Die Angst war zu groß. Was ist, wenn es herauskommt? Wenn mich meine Gestik oder Mimik verrät?“ Als sich ein Christ aus dem Nachbarort outet, fasst Micha all seinen Mut zusammen – und folgt seinem Beispiel. Anfang 2016 erzählt er innerhalb von sechs Wochen seinem gesamten Freundes- und Familienkreis, dass er schwul ist.