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Kirchentag

Fuckup-Night: Geschichten vom Scheitern mit AKK

Die drei Personen auf dem Podium sitzend.
Karsten Fink
Holger Schwiewagner, Annegret Kramp-Karrenbauer und Martin Benz bei der Fuckup-Night.

Welche Chancen stecken in Niederlagen? Die ehemalige Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer spricht darüber auf dem Kirchentag.

Hinfallen. Aufstehen. Krönchen richten. Klingt zwar super, ist in unserem Alltag aber eher ein Kalenderspruch, als gelebte Realität. Fuckup-Nights wollen zeigen, dass Scheitern ein natürlicher Teil des Lebens ist.

Scheitern in der Politik: Das finale Scheitern von Kramp-Karrenbauer

Davon kann Annegret Kramp-Karrenbauer ein Lied singen. Die politische Karriere der ehemaligen Ministerpräsidentin des Saarlands schien lange Zeit nur eine Richtung zu kennen. Auch in der Bundespolitik ging es aufwärts: Bundesverteidigungsministerin und weiter: „Die ersten Monate waren sehr spannend und gipfelten in einem persönlichen Erfolg, als es um die Frage des Parteivorsitzes ging“, sagt sie in der Fuckup-Night auf dem Evangelischen Kirchentag.

Annegret Kramp-Karrenbauer vorm Mikro
Karsten Fink
Annegret Kramp-Karrenbauer kann auf 30 Jahre professionelle Politik zurückblicken.

„Ich war gefühlt schon die Kanzlerin, auch ohne die Bundeswahl.“ Doch es kam anders als gedacht: Sie ist „krachend auf der Bühne und voll gescheitert“.

In „Zeiten der sozialen Medien“ sei es für sie besonders hart gewesen. Reflektiert schaut sie auf die Zeit damals. Viele Faktoren hätten eine Rolle gespielt: Die Umstände, eigene Fehler, „ein ungelungener Scherz, der Umgang mit Rezo“ und der CDU in Thüringen führt sie an.

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Wie sich die ehemalige Bundesverteidigungsministerin zurückgezogen hat

Damals hatte sie „das Gefühl, dass von mir ein Zerrbild, ein Avatar, gebaut worden ist, wie ich mich selbst gar nicht gesehen habe“. Sie sah keine Chance, diesen „Avatar zu zerschlagen. Und dann kam eine Zeit: harte Monate und harte Jahre“.

Annegret Kramp-Karrenbauer am Mikrofon
Karsten Fink
„In der Politik stellt man sich selbst als Person in die Öffentlichkeit. Und damit auch den Beurteilungen.“

Sie habe sich „eingeschlossen“ und sei „misstrauisch geworden“. Sie kam an einen Punkt, „wo ich mir offen eingestehen muss, ich bin vielleicht nicht die Richtige für die Aufgabe oder die Aufgabe ist nicht das Richtige für mich.“ In dem Moment habe sie entschieden: „Ich steige aus.“

Erfahrungen über Zurückweisung in der Politik

Nicht ihr prägendstes Scheitern in 30 Jahren Politik: 1998 war sie Direktkandidatin für den Bundestag. Sie war bereit dafür und hatte ihr Familienleben darauf ausgerichtet. „Ich war in vollem Lauf.“ Aber sie hat die Wahl nicht gewonnen. Sie beschreibt es als hätte sie jemand an einem „Gummiband“ zurückgezogen.

Was ist eine Fuckup-Night?

Bei einer Fuckup-Night sprechen Menschen öffentlich über ihr persönliches oder berufliches Scheitern. Das Format stammt aus Mexiko.

„Ich war total verzweifelt und habe geheult, wie nie zuvor.“ Die persönliche Zurückweisung habe sie verletzt. Deswegen habe sie lange überlegt, ob sie weiter Politik machen wolle und sich selbst zutraue so einer Situation wieder zu stellen.

Zwei Gedanken haben sie dazu bewegt, weiter zu machen:

  • „Ich verspüre so eine Leidenschaft und will etwas bewegen.“
  • „Ich habe das Schlimmste schon hinter mir. Also, wenn ich noch mal scheitere, dann habe ich das schon erlebt.“

Deswegen hat sie auch die Landespolitik verlassen und „den nächsten Sprung“ gewagt. Sie wolle sich selbst nichts vorzuwerfen haben.

Fehlerkultur in Deutschland nicht gesellschaftlich verankert

Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Podium in einem Sessel sitzend.
Karsten Fink
Eine Kultur des Scheiterns, wie in den USA wünscht sich Annegret Kramp-Karrenbauer auch für Deutschland.

In Deutschland sei Scheitern ein Stigma, sagt die Politikerin. Sie wünscht sich da einen Wandel: „Geschichten vom Scheitern sind nicht immer die einfachsten, aber die besten Geschichten. Aus diesen Situationen lernt man am meisten.“

Inzwischen überlässt Annegret Kramp-Karrenbauer die politische Bühne den Jüngeren. Das wirke in der öffentlichen Wahrnehmung zwar wie ein Scheitern, aber für „mich selbst war es die Entscheidung dieses Äußere ein Stück weit aufzugeben, um als Person ein Stück weit zu wachsen“. Sich selbst immer weiter zu verbessern, das sehe sie als Aufgabe von Christen-Menschen an.

Pastor Martin Benz auf dem Podium
Karsten Fink
Pastor Martin Benz rät: „Sprich über deine Narben, nicht über deine Wunden.“

Plötzlich verlassen: Wie das Leben von Martin Benz zerbricht

Martin Benz heiratet mit 18 Jahren seine Jugendliebe. Die beiden gründen eine schnell wachsende Gemeinde. Sie haben drei Kinder, ein Haus, sind wichtiger Teil ihrer Gemeinde. „Ich habe mich glücklich verheiratet gefühlt. Wir galten in unserem Umfeld als Familie Sonnenschein.“

Nach etwa 20 Jahren Ehe verlässt sie ihn von einem Moment auf den anderen. Als der Pastor Sonntag vom Gottesdienst nach Hause kommt, findet er einen Brief. Die gesamte Familie ist verschwunden. Monatelang hatte seine Frau eine Affäre.

Jetzt stand ich da vor den Trümmern meiner Ehe.

Das hat es für Martin Benz noch einmal schwerer gemacht. Er sagt: „Im folgenden Jahr habe ich jeden Tag alle Tränen vergossen, die ich hatte.“ 

Pastor Martin Benz vor dem Mikrofon
Karsten Fink
„Ich habe mich aus der Opferrolle hinaus begeben.“

Eine von seinen stützenden Lebenssäulen brach weg. Und als Pastor einer Freikirche hätten es mit dem Wegfall der Familie noch mehr sein können:

  • der Job
  • finanzielle Sicherheit
  • gesamtes soziales Umfeld

Aber seine Gemeinde habe ihm zur Seite gestanden.

Hilfe beim Scheitern: Therapie suchen

Für den heutigen Podcaster Martin Benz war klar: „Ich habe sofort eine Therapie angefangen.“ Er wollte herausfinden, welche Rolle er beim Scheitern der Beziehung gespielt hat. 

Die Welt ist für ihn zwar „zusammengebrochen“, aber es gab „zum Glück keinen Fall ins Bodenlose“. Er hatte den Luxus, sich zurückziehen zu können. Wie gehe er nun um mit dem „Stigma“ ein Geschiedener, nicht mehr makellos zu sein?

Trennung als Chance für die eigene Identität

Pastor Martin Benz bei der Fuckup-Night vorm Mikro
Karsten Fink
Für den Pastor muss Kirche der barmherzigste Ort sein. „Es kann nicht sein, dass es in dem im Umfeld es so schwierig ist, zu scheitern.“

Er empfand diesen Prozess der Identitätsfindung als sehr heilsam. Er habe dadurch gelernt: „Du kannst nur an dir selbst arbeiten nicht an anderen. Und ob meine Veränderung was bewirkt kann niemand garantieren. Aber es geht nicht um Garantien sondern darum, es zu versuchen.“

Geholfen habe ihm auch die Vorstellung, „Gott kann aus Trümmern Paläste bauen. Ich bin jetzt wieder glücklich“. Er habe mit seinem Glauben, Gott und seiner ehemaligen Frau Frieden gefunden. 

Holger Schwiewagner auf dem Podium
Karsten Fink
Holger Schwiewagner arbeitet seit 2006 für die SpVgg Greuther Fürth.

Scheitern im Profi-Fußball mit dem Verein Greuther Fürth

Im sportlichen Wettbewerb gibt es immer nur eine Seite, die gewinnt. Sieg und Niederlage gehören zum Fußball dazu. Das weiß auch Holger Schwiewagner. Er ist Geschäftsführer der Spielervereinigung Greuther Fürth und Mitglied im Präsidium der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Der Fußballverein spielt in der zweiten Bundesliga.

Holger Schwiewagner bei der Fuckup-Night vorm Mikro
Karsten Fink
Die Analyse, warum der Verein Abstiegsnot gekommen sei, sei nötig gewesen. Aber auch schmerzhaft.

Bei der Fuckup-Night auf dem Kirchentag berichtet er von der Spielsaison 2017/2018. Einer Saison, die „geprägt war von Abstiegsangst, von Existenzängsten und der Wahrscheinlichkeit zu scheitern“. Denn die Mannschaft konnte nur selten gewinnen. Auswärts war sie noch schlechter.  

Jobs im Profi-Fußball: Nicht nur Spieler:innen

Im Fokus für den Manager dabei: Nicht die Spieler der Mannschaft, sondern diejenigen, deren Jobs und Existenzen an der Mannschaft hängen. Das seien die Fans, aber auch Hunderte Mitarbeitende im Verein.

Damals hätten Menschen in der Stadt die Holger Schwiewagner begegneten „die Blicke abgewendet“. Manchmal sei ihm auch „offener Hass entgegengeschlagen“. Auch ihm habe die Situation Angst gemacht und „in der Verantwortung gegenüber den vielen Menschen und mir selber“ offen darüber gesprochen.

Holger Schwiewagner bei der Fuckup-Night
Karsten Fink
„Beim Fußball geht es nicht darum, dass Bayern München Meister wird, sondern um die Menschen, die am Verein hängen.“

Diese Situation sei ihm „an die Nieren gegangen“. Aber er habe auch beobachtet, dass aus dieser Notlage eine „Gemeinschaft entstanden“ ist. „Wir haben uns gemeinsam eingeschworen.“

Die Fußballer seien zwar verantwortlich für das Spielergebnis, trügen dabei aber auch „die Last für mehrere 100 Arbeitsplätze“. Der Manager Schwiewagner betont: „Wir haben ihnen das Signal gegeben, wir stehen hinter euch. Aber, wir müssen auch gemeinsam wieder aufstehen.“ 

In dieser Zeit habe er gelernt welche Stärke in der Gemeinschaft stecken kann. Deswegen wünscht er sich, dass „jeder ein stückweit von seiner persönlichen egoistischen Position abrückt“ und „für die Gemeinschaft“einsteht.

Annegret Kramp-Karrenbauer und Gofi Müller bei der Fuckup-Night
Karsten Fink
Gespräche übers Scheitern in der Fuckup-Night auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag

Der Künstler und ehemalige Pastor Gofi Müller kann innerhalb der kirchlichen Jugendarbeit auf eine schnell wachsende Karriere zurückblicken. Dafür ist er von Bielefeld nach Marburg umgezogen. „Ich bin durch den ganzen deutschsprachigen Raum gereist und habe Jugendveranstaltungen gemacht.“ 

„Bei meinem Sohn stimmt was nicht“

Gofi Müller bei der Fuckup-Night vorm Mikro
Karsten Fink
„Die Liebe hilft dabei nicht kaputt zu gehen“, sagt Gofi Müller.

Währenddessen heiratete er und die Familie bekam zwei Kinder. Bei beiden Söhnen stellt sich heraus: Sie haben Autismus. Das hat für die Familie und für Gofi Müller alles verändert. 

In der Gesellschaft gelten bestimmte Konventionen“, sagt er. Aber wenn „du dich nicht daran halten kannst, dann bist du ziemlich schnell außen vor. Und das war bei uns so“.

Brüche im Leben und mit Gott

Gofi Müller bei der Fuckup-Night am Mikrofon
Karsten Fink
„Es war nicht leicht, unsere Familie zu integrieren. Wir waren auf einmal am Rand unseres bisherigen Lebens.“

Damals gab es für ihn viele Brüche, auch mit seinem Glauben an Gott und seinem Lebensweg. Er beobachtete an sich die Symptome eines Burn-Outs: „Ich wurde zynisch, ich konnte die Veranstaltungen nicht mehr ertragen, alles war für mich dasselbe.“ Das war „schon ein Fuckup“.

Ihm habe die Kunst aus der Situation geholfen. Er habe „Texte geschrieben,  gemalt, alles mögliche“ gemacht. Nun ist das sein Beruf.

Ihm ist bewusst, dass er als Künstler vermutlich keine steile Karriere machen werde: „Ich bin mir sicher, viele von euch kennen mich gar nicht“, sagt er in der Fürther St. Paul Kirche. Aber, was „ich entdeckt habe: Wie gut es ist, wenn man bei sich selbst bleibt“. Das sei eine Form von Gesundheit.

Was mache ich nie wieder?

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