Anzeige
Anzeige
Neustart

Flucht vor dem Ehemann in Dubai: Obdachlos in Frankfurt

Dubai Skyline
gettyimages/mason01
Maria hat ihren Traum wahr gemacht: Sie hat sich mit ihrem Sohn Leo ein Leben in Dubai aufgebaut.

Es klingt wie ein Krimi: Maria, erfolgreiche Maklerin, plötzlich im Gefängnis in Dubai. Rettung und Flucht zurück nach Deutschland. Doch nun?

Alles läuft gut für Maria (Name von der Redaktion geändert). Die Deutsche arbeitet als erfolgreiche Immobilienmaklerin in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Als sie sich verliebt, scheint ihr Glück perfekt zu sein. Sie heiratet. Gemeinsam baut sie mit ihrem Mann eine Firma auf, genießt die Sonnenseiten des Lebens in Dubai.

Mutter und Sohn
privat
Maria und ihr Sohn Leo. Die beiden kämpfen sich aus der Obdachlosigkeit heraus und beginnen ein neues Leben.

Doch das Glück bekommt Risse. Sie will sich trennen. Die Polizei nimmt Maria fest. Der absurde Vorwurf: Außerehelicher Beischlaf. Das ist in dem arabischen Land eine Straftat. Ihr Ehemann wirft Leo, ihren Sohn aus einer früheren Beziehung, aus der Wohnung (auch den Namen vom Sohn haben wir geändert).

Haft in Dubai - Wie das Land verlassen?

Leo muss das Überleben auf der Straße alleine gelingen. Das Konsulat empfiehlt ihm, das Land zu verlassen. Doch ohne seine Mutter geht er nicht.

Monatelang ist er verzweifelt. Eine schicksalhafte Begegnung bringt Leo mit dem Sohn eines Staatsanwaltes zusammen. Dieser hilft den beiden. Holt Maria nachts aus dem Gefängnis und fährt beide auf direktem Weg zum Flughafen. Von dort geht es zurück nach Deutschland.

Flucht aus Dubai: Was bleibt von dem Leben?

Drei Monate hat der Alptraum von Mutter und Sohn gedauert. Doch er ist in diesem Juni 2011 nicht zu Ende. Leo hat in Dubai seine Freundin zurücklassen müssen. Seine Freunde, sein bisheriges Leben.

Die beiden landen in Frankfurt mit nichts außer Marias Handtasche und der Kleidung, die sie tragen. Die beiden sind plötzlich obdachlos und stehen vor der Frage: „Was machen wir jetzt?“

Nach der Flucht aus Dubai: Gilt das arabische Recht auch hier?

Der erste Gang führt Maria zu Interpol. Dort will sie von dem sichtlich irritierten Beamten wissen, ob sie mit internationalem Haftbefehl gesucht werde, ob ihr Ehemann doch von ihrer Flucht erfahren hat. Mehrfach muss der Polizist ihr versichern, dass dies nicht der Fall ist. Maria will es nicht wahrhaben.

Ohne die Diakonie hätte ich es nicht geschafft.

Maria

Was machen Maria und Leo? Die erste Station für Mutter und Sohn ist die Bahnhofsmission im Hauptbahnhof. Denn sie haben kein Geld, die Konten sind gesperrt. „Wo geht man in Frankfurt hin, wenn man obdachlos ist?“

Die beiden treffen auf hilfsbereite, ihnen zugewandte Menschen. Sie bekommen eine Nacht in einem Hotelzimmer für 35 Euro gestellt. Außerdem sollen sie morgen früh den Tagestreff „Weser5“ der Diakonie  Frankfurt und Offenbach aufsuchen.

Selfie vom Sohn
privat

Bei „Weser5“ erhalten Maria und Leo nicht nur Essen für ihre hungrigen Mägen. Sie erfahren eine Hilfsbereitschaft, die Maria noch heute sprachlos macht. Ohne die Diakonie, sagt die dunkelhaarige Frau, hätten sie es nicht geschafft, wieder auf die Beine zu kommen.

Diakonie hilft bei Obdachlosigkeit

„Weser5“-Mitarbeiter Matthias Roth habe ohne große Worte die Kleiderkammer geöffnet. Eine Kollegin habe eine Tüte mit Lebensmitteln und nützlichen Dingen wie Tellern und Tassen gepackt. Wächst Maria der Papierkram über den Kopf, helfen die Diakonie-Mitarbeitenden sofort.

Auch als es darum geht, dass Leo so schnell wie möglich Anschluss in der Schule finden muss, ist die Diakonie da. Sie unterstützt den damals 15-Jährigen, wo es nur geht: Sie versorgt ihn mit Schulmaterial, einem Rucksack, Anorak und Jeans. Eine ungewohnte Situation für die ehemalige Maklerin. Hilfe anzunehmen, das habe sie erst lernen müssen, sagt Maria.

Neustart in Deutschland: Wenig Geld zu Weihnachten

Die Diakonie ist es auch, die Maria auffängt, als es auf Weihnachten zugeht und ihre Kräfte schwinden. In ihrem engen trostlosen Zuhause, in dem es kaum Möbel und nur eine kleine Kochplatte in der Mitte des Raumes gibt, fällt ihr die Decke auf den Kopf. Weihnachtsstimmung macht sich nicht breit.

Eines Tages schlendern Mutter und Sohn über den Weihnachtsmarkt. Gegen alle Vernunft suchen sie ihr weniges Geld zusammen, um sich einen Glühwein zu gönnen: „Ich wollte einfach einen Schluck nehmen, um das Gefühl, den Geruch, um die Atmosphäre von Weihnachten zu spüren. Da haben wir beide auch erkannt, welches Glück wir doch hatten.“ Maria sagt heute, wenn sie auf ihr Leben schaut: „Ich war ganz oben, und ich war ganz unten“.

Flucht vor dem Ehemann hat das Leben für immer verändert

Interview mit Maria
Carina Dobra
Maria (rechts) erzählt Redakteurin Stefanie Bock (links) von ihrer Zeit im Gefängnis und ihrem Neustart in Frankfurt.

Mittlerweile ist mehr Ruhe eingekehrt in das Leben von Maria und Leo. Auch wenn die Corona-Pandemie Leo ein wenig ausgebremst hat. Seinen Job auf dem Rhein-Main Flughafen hat er verloren. Doch aufgeben kennt der junge Mann nicht. „Ich habe eins gelernt: Auf mich zu hören und nicht auf das, was andere Menschen sagen, was andere denken, dass es für mich gut ist“, lautet sein Ratschlag für alle, die in ihrem Leben mal nicht weiter wissen.

„Hätte ich in Dubai auf die Botschaft gehört und das Land verlassen. Wer weiß, was dann aus uns geworden wäre“, so Leo. Immerhin sei seine Mutter vor allem aus der Haft entlassen worden, weil sie vor Ort ein minderjähriges Kind gehabt hätte. „Die arabische Mentalität ist ja sehr auf Kinder bezogen“, so Leo.

Du findest die Gesichte von der Flucht auch so berührend, wie wir? Dann teile sie doch in den sozialen Medien. Gerne auch über unsere Profile auf: 

Instagram

Facebook

Twitter

Was würde sich Leo wünschen, wenn er einen Wunsch frei hätte? Ein unbeschwertes Leben ohne finanzielle Sorgen. „Ich habe erlebt, wie schnell man alles verlieren kann, auch ohne, dass man was falsch gemacht hat. Wie schnell es gehen kann, dass alles weg ist“, sagt er.

Die selbstbewusste Immobilienmaklerin ist zerbrechlicher, ihr Kind ist zu einem Mann geworden. Sie kämpft mit den Erinnerungen. Auch wenn das Erlebte mit der Zeit seinen Schrecken verliert, ihre Ängste schwächer werden, macht sie Therapien. Dass ihr Sohn sie gebrochen gesehen hat, wie sie sagt, nagt an Maria. An einer Sache lässt sie aber keinen Zweifel: „Hätten mir die Leute von der Diakonie nicht geholfen, dann weiß ich nicht, was passiert wäre“.