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Kirche und Politik

Wald statt Asphalt: Protest gegen Autobahnbau A66/A661

DIe Kirche vermittelt im Streit um den Autobahnausbau in Frankfurt
Angela Wolf
Im Frankfurter Riederwald protestieren Menschen gegen den Autobahnausbau

Der Riederwaldtunnel in Frankfurt ist ein Stadtautobahnprojekt aus den 1960er-Jahren. Der jetzige Baubeginn stößt auf Widerstand, auch bei der Kirche.

Neuerdings kommt Bewegung in die bisher verhaltenen Proteste zum Bau der Stadtautobahn im Frankfurter Stadtteil Riederwald. Wo die Bürgerinitiative Riederwald bei ihren vielen Kundgebungen und Demonstrationen um rege Teilnahme bangte, erfährt sie nun Unterstützung auf höchstem Niveau. Im so genannten Teufelsbruch, einem kleinen Forst östliche der Borsigallee, sind Baumbesetzer eingezogen.

Wir sind gekommen, um zu bleiben!

sagt der junge Mensch, vermummt und voller Überzeugung. Etwa zehn Aktivisten sind damit beschäftigt, Nägel aus Paletten zu hebeln, brauchbares Bauholz von unbrauchbarem zu trennen. „Nachdem die Polizei auf uns aufmerksam wurde, haben sie beim ersten Besuch alle Baummaterialien beschlagnahmt. Das ist ärgerlich, aber einkalkuliert.“ Die Umweltaktivistin widmet sich wieder dem geschäftigen Treiben des Camps. Klettergurte und -seile hängen griffbereit an einem Ast. Gespendete Lebensmittel und viel Autan-Spray liegen um einen gefallen Baumstamm. Er ist so was wie das Zentrum des Camps.

Die Kirche vermittel im Streit um den Autobahnhausbau.
Angela Wolf
Die Protestler im Riederwald bauen Baumhäuser.

Rainer Frey ist euphorisch ob dieser Entwicklungen. „Wir kämpfen schon so lange und konnten durchaus viel erreichen. Diese Aktion jetzt beschert uns allerdings große Aufmerksamkeit. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe großen Respekt für die jungen Menschen.“ Frey ist Mitbegründer der BI Riederwald, die sich im Zusammenhang mit dem Bau des Riederwaldtunnels vor gut zehn Jahren gründete.

Das Stadtautobahnprojekt begleitet den Stadtteil im Frankfurter Osten bereits viele Jahrzehnte. Ursprünglicher Baubeginn sollte 1974 sein. Unterhalb des Bornheimer Hangs, auf Höhe des heutigen FSV-Stadions, soll ein Teilabschnitt die A661 mit der A66 an der Borsigallee verbinden. Damit, so die Planungsberechnungen, werde der überlastete Erlenbruch vom Dauerstau befreit. Die Bürgerinitiative und auch die Baumbesetzer:innen halten dagegen: „Verkehrsinfrastruktur schafft Verkehr.“ daran gäbe es keine Zweifel ,sagt der Umweltaktivist. Alle wissen um die Klimaproblematik und um das Ziel, was uns das Pariser Klimaabkommen auferlegt hat.

Wir wollen eine Verkehrswende. Wer jetzt noch eine Stadtautobahn baut, der hat doch nichts verstanden.

Die jungen Menschen fühlen sich und ihre Generation von der Politik nicht ernst genommen. Auch das ist der Grund, warum sie die Verkehrswegeplanung des Bundes studieren und jeder Waldrodung etwas entgegensetzen werden: „Mit uns wird kein Kilometer Autobahn ohne Protest gebaut!“

Kirchengemeinde solidarisiert sich mit den Prostlern

Rainer Frey spricht schnell. Die vielen Diskussionen und Debatten bei öffentlichen Sitzungen der Autobahngesellschaft des Bundes seien anstrengend gewesen und oft zum Haare raufen. „Wir mussten um alles kämpfen. Lärmschutzfenster für die Grundschule beispielsweise, vor deren Pforten direkt die Autobahn durchführen wird. Das ist einfach absurd.“ Die Akteure des Stadtteils solidarisieren sich mit der BI Riederwald. Sportvereine, der Abenteuerspielplatz, die Seniorenwohnanlage. Und die Evangelische Kirchengemeinde. „Fred Balke war uns immer eine große Unterstürzung. Von Offenen Briefen, die die Gemeinde an den Bundesverkehrsminister verfasste bis hin zu Gesprächsrunden oder Räumen, die uns im Gemeindehaus für Treffen zur Verfügung gestellt wurden.“ Fred Balke war bis vor einem Jahr Pfarrer im Riederwald und eine große Stütze im Protest um den Tunnelbau. „Die Pfarrstelle wurde ganz aktuell neu besetzt. Auch der Kirchenvorstand ist neu gewählt. Jetzt müssen wir Gespräche führen und hoffen, dass der neue Pfarrer und das neu zusammengesetzte Gremium an die Motivation der Vorgänger anknüpfen.“ sagt Frey.

Kirche will helfen, dass die Menschen gehört werden

Aber auch das Quartiersmanagement der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach unterstützt, wo es kann. Beauftragt von der Stadt Frankfurt am Main ist sie im Stadtteil Trägerin des Stadtentwicklungsprogramms „Aktive Nachbarschaft“. „Wir wollen die Menschen hier empowern. Ihnen dabei helfen, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen.

Der Quartiersmanager Sebastian Wolff unterliegt mit seiner Stadtteilarbeit einer Art Neutralitätsgebot. „Wir unterstützen die BI genauso mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, wie wir auch Befürworter des Autobahnausbaus unterstützen müssten.“ In seiner Arbeit geht es vorrangig um Selbstwirksamkeitserfahrungen, die Bewohner:innen mit eigenem Engagement machen.

Einen Eindruck des Besetzercamps im kleinen Forst zwischen Riederwald und Fechenheim möchte er sich aber auf jeden Fall verschaffen. Als Quartiersmanager sei man immer auch eine Art Seismograph im Stadtteil. Man müsse stest auf dem Laufenden sein, was den Stadtteil und seine Menschen umtreibt.

Mahnwache macht auf den Protest aufmerksam

Inzwischen haben die Waldaktivisti zusätzlich eine Mahnwache an der Borsigallee eingerichtet. Irgendjemand hat einen Bauwagen gespendet. Jetzt fehle noch ein Pavillon, ein Feuerlöscher und viele Unterstützer:innen, die die Wache rund um die Uhr besetzten. „Das sind die Auflagen der Ordnungsbehörden.“ sagt ein vermummter Mensch in durchstrukturierter Ruhe. Sie seien bundesweit gut vernetzt. Nutzen die Social-Media-Kanäle und rufen auch zu politischen Diskussionen auf. „Wir brauchen einen Wandel. Sonst haben junge und nachfolgende Generation ein echtes Problem.“

Menschen bringen als Unterstützung Kloppier, Lebensmittel, Müllbeutel

Die Menschen aus dem Riederwald bringen regelmäßig Nachschub an Dingen, die der tägliche Bedarf auf den Plan ruft: Müllbeutel, Klopapier, Lebensmittel, Verbandszeug, Anti-Mücken-Spray. Viele im Stadtteil wollen so ihre Wertschätzung für die Protestaktion bekunden. Sie fühlten sich lange nicht gehört, erklärt Rainer Frey. Jetzt komme nochmal richtig Schwung in die Sache. Sein Kollege Friedhelm Ardelt-Theeck von der AUA, des Aktionsbündnisses Unmenschliche Autobahn, fasste es auf der letzten Demo so zusammen: „Wir haben keine Chance. Ergreifen wir sie!“

Mehr Infos

Wenn ihr wissen wollt, wer die BI Riederwald ist und was sie genau fordert, dann schaut mal hier auf der Homepage nach.

Ein wenig müde sind die Kämpfer schon

Das man den Autobahnausbau noch verhindern könne, daran glauben die Wenigsten. „Wir geben uns aber längst nicht geschlagen. Der Bund muss an vielen Stellen nachbessern. Optimale Bedingungen auch in der Bauphase für uns Riederwälder:innen schaffen. Die Stadt Frankfurt muss dafür Sorge tragen.“ Frey ist kämpferisch, auch wenn er müde wirkt. Für politische Arbeit brauche es einen langen Atem, Solidarität und Unterstützung. Frey muss los, seine Kinder abholen. Er eilt davon und sieht im Gehen, dass das Transpi am Erlenbruch durchhängt. „Riederwald statt Asphalt!“ fordert es in großen Lettern. Er ruft schnell eine Mitstreiterin an und bittet darum, dass sich jemand kümmert. Hier läuft alles Hand in Hand. 

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