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Behinderte Menschen und Triage

Triage: Entscheidung über Leben und Tod

Renate Haller
Kommentar von Renate Haller

Wenn die Intensivstationen am Limit sind, kann es zur Triage kommen. Der Begriff kommt aus der Kriegsmedizin und meint Szenarien, in denen die Ressourcen nicht für alle Kranken reichen. Behinderte befürchten, in einem solchen Fall benachteiligt zu werden und haben geklagt.

Beeinträchtigte Menschen dürfen nicht benachteiligt werden, wenn Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte entscheiden müssen, welche Schwerkranken sie behandeln und welche nicht. Dies hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich festgestellt und den Gesetzgeber zu „unverzüglichem“ Handeln aufgefordert. Damit soll eine Diskriminierung behinderter Menschen bei der Verteilung „pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen“ wirksam verhindert werden. Bislang fehlen solche Vorkehrungen in Deutschland.

Jedes Leben ist gleich viel wert

Stichwort Triage in der Pandemie

Der Begriff Triage bedeutet so viel wie auslesen, auswählen oder sortieren. Ärztinnen und Ärzte verwenden sie bei einem sogenannten Massenanfall von Verletzten. Patient:innen werden nach Dringlichkeit und Schwere der Erkrankung oder Verletzung sortiert. Ein ethisches Dilemma.

Vereinfacht gesprochen werden die Patent:innen dabei in drei Gruppen aufgeteilt:

  • Menschen, die keiner Behandlung bedürfen,
  • Menschen, die keiner Behandlung mehr bedürfen, weil sie sterben werden, und
  • Menschen, die medizinisch versorgt werden müssen und auch davon profitieren.

In der Corona-Pandemie geht es auch um die sogenannte Ex-post-Triage. Alle Beatmungsgeräte sind in Gebrauch, es kommen aber weiterhin Menschen ins Krankenhaus, die auch beatmet werden müssen. Die sogenannte Ex-ante-Triage bedeutet, dass sehr viele Menschen in ähnlich kritischem Zustand gleichzeitig auf die Intensivstation müssen, die alle ohne Beatmungsgerät nicht überleben und es gibt nicht genügend Beatmungsgeräte. Ein Zustand, in dem Ärzte nach medizinethischen Kriterien entscheiden müssen. Dem stimmte das Bundesverfassungsgericht zu, aber eine Regelung der Kriterien muss nun vom Gesetzgeber folgen. (epd)

Behinderte nicht zu benachteiligen ist selbstverständlich in einem Land, in dem laut Grundgesetz jedes Leben gleich viel wert ist. Entsprechend zustimmend sind die Kommentare zu dem Urteil, ganz gleich, ob sie von Vertreterinnen und Vertretern politischer Parteien oder aus den Reihen der Kirche kommen. Wie sollte man anderer Meinung sein?

Behandelt wird, wer die besten Überlebenschancen hat

Über behandeln oder nicht behandeln müssen Fachkräfte entscheiden, wenn die Ressourcen auf der Intensivstation nicht für alle Kranken ausreichen. Die drohende fünfte Corona-Welle könnte diese sogenannte Triage notwendig machen. Bereits im März 2020 hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin Kriterien dafür formuliert. Demnach soll behandelt werden, wer die besten Überlebenschancen hat, unabhängig von Alter, Nationalität, Behinderung oder Impfstatus.

Das Dilemma bleibt

Die Klagenden und das Gericht vermuten offensichtlich, dass die Überlebenschancen von Beeinträchtigten pauschal schlechter bewertet werden als die von Menschen ohne Beeinträchtigung. Wenn das so ist, werden Handlungsempfehlungen nicht beachtet. Es ist fraglich, ob solche Fehler durch ein Gesetz auszuschließen sind. Entscheidungen über Leben und Tod trifft das Fachpersonal in Notsituationen unter Zeitdruck. Es sind Entscheidungen, die niemand treffen möchte. Denn es bleibt das Dilemma, sich für oder gegen einen Kranken entscheiden zu müssen.

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