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„Podcast Echt gefragt – der Deeptalk“

Trockener Alkoholiker spricht über Sucht und Obdachlosigkeit

Thomas lacht in die Kamera, mit Basecap auf dem Kopf.
Charlotte Mattes
Thomas Adam lacht und zeigt seine Zähne, das war nicht immer so. Früher habe er verfaulte Zähne gehabt, sagt er. Der gebürtige Hamburger hat sie erst machen lassen, als er sicher war, dass er bereit ist, mit anderen Menschen zu sprechen.

„Wenn ich Alkohol getrunken habe, dann bis zum Umfallen“, sagt Thomas Adam. Er erklärt, warum er sich mit Alkohol betäubt hat und spricht über die Zeit als Obdachloser in Frankfurt.

Thomas Adam ist gebürtiger Hamburger. Aufgewachsen in einer Familie, wo Alkohol, durch den alkoholkranken Vater ständig präsent war. „Ich kann mich an keinen Tag erinnern, wo kein Alkohol getrunken wurde“, sagt der 64-Jährige.

Thomas hat über 15 Jahre auf der Straße gelebt, in Frankfurt. Aus Hamburg wollte er weg, damit ihn keine Verwandten oder alte Schulkameraden treffen und erkennen.

Körper wurde seit Kindertagen an Alkohol gewöhnt

Durch den extremen Alkoholkonsum seien seine Zähne kaputt gegangen und er habe damals häufig keinen Antrieb gehabt sich zu waschen. Doch nach rund 50 Entgiftungen hat er es 2006 geschafft „clean“ zu werden.

Bei der Entlassung hat er ein gepresstes Kleeblatt von den Krankenschwestern geschenkt bekommen, dieses Motiv trägt er als Tattoo auf seinem Hals.

Nach der Entlassung hat Thomas in einem Wohnwagen der Caritas gelebt und einer Wohngemeinschaft mit anderen suchtkranken Männern. Seit 2011 lebt er in seiner eigenen Wohnung.  Wie schwer es ihm anfangs gefallen ist, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, erzählt er im Podcast „Echt gefragt“.

Als Thomas ein Kind war, habe er seinem Vater manchmal eine Flasche Bier aus dem Keller geholt. Nachdem er es ihm geöffnet habe, durfte er auch Mal einen Schluck abtrinken. Wenn er als Kind mit seinem Vater in einer Kneipe gewesen sei, durfte er ein „Baby“ trinken, ein kleines Glas Bier, 0,1 Liter. Zum Essen im Restaurant durfte er ab dem Alter von etwa 12 Jahren Alsterwasser trinken, das Biermischgetränk wird auch Radler genannt. Das sei vollkommen normal gewesen.

Thomas ergänzt, dass Männer immer Bier getrunken hätten und erst gar nicht gefragt wurden, was sie denn trinken möchten, bei Frauen hingegen wurde gefragt. Der Körper von Thomas Adam wurde also ab jungen Jahren auf den Alkohol eingestellt.

In seiner Ausbildung habe er sich schon häufig „weggebeamt“, habe seine Gefühle weggesoffen. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch tagelang auf Alkohol verzichten. Später ging das nicht mehr.

Für Thomas sei seine Kindheit sehr anstrengend gewesen.

Bei uns zu Hause gab es keine Liebe.

Sein mittlerweile verstorbener Vater habe ihm das Gefühl gegeben, ein Versager zu sein. Thomas habe kein Selbstwertgefühl gehabt. Auch die Mutter habe ihm zum Beispiel, wenn er von schönen Erlebnissen, wie Freizeiten erzählt habe, häufig schnell den Spaß verdorben und Dinge geantwortet, wie „eigentlich wollten wir dich ja gar nicht mitfahren lassen, so wie du uns immer enttäuschst."

Experte: Eltern sind Vorbilder beim Alkohol trinken

Laut Martin Meding ist es wichtig zu betonen, dass Eltern eine Vorbildfunktion haben. Er ist Einrichtungsleiter der Suchtberatung des Evangelischen Zentrums für Beratung Am Weißen Stein in Frankfurt. Meding stellt klar: „Kinder lernen durch ihre Umgebung, was sie als normal einstufen."

Selbsttest: Ist mein Alkoholkonsum noch im Rahmen?

Wenn du unsicher bist, ob du zu viel Bier oder Wein trinkst, kann dir der Selbsttest der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung helfen.
 

Er empfinde es als positiv, wenn Alkohol für Eltern nicht immer zum Feiern dazu gehöre. Der Sucht-Experte ergänzt, während wir selber denken, dass wir noch normal seien, nehmen unsere Kinder uns häufig schon ganz anders wahr. Auch auf Kindergeburtstagen gibt es für die Eltern manchmal einen Sekt zum Anstoßen. Das findet Meding nicht empfehlenswert.
 

Spannende Geschichten und Portraits

Die findest du bei uns auf indeon.de

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Thomas macht Stadtführungen zum Thema Obdachlosigkeit

Seit zehn Jahren führt Thomas Interessierte durch die Frankfurter Innenstadt. Bei der Führung „Straßenblick“ beantwortet er alle Fragen zu seiner Vergangenheit und zum Thema Obdachlosigkeit. Thomas sagt, dass die Führungen ihn stabil hielten, weil sie ihn daran erinnerten, wie er mal war, aber nicht mehr sein möchte.

Andere gingen in eine Selbsthilfegruppe, um sich stabil zu halten. Das empfiehlt Experte Martin Meding übrigens dringend. Für Thomas seien die Führungen wie eine Selbsthilfegruppe.

Zu den Führungen kam er durch eine Gruppe Studenten der Frankfurter Goethe-Universität. Es war ihre Idee eine Führung aus der Perspektive eines obdachlosen Menschens anzubieten. Die Sprache der Studenten habe ihn anfangs sehr fasziniert. Thomas lacht laut, während er erzählt: „Solche Wörter wie ‘Meeting‘, wir haben als Obdachlose zusammen gesoffen, aber kein Meeting gehabt.“