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Obdachlosigkeit

Wohnungslose am Frankfurter Flughafen: Wer sich kümmert

Kathrin Höhl und Kristina Wessel stehen auf der Empore vor ihren Büros.  es hängen Lichterketten und im Hintergrund stehen zwei Krücken.
Charlotte Mattes
Kathrin Höhl und Kristina Wessel stehen auf der Empore vor ihren Büros.

Es gibt Menschen, die leben am Frankfurter Flughafen. Mitarbeitende der Diakonie kümmern sich um sie, auch medizinisch.

„Am Frankfurter Flughafen leben circa 50 wohnungslose Menschen", erklärt Streetworkerin Kristina Wessel. Es seien nicht immer dieselben, aber der Flughafen sei ein Zufluchtsort und ein Zuhause. Gerade in der kalten Jahreszeit kann er ein Unterschlupf sein. Oder Menschen sammeln hier Pfandflaschen, um sich so etwas dazu zu verdienen. Drei Mitarbeitende der Diakonie kümmern sich hier um die Menschen, die Hilfe benötigen.

Das Büro der Diakonie-Mitarbeitenden ist in der Ankunftshalle auf der Empore direkt über den Anzeigetafeln des Flughafens. Von hier aus starten die Rundgänge der Streetworker und der ausgebildeten Krankenschwester. Die Rundgänge sind immer unterschiedlich, was Länge und Orte angeht. indeon-Reporterin Charlotte Mattes hat einen Rundgang begleitet.

Büro von Streetworkerin Kristina Wessel. Sie sitze am Schreibtisch. Vor ihr ist ein kleiner Kleiderständer mit Kleidung darauf.
Charlotte Mattes
Bei Streetworkerin Kristina Wessel im Büro gibt es auch Kleidungsstücke für bedürftige Menschen.

Jeder Tag am Flughafen ist anders

Kristina Wessel hat ein sympathisches, ansteckendes Lachen. Sie arbeitet seit sieben Jahren hier, hat die aufsuchende Sozialarbeit am Flughafen selbst mitaufgebaut. Nach einem zwei-stündigen Rundgang spüre sie ihre Füße, erzählt sie und schätzt, dass sie dann circa 10.000 Schritte gegangen ist.

Während des Rundgangs ist sie sehr darauf bedacht, dass meine Anwesenheit das aufgebaute Vertrauen der Klienten zu ihr und Krankenschwester Kathrin Höhl nicht verspielt. Das bedeutet: Ich bleibe mit Fotoapparat und Mikrofon im Hintergrund, wenn Gespräche mit Klienten stattfinden.

Bei Kathrin Höhl gibt es im Büro diverse Verbandsmaterialien. Menschen werden allerdings meist nur vor dem Büro behandelt. Im Regal stehen Desinfektionsmittel und andere medizinische Produkte
Charlotte Mattes
Bei Kathrin Höhl gibt es im Büro diverse Verbandsmaterialien. Menschen werden allerdings meist nur vor dem Büro behandelt.

Rucksack an und los geht der Rundgang

Geöffneter Rucksack, man sieht nur Hände und eine rote Erste-Hilfe-Tasche.
Charlotte Mattes
Kathrin Höhl kontrolliert ihren Rucksack bevor sie losgeht. Außerdem hat sie eine Jacke für den Job und eine private Jacke, sodass sie immer wechseln kann.

Die ausgebildete Krankenschwester Kathrin Höhl spricht leise, lächelt häufig, ihre Bewegungen sind langsam und präzise. Zum Beispiel, wenn sie ihren Rucksack überprüft, bevor der Rundgang startet. Darin sind Handschuhe, ein Blutdruckmessgerät, ein Gerät, um den Blutzucker zu messen, diverses Verbandmaterial, Halstabletten und Desinfektionsmittel. Die 52-Jährige, die hier auch als Sozialarbeiterin tätig ist, hebt die Salbe gegen Fußpilz hervor, da dieser ein großes Thema auf der Straße sei. Außerdem hat sie eine Jod-Salbe dabei und eine Unterlage, sodass sie sauber arbeiten kann.

Stehen vor ihrem Büro, im Hintergrund ist das Logo der aufsuchenden Sozialarbeit.
Charlotte Mattes
Kathrin Höhl und Kristina Wessel kurz bevor sie zu ihrem Rundgang durch den Flughafen aufbrechen. Sie gehen auch auch zum Squaire, um da nach hilfebedürftigen Menschen zu sehen.

Rundgänge machen die Mitarbeitenden immer zu zweit

Die Mitarbeitenden der Diakonie machen ihre Rundgänge immer im im Zweier-Team, denn das sei laut Wessel Standard bei der Streetwork. Neben dem Sicherheitsaspekt sei auch der Austausch wichtig, um dann gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Von der Empore aus fahren wir mit der Rolltreppe in die Ankunftshalle, Menschen mit Koffern eilen an uns vorbei.

Meine Erlebnisse am Frankfurter Flughafen anhören 🔊

Flughafen-Personal gibt Hinweise auf wohnungslose Menschen

Streetworkerin Kristina Wessel erklärt, dass wir heute zum Busparkplatz 36 gehen werden. Denn sie seien auf der Suche nach einer Person, die vermutlich draußen schlafe. „Wir haben Hinweise von Fraport-Mitarbeitern bekommen. Die Person haben wir noch nicht dort angetroffen, allerdings haben wir durchaus eine Vermutung, wer dort schläft“, erklärt die 38-Jährige. Die zwei Frauen waren schon einmal hier und haben einen Schlafsack und einen Flyer der aufsuchenden Sozialarbeit hingelegt.

Wir fahren mit der Rolltreppe noch ein Stockwerk tiefer.

Mann sitzt in leichter Kleidung auf einer Treppe

Kathrin Höhl und Kristina Wessel sind draußen unterwegs. Sie stehen auf einem Zebrastreifen und gucken sich an.
Charlotte Mattes

Da entdeckt Kathrin Höhl direkt einen ihrer Klienten: „Da hinten sitzt ein Mann mit einem bepackten Wagen, der hat so viele Einkaufstüten dran hängen, dass klar ist, dass er kein Fluggast ist.“

Wir gehen aus dem warmen Flughafengebäude raus, an rauchenden Fluggästen und Flughafenpersonal vorbei. Es ist ein kalter Vormittag, nur ein paar Grad über 0 Grad Celsius. Wir wechseln die Straßenseite und sehen einen Mann auf einer Treppe sitzen. Kathrin Höhl spricht kurz mit ihm. Ich bleibe beim Gespräch im Hintergrund. Die Krankenschwester habe Hilfe angeboten, insbesondere wärmere Kleidung, er habe diese aber abgelehnt. Das respektiere sie, sie gehe dann weiter und schaue wieder nach ihm.

Im Winter muss man sehr genau nach seinen Leuten sehen, damit sie nicht erfrieren.

Krankenschwester Kathrin Höhl

Container dient wahrscheinlich als Lager einer Frau

Wir laufen weiter in Richtung des Parkplatzes. Da steht ein orangener Container. An einem Zaun hängen fein säuberlich Kleidungsstücke auf Bügeln. Unter einer roten Decke ist weiteres Hab und Gut versteckt. Die zwei Frauen laufen um den Container herum. Doch es ist niemand hier. Streetworkerin Kristina Wessel vermutet, dass dieser Ort der Teil eines Lagers sei, von einer Frau, die sie schon kennen würden. Kathrin Höhl ergänzt: „Was mich hieran bewegt, ist die Ordnung, die die Leute auf der Straße haben. Was zeigt, hier sind echte Menschen mit echten Bedürfnissen.“

Kathrin Höhl arbeitet seit einem Jahr für die Diakonie Frankfurt und Offenbach am Flughafen. Ihr falle es manchmal schwer, das hier Erlebte, nicht mit nach Hause zu nehmen. Das Abgrenzen sei teilweise schwer und die Akzeptanz, dass sich manche Menschen in einen Leberschaden trinken würden oder einen Multiorganschaden. Sie begründet es damit, dass sie aus der Medizin komme und da immer bis zum Letzten für Menschen gehe.

Wir sehen sehr viel Elend und können eben nur bedingt helfen.

Streetworkerin Kristina Wessel

Ihre Kollegin Kristina Wessel ergänzt noch: „Wir motivieren die Menschen, aber können nur so viel tun, wie der einzelne zulässt.“

Orangener großer Container, Bauzäune mit Kleidung auf Kleiderbügeln.
Charlotte Mattes
Kristina Wessel betont: „In dieser Jahreszeit müssen wir ein Auge auf unsere Klienten haben. Zum Beispiel, wenn sie viel getrunken haben und die Kälte nicht mehr spüren und dann einschlafen.“

Kleines Wunder: Mann nimmt Hilfe an

Wieder im Flughafengelände angekommen, läuft ein Mann mit Krücken und einem verbundenem Fuß mit Schiene an uns vorbei. Kathrin Höhl spricht ihn an und er entfernt sich mit ihr in Richtung Büro. Kristina Wessel erklärt mir, dass sie diesen Mann schon sehr lange kennen, es aber sehr schwierig sei, dass er Hilfe annehme. Es sei ein riesiger Erfolg, dass er mit ihrer Kollegin von der aufsuchenden Sozialarbeit mitgelaufen sei, um neue Krücken anzunehmen.

Als wir Krankenschwester Kathrin Höhl wieder treffen, hat sie ein Lächeln auf den Lippen und erklärt: „Wir sind Zeugen eines kleinen Wunders geworden“. Der Mann habe Besuch von seinem Bruder gehabt und neue Kleidung von ihm erhalten. Er habe neue Gehstützen gebraucht und weil ich welche da hatte, hat er sich sehr gefreut. Außerdem habe er sich noch einen Termin beim Bürgeramt geben lassen. „Auf einmal kann er annehmen, was monatelang nicht ging und das freut mich jetzt sehr.“

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