Das sorgt für Wirbel: Eine unabhängige Forschungsgruppe hat eine Studie über Missbrauch in der Evangelischen Kirche vorgelegt. Doch um was geht es genau?
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat es in der evangelischen Kirche in größerem Ausmaß gegeben als bislang von der Kirche angenommen.
Aber: Klar ist, es gibt eine hohe Dunkelziffer, die tatsächlichen Zahlen sind weit aus höher. Die vorliegenden Zahlen spiegeln, so die Forscher:innen die „Spitze der Spitze des Eisbergs“.
Unter den Betroffenen in den Landeskirchen waren mehr Frauen als Männer. Die Taten waren meist geplant und fanden mehrfach statt.
Das Durchschnittsalter der Täter:innen liegt im Durchschnitt bei 39.6 Jahren.
Von mangelnder Sensibilität und Ablehnung ist die Rede. Betroffene erlebten zumeist kaum Unterstützung und mangelnde Sensibilität, wenn sie bei kirchlichen Stellen Taten anzeigten.
Nahezu alle Bereiche von evangelischer Kirche und Diakonie sind betroffen: von Hauptamtlichen bis Ehrenamtlichen.
Die Studie zeigt den Angaben zufolge, dass es evangelische Besonderheiten gibt, die sexualisierte Gewalt ermöglichen und begünstigen können:
Dabei gibt es ein Gefälle im Umgang der 20 Landeskirchen und 17 Diakonischen Werke mit dem Thema.
Mit der Veröffentlichung der Studie beginnt in der Kirche nun die Arbeit. „Wir bei der EKHN werden die Ergebnisse der ForuM-Studie gründlich studieren und diese sehr ernst nehmen“, sagt Oberkirchenrat Volker Rahn. Bereits geplant sind Gespräche mit Vertretern des bundesweiten Beteiligungsforum der EKD, in dem betroffene Personen vertreten sind.
Ziel des Beteiligungsforums ist es, der EKD-Synode im November 2024 Maßnahmen vorzulegen. So sollen auf der EKD-Synode im November erste Maßnahmen beschlossen und Konsequenzen gezogen werden.
Ein wichtiger Kritikpunkt an der Studie ist die Datenlage. Schon vor Veröffentlichung haben Forschende berichtet, dass ihnen nicht alle benotigten Personalakten zur Verfügung gestanden hätten. Psychiater Harald Dreßing hat beispielsweise von einer „schleppenden Zuarbeit“ aus den 20 Landeskirchen gesprochen, die Betroffene Katharina Kracht davon, dass sie die „Aufklärung verhindern“ würden.
Neben den Personalakten gehe es auch um „inoffiziellen Sammlungen“ oder „Kisten mit problematischen Inhalten“ in einigen Kirchenämtern. Nicht auszuschließen ist laut Studie, dass Akten vernichtet oder manipuliert wurden. Deswegen wurde das Studiendesign angepasst und die Forschenden haben sich im Wesentlichen auf die Auswertung von Disziplinarakten beschränkt.
Nun scheinen sich bei dem Thema die Forschenden und die Kirchen gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Einige Kirchenvertreter:innen sagen, sie wären nicht nach Personalakten gefragt worden, andere sagen, es wäre personell und zeitlich viel zu aufwändig gewesen, die Menge an Akten zu sichten.
Aus dem Forschungsteam hat Reiner Anselm betont, dass die Studie von vornherein nur als Anfang der Aufarbeitung angelegt gewesen sei. Er geht nicht von einer Strategie aus, bescheinigt den Kirchen im Deutschlandfunk allerdings „strukturelle Unprofessionalität“.