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„Dritter Weg“: Arbeitsrecht in der Kirche

Petition gegen kirchliches Arbeitsrecht

Blick vom Taufstein in Husum auf die Kanzel
Aaron Kniese
Warum dürfen Mitarbeitende der Kriche nicht streiken?

Kirchliches Arbeitsrecht ist besonders, denn die Kirchen dürfen es selbst gestalten. ver.di fordert „Streichung der Sonderregeln“

Petition gegen kirchliches Arbeitsrecht

Am 06.03.2024 hat die Gewerkschaft ver.di in Berlin eine Petition mit über 37.000 Unterschriften abgegeben. Die Gewerkschaft fordert weitgehende Angleichungen des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland. Sonderregeln für Kirchen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die gesetzlichen Ausnahmen im Mitbestimmungsrecht sollen gestrichen werden.

Die Kirchen weisen die Forderung von ver.di zurück. 2022 hatten die katholischen Bischöfe weitreichende Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht beschlossen, so müssen Menschen in zweiter Ehe oder Menschen in einer homosexuellen Partnerschaft nicht mehr mit einer Kündigung rechnen. 

Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Deutsche Bischofskonferenz und die kirchlichen Sozialverbände Diakonie und Caritas verteidigen den „Dritten Weg“.

Was ist der „Dritte Weg“?

„Der Dritte Weg“ hat viele Bedeutungen. Viele können mit dem Begriff ersteinmal wenig anfangen.

Wir klären heute, was der „Dritte Weg“ im Bezug auf das krichliche Arbeitsrecht bedeutet. Das Arbeitsrecht bei den Kirchen sowie ihren Einrichtungen, Verbänden und Unternehmen regelt die Kirche, anders als die Wirtschaft, selbst.

Kirche als Arbeitgeberin darf selbst bestimmen?!

In unserer Verfassung, dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, steht, dass die Kirche selbst bestimmen darf. Die übernimmt einen Artikel aus der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Dort heißt es lapidar: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“

Ein großer Unterschied zur Wirtschaft: Streiken dürfen kirchliche Mitarbeiter innerhalb des „Dritten Weges“ erst einmal NICHT. 2012 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Kirche aber stattdessen andere Konfliktlösungsverfahren braucht. Die Kirche darf nicht gänzlich selbst bestimmen, sie muss sich am Streikrecht der Gewerkschaften orientieren. Arbeitsrechtliche Fragen werden in Kommissionen ausgehandelt, in denen sowohl Arbeitgeber:innen als auch Arbeitnehmer:innen zusammen kommen. 

Kirchliche Arbeitgeber:innen müssen keine Betriebsräte zulassen, und sie müssen auch keine Tarifverträge mit den Gewerkschaften schließen. Müssen nicht. Sie könnten es aber.

 

Sonderweg der Kirchen: Dritter Weg
Esther Stosch

Arbeitsrecht: Erster, Zweiter und „Dritter Weg“

Üblicherweise gibt es zwei Methoden, die Höhe von Löhnen und Gehältern sowie die Arbeitsbedingungen festzulegen.

Erster Weg im Arbeitsrecht

Der Erste Weg besagt, der Arbeitgeber bestimmt. Beispielsweise:

  • Wem er wieviel zahlt.
  • Wie lange die Leute arbeiten müssen.
  • Wieviel Urlaub sie bekommen.

Allerdings legen staatliche Regelungen wie das Urlaubsgesetz, das Arbeitsschutzgesetz oder das Kündigungsschutzgesetz dafür Mindeststandards fest, die für alle gelten.

Zweiter Weg im Arbeitsrecht

Der Zweite Weg sind Tarifverträge.

Arbeitgeberverbände (große Unternehmen gelegentlich auch selbst) und Gewerkschaften handeln für ihre Mitglieder die Höhe der Bezahlung und die Arbeitsbedingungen aus. Auch dabei gelten staatliche Regelungen als Mindeststandards, die aber selbstverständlich übertroffen werden dürfen.

Gewerkschaften können ihren Forderungen nach besserer Bezahlung und kürzeren Arbeitszeiten durch Streiks Nachdruck verleihen.

Die Unternehmen können im Gegenzug bei aus ihrer Sicht überzogenen Forderungen die Belegschaften aussperren. Die Werkstore bleiben dann zu, Löhne und Gehälter werden wie beim Streik einbehalten.

Dritter Weg im Arbeitsrecht

Die Kirchen gehen den Dritten Weg. Sie betrachten sich als Dienstgemeinschaft, in der arbeitsrechtliche Kommissionen die Höhe der Vergütung, Arbeitszeit, Urlaub und vieles mehr einvernehmlich festlegen.

Diese Kommissionen sind paritätisch besetzt, es gibt also ein Gleichgewicht der Kräfte von Chefinnen und Chefs auf der einen und der Belegschaft auf der anderen Seite. Die müssen sich einigen. Ein Recht auf Streiks und Aussperrung gibt es nicht.

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