von Uwe Birnstein
Seit jeher sind die Menschen fasziniert von Träumen. Traumdeuter versuchen ihre Bedeutung zu ergründen, Forscher ihren Zweck. Sind Träume ein reines Nebenprodukt der Hirnregeneration oder verbergen sich in ihnen Botschaften des Unterbewusstseins oder gar Gottes?
Auf der Flucht vor seinem um den väterlichen Segen betrogenen Bruder Esau begegnete auch Jakob Gott im Traum. Nach dieser Nacht wird sich Jakob verwundert die Augen gerieben haben. Was er gesehen hatte?
Eine Leiter ragte von der Erde in den Himmel, Engel stiegen rauf und runter, und ganz oben stand Gott und verhieß ihm nicht nur unzählige Nachkommen, sondern auch absolute Treue: „Niemals lasse ich dich im Stich; ich stehe zu meinem Versprechen, das ich dir gegeben habe.“ (1. Mose 28, 10–22) Der Traum trog nicht: Jakob wurde zu einem der biblischen Stammväter.
Jakobs Lieblingssohn Josef wuchs zu einem echten Traumexperten heran. Schon in seiner Jugend hatte er lebhafte Träume – die allerdings eher symbolischer Natur waren und seine elf Brüder so in Rage brachten, dass sie ihn nach Ägypten verkauften. Josef träumte zum Beispiel von einer Garbe, die aufrecht stehenblieb, während sich elf weitere vor ihr verneigten.
Ein anderes Mal verneigten sich „die Sonne, der Mond und elf Sterne“ vor ihm. Da schimpfte sogar der Vater mit dem offensichtlich an Größenwahn leidenden Jakob: „Bildest du dir etwa ein, dass wir alle – dein Vater, deine Mutter und deine Brüder – uns dir unterwerfen?“ (1. Mose 37, 1–11)
In Ägypten geriet Josef in Gefangenschaft und machte sich dort einen Namen als Traumdeuter. Als der Pharao eines Tages von Träumen geplagt wurde, mit denen er nichts anfangen konnte, befragte er zunächst seine Wahrsager.
In seinem Traum waren sieben fette, dann sieben magere Kühe aus dem Nil gestiegen; dann wuchsen sieben Ähren auf einem Halm und daneben standen sieben verdorrte Ähren. Doch die Wahrsager wurden nicht schlau daraus. Erst, als man den Häftling Josef zur Hilfe rief, erschloss sich die Bedeutung: Zuerst werde Ägypten sieben gute Jahre erleben, dann sieben Jahre des Hungers, meinte Josef. Der Pharao war begeistert von seinen Traumdeutungskünsten und machte ihn zum Minister (1. Mose 41, 1–46).
Von seltsamen Albträumen wurde auch der babylonische König Nebukadnezar geplagt. Seine Wahrsager konnten sie nicht deuten, doch dem israelitischen Propheten Daniel gelang es mit Gottes Hilfe.
Die von Steinen zerstörte metallene Figur auf tönernen Füßen, von der Nebukadnezar geträumt hatte, konnte nur bedeuten: Nach den irdischen Reichen wird Gott ein ewiges himmlisches Reich errichten. Als Daniel ihm das erklärt hatte, erkannte Nebukadnezar Gott an und erhob Daniel zum Fürsten (Daniel 2).
„Hört, was ich euch sage! Wenn ich einem Propheten unter euch etwas mitteilen will, erscheine ich ihm in einer Vision oder spreche im Traum zu ihm“, hatte Gott einst zu Moses Geschwistern Miriam und Aaron gesagt (4. Mose 12,6). Doch nicht alle Propheten waren überzeugt von der Aussagekraft von Träumen.