Kultur

Glocken als virale YouTube-Videos: Fabio Tali macht's möglich

Glocken statt Gaming - Wie Fabio Glocken auf YouTube feiert
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Fabio feiert, was viele überhören: Glocken. Sie sind Musikinstrumente, Kunstwerke und Zeitzeugen in einem. Als „Christusglocke“ verewigt der 21-jährige die Stimmen der Kirche auf YouTube.

Es klackt, schwingt, bimmelt: Ein Seil beginnt zu ziehen, die riesige Glocke beginnt zu schwingen. Immer näher kommt der Klöppel dem Rand der Glocke. „Golgatha“ kommt langsam in Schwung, bis ihr tiefer Klang durch den Turm der Göllheimer Kirche donnert. Fabio Tali steht da und grinst zufrieden.

Fabio Tali betrachtet einen Glockenklöppel
Florian Riesterer
Fabio Tali unter der Glocke in der protestantischen Kirche Göllheim

Auf YouTube geht's um Glocken

Heute läuten die Glocken nur für ihn. Er nimmt „Golgatha“ und ihre kleineren Schwesterglocken „Bethlehem“ und „Heimat“ für seinen YouTube-Kanal „Christusglocke auf. Seit acht Jahren archiviert er hier Glockengeläut in Bild und Ton - vor allem in Kirchen.

Über 3.000 Menschen haben seinen Kanal abonniert. Mehr als 700 Videos hat er inzwischen hochgeladen, manche erreichen Tausende. Seine Aufnahme aus der Gedächtniskirche Speyer hat beispielsweise mehr als 50.000 Aufrufe. Er hat international schon Geläute gesammelt - nicht nur aus Kirchen von Basel bis Bremen, sondern auch die Glocke des Rathauses Berlin-Schöneberg oder die in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

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Als Kind schon Kirchen-Fan

Als Kind hat seine Familie neben einer Kirche gewohnt.  Er mochte Kirchen und Glockenläuten war sein Soundtrack

Wir haben immer das Mittag- und Abendläuten gehört.

Schon mit elf oder zwölf Jahren lief er los, sobald irgendwo Glocken erklangen.

Er fragte Pfarrerinnen und Pfarrer, ob er hoch in den Turm darf. Fabio wollte nicht mehr nur von außen zuhören. Und die Antwort war oft ein „Ja“.

Manchmal gibt Fabio sogar kleine Glockenkonzerte. Während unten Menschen zuhören, steht er oben am Schaltkasten oder Seil. Mindestens fünf Glocken braucht er, um verschiedene Glockenmelodien und Rhythmen zu erzeugen.

Digitale Glockenlandkarte

Das Projekt #createsoundscape hat seit 2019 das Ziel, alle rund 100.000 weltlichen und kirchlichen Glocken in Deutschland zu erfassen. An der digitalen Glockenlandkarte Deutschlands kann sich jeder beteiligen. Federführend beteiligt ist der Beratungsauschuss für das Deutsche Glockenwesen. Die Kirchen unterstützen das Projekt.

Eine Glocke ist für ihn „Musikinstrument, Kunstwerk und Zeitzeuge in einem“. Darin liegt für ihn der Reiz. Teilweise reiche ihre Geschichte über mehr als fünfhundert Jahre zurück. Glockengießereien und Technik, Material der Glocke, Tonhöhe, das Einschmelzen im Krieg, die Neubestückung von Türmen danach. Für Fabio ist ein Glockenvideo mehr als nur eine Aufnahme mit geeignetem Licht und guter Tonqualität.

Bevor der 21-Jährige ein Video veröffentlicht, recherchiert er akribisch alle Fakten: Er wälzt Kirchenhandbücher und aktiviert sein Netzwerk mit Glockensachverständigen und Glockenfans quer durch Europa. Tatsächlich hat er so einige seiner besten Freunde kennengelernt. „Mit denen treffe ich mich nicht nur für Glockenaufnahmen.“

Fabio Tali nimmt Glockengeläut auf
Florian Riesterer
Fabio Tali bei der Aufnahme in der Göllheimer Kirche

Hunderte Kirchtürme bestiegen

Fabio hat aufgehört zu zählen, wie viele Türme er schon besucht hat. Er schätzt: Rund 900 dürften es schon gewesen sein, schätzt er – von Südtirol bis Amsterdam.

Sein HighlightDas Geläut des Konstanzer Münster: 19 Glocken, vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Nur der Kölner Dom hat ein schwereres Geläut. „Das ist einfach nur der Wahnsinn.“ Die größte Glocke wiegt acht Tonnen. „Man kann da drunter durchgehen.“ Fabio erinnert sich noch gut an die Aufnahme vor knapp fünf Jahren mit einigen Kollegen. „Die Akustik ist Bombe. Ich hab richtig Gänsehaut bekommen.“

Das war im Turm ne Ganzkörpermassage.

Glocken in Kirchen bleiben für ihn etwas ganz Besonderes. Schließlich übernehmen die Klangkörper aus Stahl oder Bronze dort die wichtigsten Aufgaben: „Sie rufen zum Gottesdienst, sagen an, ob jemand gestorben ist, getauft, gefirmt, konfirmiert“, zählt er auf.

Für ihn ist das mehr als Tradition: „Glocken sind die Stimme der Kirche. Und das auch noch in einer sehr schönen Art und Weise.“ Natürlich weiß Fabio, dass nicht alle den Klang mögen. Dass es „Leute gibt, die das als Lärm empfinden, ist mir klar. Aberich kann das gar nicht nachvollziehen“, sagt er und lacht.

Fabio Tali sieht sich ein Glockenvideo an
Florian Riesterer
Fabio Tali schneidet seine Aufnahmen zu Glockenvideos.

Kaffee trinken unter der Glocke

Dass immer mehr Kirchen keine Gotteshäuser mehr sind, beschäftigt ihn. Zwar landen viele Glocken und Geläute über spezielle Börsen in neuen Gemeinden – aber nicht alle. „Das eine oder andere wertvolle oder interessante Geläut“ werde einfach verstummen. Fabio begegnet dem auf seine Weise.

Am Sommeranfang war er für ein Projekt an der Mosel unterwegs. Die katholische Großpfarrei Moselkrampen (südlich von Cochem) will ihr Geläute „verewigen“. Da dort einige Kirchen kein Geld mehr bekommen und „auf der Abschussliste stehen“, sagt Fabio. 

Die Liste mit Glocken, die er noch aufnehmen will? Nahezu endlos. Aber einen Traum hat er: In den 1960er Jahren habe eine Glockengießerei aus Heidelberg sieben Glocken ins philippinische Manila geliefert. Dort hängen sie heute in einem Häuschen neben der Kirche, das inzwischen ein Glockencafé sei. „Unter den Glocken einen Kaffee trinken, das wär was.“