Soziales

Asylpfarrer: Rechte Kampagnen erschweren die Arbeit

Ganzkörper-Foto von Kirchenasylpfarrer Sebastian Molter
Dagmar Hempel

Kirchenasyl in Deutschland: Schutz für Geflüchtete trotz politischem Gegenwind – und warum Gemeinden zunehmend Angst vor Konsequenzen haben.

Sebastian Molter ist Asylpfarrer in Stuttgart. Seit 2025 berät er für die Evangelische Landeskirche Württemberg unter anderem Menschen mit Fluchterfahrungen. Im Interview erzählt der 41-Jährige, wie Hass und Hetze seine Arbeit erschwerten.

Herr Molter, wie geht es den Menschen, die sich an Sie wenden?

Sebastian Molter: Man merkt einen großen psychischen Druck, manche zittern, weil die Polizei schon bei ihnen war. Und dann kommen sie zu uns und fragen: Ist es wirklich so, dass wir hier keine Chance haben und wieder zurück müssen? 

Manche treten auch sehr fordernd auf. Und wir müssen zeigen, dass wir nicht die Gegner sind, aber auch nicht sofort Hilfe oder eine Lösung anbieten können.

Schwindende Solidarität: Gemeinden fürchten rechtliche Konsequenzen

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Asylpfarramt?

Sebastian Molter: Das Kirchenasyl basiert auf einem Abkommen zwischen dem Bundesamt für Flüchtlinge und den Kirchen. In wenigen Einzelfällen dürfen die Kirchen Verantwortung für Menschen übernehmen und sie vor der Abschiebung schützen

Kirchenasyl – kurz erklärt

Beim Kirchenasyl nimmt eine Kirchengemeinde Geflüchtete auf, die akut von Abschiebung bedroht sind – meist in ein anderes EU-Land (Dublin-Verfahren). Ziel ist, sie aus humanitären Gründen vor Gefahren zu schützen und Zeit für eine faire Prüfung ihres Falls zu gewinnen.

Während des Kirchenasyls wird geprüft, ob rechtliche oder humanitäre Gründe gegen die Abschiebung sprechen. Läuft die Überstellungsfrist ab, ohne dass die Person abgeschoben wird, darf sie in Deutschland Asyl beantragen. Kirchenasyl ist kein offizieller Aufenthaltsstatus, wird aber oft geduldet – als Gewissensentscheidung zum Schutz von Menschenrechten.

Vor allem in der rechten Presse gibt es seit dem Sommer 2025 verstärkt eine Kampagne, deren Vorwurf lautet, die Kirchen würden grundsätzlich jedem, der an ihre Tür klopft, das Kirchenasyl gewähren und das gesamte europäische Asylverfahren in Unordnung bringen. Das stimmt natürlich nicht.

Ich merke auch, wenn ich bei Kirchengemeinden nach einem Platz fürs Kirchenasyl anfrage, dass sie Angst haben, negativ in die Presse zu kommen oder sich sogar rechtlich strafbar zu machen. 

Allgemein sehe ich ein nachlassendes Interesse für das Thema Flucht. Und Menschen springen auf bestimmte Kampagnen an, die sagen, dass es zu viele Menschen mit Migrationshintergrund gebe, man sich jahrelang gekümmert habe und jetzt andere Themen anstünden.

Keine Pause bei Menschenwürde: Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung

Kirchenasyle 2024

Die Kirchenasyle in Deutschland werden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gemeldet und erfasst. Demnach waren im Jahr 2024 in Baden-Württemberg 35 Personen, in Hessen 482 Personen und in Rheinland-Pfalz 34 Personen im Kirchenasyl.

Halten Sie die Asylpolitik der aktuellen Bundesregierung für zielführend?

Sebastian Molter: Ich halte sie für falsch. Wenn das oberste Gebot des Grundgesetzes Menschenwürde ist, kann man nicht sagen, wir machen jetzt ein paar Jahre Pause und betrachten nicht mehr die einzelne Person, die bei uns Asyl sucht. 

Ich halte sie auch deswegen für falsch, weil der Anschein erweckt wird, es gebe größtenteils eine Migration aus wirtschaftlichen Gründen.

Ich glaube auch, dass die Politik der jetzigen Bundesregierung die Idee von Europa ein bisschen infrage stellt. Viele europäische Länder betreiben gerade diese Politik, daher kann man das nicht nur unserer Bundesregierung in die Schuhe schieben. Aber sie zieht sich aus der Verantwortung und das halte ich für falsch.

Wie denkst du über die Asylpolitik? 

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