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Corona in Indien

„So erlebe ich die Corona-Pandemie in Indien“

Christoph Wildfang bei seiner Impfung
privat

Bloß keine Untergangsstimmung! Auch wenn die sich die Lage in Indien zuspitzt, Pfarrer Wildfang spricht sich und den Menschen Mut zu.

Zuhören, Sorgen teilen, segnen: Christoph Wildfang ist Pfarrer der deutschsprachigen protestantischen Gemeinde für Nordindien, Nepal und Bangladesch. Die Lage in Indien ist dramatisch, täglich infizieren sich rund 350.000 neu mit Corona, etwa 3.000 Menschen sterben. Wildfang bleibt.

Überfüllte Krankenhäuser in Indien

Niemand will sich infizieren. „Die Menschen hier haben Angst“, sagt Christoph Wildfang, Pfarrer in Indien. Denn auch wenn sich jemand ein Bein bricht oder eine Kolik bekommt, gibt es vielleicht keine Hilfe, weil die Krankenhäuser überfüllt sind. Seit August vorigen Jahres betreut er im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Deutschsprachige Protestantische Gemeinde für Nordindien, Nepal und Bangladesch. „Jeder kennt einen, der an Corona erkrankt ist“, sagt der 62-Jährige.

Wildfang lebt in der 23-Millionen-Einwohner Metropole Neu-Delhi. In den Jahren vor seiner Bewerbung auf die Pfarrstelle hat er das Land rund 20 Mal besucht und Hindi gelernt, eine der Amtssprachen. Derzeit verlässt er seine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche im Südwesten der Stadt nicht.

Wir haben eine Ausgangssperre, ich bin immer drin.

Trinkwasser und Nahrungsmittel bekommt er geliefert, nach 18 Uhr, wenn es etwas kühler wird, läuft er Runden auf seiner Dachterrasse. Er denkt an die vielen Menschen, denen es weit schlimmer geht als ihm.

Für Indien spenden

Diakonie Katastrophenhilfe
IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Corona-Hilfe weltweit
diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden

Caritas international
IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02
BIC: BFSWDE33KRL
caritas-international.de 

Corona-Lage in Indien

Die Nachrichten aus Indien erschrecken hierzulande. Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, Menschen versuchen verzweifelt, in Krankenhäusern ein freies Bett für ihre Angehörigen zu bekommen. Die Vorräte an Sauerstoff für an Covid-19 Erkrankte sind in einigen Regionen aufgebraucht.

Rund 18 Millionen Infektionen sind bestätigt. Die Krematorien sind überlastet. Um die vielen Toten einäschern zu können, wurden auf einem Parkplatz in Neu-Delhi Scheiterhaufen angezündet, berichtet  der Spiegel. Verantwortlich für die dramatische Lage ist unter anderem die Verbreitung der Corona-Mutante B.1.617. Die internationale Hilfe für das Land ist angelaufen, Deutschland will mit Beatmungsgeräten, Medikamenten und Masken helfen.

„Das Schlimmste in Indien steht noch bevor“

In Indien sage man, so Pfarrer Wildfang, das Schlimmste stehe noch bevor. Man erwarte den Höhepunkt der Infektionswelle um den 15. Mai herum. Solange es möglich ist, möchte der Seelsorger den Menschen seiner Gemeinde beistehen, ihnen zuhören, sie ermutigen: „Ich möchte keine guten Tipps von außen geben, sondern in der Krise hier mit ihnen leben.“

Evangelische deutschsprachige Gemeinde in Neu-Dehli

Wildfang ist Seelsorger für etwa 2.000 Menschen. Die Gemeinde besteht zu rund 80 Prozent aus sogenannten Expatriates, die vorübergehend für ein weltweit tätiges Unternehmen oder eine internationale Organisation in Indien arbeiten. Sie verlassen ihr Gastland oft nach drei bis vier Jahren.

Zur Website der Gemeinde evangdehli.de

Wegen der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden aus Indien abzogen. Das deutsche Auswärtige Amt hat insbesondere den Menschen, die nicht geimpft sind, nahegelegt, „eine temporäre Rückreise nach Deutschland bis zur Stabilisierung der medizinischen Versorgungslage“ zu erwägen, heißt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes.

Aber es können nicht alle das Land verlassen, sagt Wildfang und verweist auf die binationalen Familien. „Sollen die mit deutschem Pass gehen und ihre Partner zurücklassen?“

Covid-19 Patient:innen in der Schlange im Krankenhaus in Mysore/Indien
gettyimages/Priya darshan
Covid-19 Patient:innen in der Schlange im Krankenhaus in Mysore/Indien

Gemeinschaft in der Corona-Pandemie

Es gebe viele düstere und angsterfüllte Anfragen: „Was sollen wir bloß tun?“ Wildfang macht täglich online Gesprächsangebote. Das werde sehr gut angenommen. „Die Menschen schütten ihr Herz aus“, sagt er. „Oft bitten sie um den Segen und um eine Fürbitte, um ein Gebet“. Er könne die Sorgen nicht leichtfertig wegwischen oder zerreden, sie seien da, aber „wir ermutigen uns.

Wir lassen keinen fallen und stehen uns gegenseitig bei“.  Gemeinsam versuchten sie, keine Untergangsstimmung aufkommen zu lassen. Den meisten seiner Gemeindemitglieder gehe es ganz gut, aber „die seelische Anspannung ist enorm“, fügt der Theologe hinzu.

Pfarrer Wildfang bei seiner Corona-Impfung
privat
Pfarrer Wildfang bei seiner Corona-Impfung

Etwa 140 Millionen der knapp 1,4 Milliarden Inder sind geimpft. „Hier wird 24 Stunden am Tag geimpft“, berichtet Wildfang. Auch er hat schon zwei Spritzen bekommen. Für alle, die sich in den staatlichen Krankenhäusern impfen lassen, sei es umsonst. In privaten Hospitälern koste eine Impfung 250 Rupien, knapp drei Euro. Dort versuche der Staat, den Preis zu deckeln. Ab dem 1. Mai  können sich Menschen ab 18 Jahren impfen lassen.

Wildfang plant nicht, das Land zu verlassen. „Unser Glaube hilft und trägt“, sagt er.