Dark Romance: Viel Hype, wenig Regulierung

Selina Groß
Kommentar von Selina Groß

Das Roman-Genre Dark Romance wird immer beliebter. Auf Social-Media tauschen sich junge Menschen über die expliziten Buchinhalte aus und romantisieren sexualisierte Gewalt.

Es ist wieder Buchmesse in Frankfurt: Die größte Literaturmesse der Welt zählte im vergangenen Jahr 230.000 Besucher*innen. Zwischen den über 4300 Austeller*innen und den unzähligen Buch-Genres sticht eines seit ein paar Jahren heraus und wird immer beliebter: Dark Romance. 

Das liegt nicht an den düsteren Covern mit Schnörkelschrift und roten Farbakzenten, sondern dem Online-Hype in sozialen Netzwerken und an dem Inhalt, der nicht nur das Prädikat „problematisch“ verdient, sondern mir persönlich eine fette Ekel-Gänsehaut verpasst.

Viele Dark Romance Romane in einem Regal, darunter Haunting Adeline
Selina Groß
Auf 2025 war Dark Romance wieder stark auf der Frankfurter Buchmesse vertreten.

Kapitel I: Dark Romance und das sexy Stockholmsyndrom

Der Definition nach ist Dark Romance ein Untergenre der Liebesliteratur, das romantische und erotische Beziehungen in einem düsteren, oft moralisch ambivalenten oder gefährlichen Kontext darstellt. Im Mittelpunkt stehen meist intensive, leidenschaftliche, aber auch extrem toxische Beziehungen, die von Themen wie Macht, Abhängigkeit, Gewalt, Trauma, Manipulation oder psychischem Schmerz geprägt sind.

BookTok und Bookstagram

Unter den Hashtags #BookTok und #Bookstagram versammelt sich eine große Community, die sich online über Bücher austauschen. In Videos und Kommentaren reviewen sie Bücher oder unterhalten sich über deren Handlung. Während der Coronapandemie 2020 ist BookTok populär geworden. Auch Dark Romance ist ein großes Thema dort.

Die Best-Seller des Genres haben klagvolle Titel wie „Very Bad Kings“ oder „Haunting Adeline“. Letzteres handelt von einer „Beziehung“ (ganz große Anführungszeichen) zwischen dem weiblichen Hauptcharakter Adeline und ihrem Stalker (!?) Zade. Ich habe das Buch nicht gelesen, allein die Triggerwarnungen sind gefühlt eine Seite lang: zum Beispiel Stalking, graphisch dargestellte Gewalt, Menschenhandel, CNC und Dubcon (also sexuelle Handlungen, bei denen kein klarer Konsenz vorliegt, oder Themen wie Betäubungsmittel, Machtmissbrauch oder oder andere Arten der Manipulation) und die Liste geht weiter. Wenn man sich näher mit der Handlung beschäftigt, stößt man im Internet schnell auf Textauszüge, die den Inhalt „in a nutshell“ zusammenfassen:

„ 'Lass mich in Ruhe', fleht sie, doch ihre Sehnsucht nach ihm widerspricht ihren Worten. Zades Absichten werden dunkler. Sein spielerisches Stalken eskaliert schnell zu einer Bedrohung, da er beginnt, ihre Grenzen zu überschreiten.“

Kapitel II: Ich hätte gerne einen Stalker

Was nach einem echten Alptraum und schweren Straftaten klingt, wird nicht nur tausendfach gelesen, sondern auch geklickt. Auf TikTok findet man unter #hauntingadeline 188.800 Videos, die sich mit dem Buch beschäftigen. Die Content-Kreatoren: allesamt junge Frauen. 

Es wird sich in den TikToks begeistert über sogenannte „spicy“ Szenen ausgetauscht, also Szenen, in denen die Charaktere (nicht immer einvernehmlich) intim miteinander werden, es werden AI-Videos von den Charakteren erstellt und vor allem wird für den Stalker geschwärmt. In den Kommentaren sind sich die Mädels einig:

Zade, samt Obsession, sexueller Übergriffigkeit und Gewalttaten, ist verdammt heiß. Er ist für viele Leserinnen ein klassischer „Bookboyfriend“. Zitate, wie die folgenden sind keine Seltenheit unter den Videos: 

Kommentierende wünschen sich einen Stalker wie Zade Meadows aus Hauting Adeline
TikTok-Kommentare
Kommentare unter TikTok-Videos zu Haunting Adeline

Ich versteh das alles nicht, aber damit bin ich in dieser Kommentarsektion wahrscheinlich die Einzige, und das allein ist schon ein Problem. Noch größer wird dieses Problem allerdings, wenn man versteht, dass die jungen Frauen, die sich auf Tiktok einen Stalker wünschen, nicht der eigentlichen Zielgruppe von Dark-Romance entsprechen müssen, sondern auch viel jünger sein könnte. 

Denn „Haunting Adeline“ und Co. haben zwar ein erdachtes Publikum zwischen 18 bis 30 Jahren, aber keine Altersbeschränkung, kein FSK, keine Kontrolle. Und das muss sich ändern. 

Gerade über Social-Media kommen besonders junge Menschen in Kontakt mit Dark Romance. Durch die Erfahrungen der anderen Leser*innen und weitere Buchempfelungen der Comunity wächst das Rabbithole immer mehr. „Haunting Adeline“ ist dabei für viele nur die „Einstiegsdroge“. Denn wo ein Stalker herkommt gibt es noch viel mehr Charaktere von der Sorte. 

Kapitel III: Age isn’t just a number, Aufklärung und Regulierung

Versteht mich nicht falsch. Ich möchte, dass jede*r das lesen darf, was er oder sie möchte. Lesen ist wichtig und sorgt dafür, dass wir in einer Welt, die uns mit Informationen zubombardiert, auch einfach mal alles ausblenden dürfen. Gerne darf es dabei auch heiß hergehen. Seit „Fifty Shades of Grey“ ist der Erotikromansektor immer mehr zum Mainstream geworden und ich finde die Offenheit echt cool. 

Bei Filmen, Serien und Videospielen gibt es Altersbeschränkungen. Streaming- und Spieleplattformen haben entsprechende Kontrollfunktionen. Bei Büchern gibt es nur eine Empfehlung. „Ab 18 Jahren empfohlen“-Sticker auf dem Cover zum Beispiel. Auf vielen Websites kann man das Buch auch ohne Altersempfehlung kaufen

Wenn Minderjährige zu jeder Zeit unkontrolliert Zugriff auf Bücher wie „Haunting Adeline“ mit solch morbidem und explizitem Inhalt haben, weil das Einzige, was Buchhandlungen aussprechen, eine Altersempfehlung ist, dann ist das ein bisschen so, als wären Stoppschilder auf einer Kreuzung in einer belebten Innenstadt ein unverbindlicher Vorschlag

Beides kann übel gefährlich werden. 

 

Dark Romance

  • Dark Romance ist ein Subgenre der Jung-Adult-Romane.
  • Die Bücher richten sich an eine vornehmend weibliche Zielgruppe zwischen 18 und 30 Jahren.
  • Das Genre hat sich stark über Social-Media-Plattformen (insbesondere TikTok) verbreitet.
  • Historisch gesehen gibt es Romane mit dunklen, erotischen und moralisch ambivalenten Handlungen schon seit dem 18. Jahrhundert.

Aus dem Zusammenspiel von Hype und viralen Videos in sozialen Medien, rund um Dark Romance, entsteht schnell ein falsches Bild bei jungen Leserinnen, dass das Verhalten der Charaktere in den Büchern erstrebenswert, normal und attraktiv ist. Dadurch werden die völlig falschen Werte bestärkt.

Das ungefilterte Lesen von solchen Dynamiken, Gefühlswelten und mitunter illegalen Handlungen kann Minderjährige nicht nur verstören, sondern ihre Vorstellung von Sexualität und Beziehungen total verzerren. Wer als Mädchen noch nie einen Freund oder Erfahrungen mit Intimität hatte und Dark Romance liest, bekommt eventuell ein völlig falsches Bild davon, was Liebe und Partnerschaft ausmacht und was Einvernehmen bedeutet. 

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So werden meiner Meinung nach (Sexual‑)Verbrechen durch die ambivalente Darstellung der weiblichen Charaktere komplett verharmlost beziehungsweise romantisiert. Ein „Nein“ der weiblichen Charaktere bedeutet in der Dark Romance nicht immer „Nein“, sondern wird oft genug ignoriert oder als bedeutungslose Worthülle abgetan, weil die Frauen in diesen Büchern es tief in ihrem Inneren „ja doch auch immer wollen“. (Siehe den Textauszug oben.) Was zur Hölle? 

Diese Ansicht ist nicht nur unglaublich toxisch, sondern verabscheuungswürdig. Vielen jungen Menschen fehlt in diesem Zusammenhang die psychische und emotionale Reife, den Inhalt der Bücher ohne Einordnung moralisch verorten zu können. Im Zusammenspiel mit dem Hype, den Dark Romance in den sozialen Medien hat, kann ganz schnell das Bild in den Köpfen junger Leser*innen entstehen, dass sich so zu verhalten wie die Charaktere in den Büchern, erstrebenswert, normal und anziehend ist. Eine Bestärkung der völlig falschen Werte.