Dannenröder Forst

Zwischen Protestierern und Polizei

Dannenröder Forst
Gerhard Kaminski
Der Dannenröder Forst gilt als ökologisch wertvoll, deswegen demonstrieren viele Menschen dagegen, dass eine Autobahn hindurchführen soll.

Protestierer und Polizisten geraten im Dannenröder Forst immer härter aneinander. Die evangelische Kirche schickt neutrale Beobachterinnen und Beobachter. Aber auch eine von ihnen geriet zwischen die Fronten.

Ralf Müller
Dekanat Vogelsberg
Ralf Müller koordiniert den Einsatz der Beobachterinnen und Beobachter.

Von Gerhard Kaminski

Wenn es brenzlig wird, heißt es: Nichts wie weg. Eigenschutz geht vor im Dannenröder Forst. Ralf Müller hat eine Gefahrensituation noch nicht miterlebt. "Aber ich weiß von Attacken auf die Polizei, mit Farbbeuteln, Steinen oder auch Fäkalien", sagt er. "Das Dekanat, die evangelische Kirche und ich persönlich, wir lehnen das klar ab. Ich halte jedoch 90 Prozent der Protestierenden im Dannenröder Wald für äußerst friedliche Demonstranten. Der Rest sind Krawalltouristen, die gekommen sind, um sich mit der Polizei zu prügeln."

Ehrenamtliche als Ansprechpartnerinnen

Müller koordiniert für das Dekanat Vogelsberg eine Gruppe ehrenamtlicher Beobachterinnen und Beobachter. Sie soll für beide Seiten als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung stehen und deeskalierend wirken. Denn ein wenig Mäßigung könnte in diesem Waldstück zwischen den Städtchen Homberg (Ohm) und Stadtallendorf nicht schaden.

Hier sind gerade Bauarbeiten für die Autobahn 49 in Vorbereitung. Dafür müssen 85 Hektar des rund 1000 Hektar großen Dannenröder Forsts weg. Seit Oktober fällen Maschinen Bäume. Der Dannenröder Forst gilt als ökologisch wertvoll, unter anderem weil dort der seltene Kammmolch lebt. Die Trasse der Autobahn führt außerdem durch ein Wasserschutzgebiet. Daher sind eine Menge Demonstranten vorort. Sie haben sich teilweise in Plattformen und Baumhäusern in luftiger Höhe eingerichtet, damit die Baumfällmaschinen nicht vorankommen können. Die Polizei muss den Wald nun von Menschen räumen, ehe er von Bäumen geräumt werden kann.

Baumhaus im Dannenröder Forst
Gerhard Kaminski
In Baumhäusern und auf Plattformen haben sich die Protestierenden eingerichtet

Einige Menschen wurden bereits schwer verletzt

Bei den Protestaktionen kommt es zunehmend zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Protestierenden und der Polizei. Einige Personen wurden bereits schwer verletzt, als sie aus großer Höhe abstürzten.

Die Ehrenamtlichen des Dekanats schreiben von ihren Aufenthalten im Wald Beobachtungsprotokolle an. Diese würden im Dekanat gesammelt, berichtet Dekanin Dorette Seibert. Die Beobachtungen seien mit Ort und Datum versehen. Sollten Beobachter als Zeugen angerufen werden, könne man auf die Protokolle zurückgreifen. Bei schweren Vorfällen wolle man versuchen, zur Aufklärung beizutragen.

Beobachterin des Dekanats leicht verletzt

Auch eine Beobachterin des Dekanats ist bereits verletzt worden, allerdings nur leicht. Die Frau habe sich von einer Beobachtung zurückziehen wollen, weil Demonstranten ihr klar zu verstehen gegeben hätten, dass sie keine Lust verspürten, beobachtet zu werden, teilt das Dekanat mit. Während sie mit Müller telefonisch Kontakt aufnehmen wollte, »lief sie an einer Barrikade vorbei und direkt in eine ihr entgegenkommende Hundertschaft der Polizei«, berichtet der Koordinator. »Unsere Beobachterin berichtet, dass sie zu Boden ging und Polizisten auf ihr knieten. Als sie sich als kirchliche Beobachterin zu erkennen gegeben habe, hätten die Einsatzkräfte von ihr abgelassen.

Zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen

Mittlerweile hat die Frau Anzeige gegen die Polizisten erstattet. Müller betont, dass es dabei nicht »um eine Diskreditierung der Polizei geht, sondern um die saubere Aufarbeitung des Geschehens«. Nach seiner Kenntnis sei die Betroffene »zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort« gewesen. Sie sei verletzt und nehme Schmerzmittel ein. Momentan sei sie krankgeschrieben, wolle aber wieder in den Wald zurückkehren.

Einsätze mit der Polizei abgestimmt

Die kirchlichen Beobachterinnen und Beobachter sind auch im Forst unterwegs, um unabhängig und neutral über das Geschehen zu berichten. Sie bilden dafür Zweierteams, sprechen sich untereinander ab und suchen über den Tag verteilt die Orte auf, für die auf Twitter eine Räumungsaktion angekündigt wird. Die Einsätze sind mit der Polizei abgestimmt, die Namen der Beobachterinnen und Beobachter sind ihr bekannt. "Sie haben ein Schreiben des Dekanats bei sich, dass sie ausweist", sagt Müller.

Der Dekanatskoordinator sieht die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Protestierern deutlich aggressiver werden und fügt hinzu: "Die Aggressivität wird vermutlich auch nicht geringer werden. Ich weiß nicht, wie der Stand jetzt wäre, wenn wir nicht häufig zwischen den Demonstranten und der Polizei stünden, um das Gespräch zwischen ihnen zu suchen und jede Seite zu einem Perspektivwechsel zu bewegen."

Wenn du mehr wissen willst

Weitere Infos rund um den Streit im Danenröder Forst findest du auf den folgenden Seiten:

https://www.danni-bleibt.de/

https://waldstattasphalt.blackblogs.org/

https://dekanat-vogelsberg.ekhn.de

Beide Seiten sollen die jeweils andere Seite verstehen

So müssen die Waldbewohner verstehen, dass der Beamte in einer Polizeikette nur einen geringen eigenen Entscheidungsspielraum habe. Den Beamten wiederum könnten die Ehrenamtlichen verständlich machen, warum Demonstranten aufgebracht seien, wenn ein Baum gefällt werde und wenige Meter daneben jemand  oben im Baum hänge.

Wichtig ist dem Dekanat die Neutralität seines Engagements. Die Dekanatsleitung betont, dass "keine politische Einflussnahme beabsichtigt ist und auch keine Parteinahme für die eine oder andere Position". Die Gewalt bei den Auseinandersetzungen veranlasst die beiden Pröpste der Region zu dem Appell: "Gewalthandlungen sofort zu stoppen". In einer Erklärung gehen Matthias Schmidt und Helmut Wöllenstein auch auf die Baumfällarbeiten ein, bei denen ihrer Ansicht nach gegen geltende Bestimmungen zur Arbeitssicherheit verstoßen worden sei.