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Europa

Lobbyismus für die Kirche? So vertritt die EKD ihre Interessen in der EU

Leiterin EKD-Büro Brüssel Katrin Hatzinger
EKD-Büro Brüssel/Canva

Katrin Hatzinger vertritt die Interessen der Evangelischen Kirche bei der EU. Im Interview erklärt sie ihren Alltag im Brüsseler Büro.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine diplomatische Vertretung bei der Europäischen Union (EU). Die Mitarbeiter:innen des EKD-Büros Brüssel vertreten die Positionen der Kirche gegenüber den EU-Institutionen und beobachten das europäische Rechtsetzungsverfahren. Zugleich informieren sie kirchliche Organisationen, zum Beispiel über Fördermöglichkeiten durch die EU. Katrin Hatzinger leitet das EKD-Büro bei der EU in Brüssel.

Von der EU nach Deutschland

Wie kann ich mir Ihre Arbeit im EKD-Büro vorstellen?

Katrin Hatzinger: Der Kern unserer Arbeit besteht darin, die europarechtlichen Bestimmungen daraufhin zu screenen, ob eventuell das kirchliche Selbstbestimmungsrecht betroffen sein könnte. Darüber hinaus kümmern wir uns um Sozialanwaltschaftliches: Also zum Beispiel die Asyl- und Migrationspolitik der EU, den Bereich der grünen Transformation, seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aber auch zunehmend um den Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zudem kümmern wir uns um europäische Fördergelder als Dienstleistung für die EKD und ihre Gliedkirchen.

Diplomatische EKD-Vertretung bei der EU in Brüssel

Leiterin des EKD-Büro Brüssel:Katrin Hatzinger
EKD-Büro Brüssel
Katrin Hatzinger bei einem Empfang

Wenn sie morgens ins Brüsseler Büro kommen - wie kann ich mir ihren Alltag vorstellen?

Katrin Hatzinger: Den gibt es eigentlich nicht, zumal ich auch sehr viel unterwegs bin, weil es wenig bringt, wenn man hier nur in Brüssel vor Ort aktiv ist. Die Entwicklungen auf EU-Ebene müssen ja auch nach Deutschland vermittelt werden. Daher bin ich auch sehr viel in den kirchlichen Gremien in Deutschland unterwegs. Ansonsten lesen meine Mitarbeiter:innen und ich sehr viele europäische Gesetzestexte.

Wir tauschen uns mit unserem Netzwerk hier vor Ort über das aus, was ansteht und versuchen zu prüfen, ob kirchliche Interessen berührt sein können oder ob es sich um Themen handelt, zu denen wir uns gesellschaftspolitisch äußern sollten. Wenn wir das rausgefunden haben, dann wird erst mal nach Deutschland berichtet und eine erste Einschätzung abgegeben. Wir arbeiten also ganz im Stil einer diplomatischen Vertretung, wie das auch die Bundesländer oder die Bundesregierung hier in Brüssel machen.

Auf Europa-Ebene werden Fragen anders beantwortet

Leiterin des EKD-Büro Katrin Hatzinger bei einer Rede
EKD-Büro Brüssel
Leiterin des EKD-Büro Katrin Hatzinger bei einer Rede

Sie sind bereits seit 16 Jahren die Leiterin der EKD-Vertretung bei der EU in Brüssel. Was macht Ihnen nach all den Jahren weiterhin Spaß an ihrem Job?

Katrin Hatzinger: Es macht natürlich Freude, dass man hier nicht nur im deutschen Saft schmort, sondern viele Anregungen aus anderen Ländern bekommt und merkt: Mensch, man kann gewisse Fragen auch ganz anders beantworten. Vielleicht ist unser deutscher Weg gar nicht unbedingt immer der einzig wahre und richtige. Diese Vielfalt an Mentalitäten, Sprachen und Kulturen finde ich hier unheimlich bereichernd und wertvoll. Das ist auch nach 16 Jahren nicht langweilig geworden, weil ich jeden Tag neu dazulerne.

Die Europäische Union

Zum Staatenverbund der Europäischen Union (EU) gehören 27 Staaten.Dadurch wohnen rund 450 Millionen Einwohner:innen in der EU.Vor etwas mehr als 30 Jahren wurde durch den Vertrag von Maastricht die Europäische Union gegründet.Schon vorher gab es wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Europäischen Gemeinschaften. Diese Koopeation wurde ab dann durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ergänzt.

Christ:innen kennen das EU-Motto aus der Ökumene

Sie leben den europäischen Gedanken mit ihrer Arbeit jeden Tag. Warum lohnt es sich, für das geeinte Europa einzustehen?

Katrin Hatzinger: Das Motto der EU ist „in Vielfalt geeint“.Das kennen wir als Christinnen und Christen auch sehr gut, weil das nahezu wortgleich aus der Ökumene übernommen wurde, wo wir eben auch Einheit in versöhnter Verschiedenheit praktizieren. So wie die Ökumene uns bereichert und manchmal herausfordert, so ist es im europäischen Kontext auch.

Bei allen Fehlern und allem Unvollkommenen, das die Europäische Union hat,hat sie uns in den letzten Jahrzehnten doch wahnsinnig viel Wohlstand, Stabilität, und Frieden gebracht. Auch ist sie immer noch ein Raum von Gleichgesinnten, wo man sich zwar streiten kann, aber immer auf einer gemeinsamen Grundlage unterwegs ist, nämlich Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gleichstellung. Deshalb kann es uns nicht egal sein, wie es mit dieser Europäischen Union weitergeht.Wir brauchen sie, um in dieser Welt, die von Krise zu Krise taumelt, eine gute Zukunft zu haben.

Lobbysimus für die EKD bei der EU

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Sie vertreten die Interessen der evangelischen Kirche bei der EU in Brüssel. Ist das nicht Lobbyismus?

Ich habe kein Problem mit dem Begriff Lobbyismus

Katrin Hatzinger: Ja, das ist Lobbyismus. Ich habe kein Problem mit dem Begriff. Er ist tatsächlich oft sehr negativ besetzt. Aber letztlich bedeutet das für mich, dass wir politisch Handelnden und Verantwortlichen Informationen an die Hand geben, die sie nicht automatisch aus ihrem Umfeld haben können und diese aber brauchen, um eine informierte, politische Entscheidung zu treffen.

Wir sind Kirche - kein Wirtschaftsverband

Um die Bürger:innen über die Arbeit von Lobbyist:innen transparent zu informieren gibt es auf EU-Ebene ein Transparenzregister. In diesem können die Lobbyst:innen freiwillig Informationen über ihre Lobbyarbeit der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Was halten Sie denn von einem solchen Lobby- bzw. Transparenzregister?

Katrin Hatzinger: Dafür haben wir uns kirchlicherseits sehr eingesetzt, dass das Transparenzregister genannt wird. Wir haben damals ökumenisch abgestimmt und als Kirchenvertreter mit dem zuständigen EU-Kommissar in Brüssel gesprochen, weil wir immer gesagt haben: Wir als kirchliche Vertretung sind für Transparenz! Wir sind hier eben nicht als die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), sondern als EKD-Büro Brüssel akkreditiert.

Zumal sind wir keine Großkanzlei oder kein Wirtschaftsverband, sondern wir sind eine kirchliche Repräsentanz. Deswegen haben wir uns dafür stark gemacht, dass es im Transparenzregister auch entsprechend gekennzeichnete Unterkategorien gibt. Auf diese Anregung hat sich die EU-Kommission eingelassen und seitdem stehen auch wir im Register.

Politischer Prozess in der EU

Die politische Arbeit, zum Beispiel das Gesetzgebungsverfahren funktionieren auf EU-Ebene anders als im Vergleich zu Deutschland. Wie das in der EU funktioniert kannst du auf der Website des Europäischen Rates nachlesen.

Ist es für Sie eigentlich schwieriger an ein Lobbygespräch zu kommen, als vielleicht für einen Automobilkonzern?

Katrin Hatzinger: Das kann ich nicht bestätigen.Es gibt hier eine große Offenheit und ich habe nicht das Gefühl, dass wir hier nachrangig wahrgenommen werden. Im Vergleich zum Berliner Politikbetrieb ist es in Brüssel viel niedrigschwelliger möglich, sich mit Entscheidungsträgern, wie zum Beispiel aus der Europäischen Kommission, auszutauschen. Das ist sehr wichtig, weil die Kommission das Vorschlagsrechtfür die Gesetzgebung hat. Dann ist es natürlich klasse, wenn man sich mit dem oder der Beamt:in austauschen kann, die das Gesetz vorgelegt hat und die Chance hat, Nachfragen zu stellen.

Was bedeutet Europa für dich?

Die Europäische Union bringt viele Freiheiten für jede:n einzelne:n von uns mit sich. Seien es die offenen Grenzen durch das Schengen-Abkommen oder die gemeinsame Währung. Was ist dein EU-Highlight? Erzähl uns deine Geschichte gerne via Mail oder über

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