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Erfahrungsbericht

Mit einem Ironman zusammenleben? Hilfe!

Clemens fährt beim Ironman 2022 Rad
Gerhard Koffler
Clemens beim Ironman 2022

Wie der berühmte Triathlon die Beziehung belastet: Carina beschreibt die Höhen und Tiefen in ihrem Leben Dank dem Ironman.

Rund 4.000 Teilnehmende aus über 60 Nationen starten 2023 beim Ironman in Frankfurt. Vergangenes Jahr hat auch Clemens mitgemacht. Er ist mein Verlobter. 

Jahrelanges Training für den Ironman

Drei Jahre hat er sich auf den Tag vorbereitet – nicht nur für ihn eine große Herausforderung, auch für mich. Doch alles von Anfang an: 

Swim, Bike, Run – Schwimmen, Radfahren, Laufen. Super! Er macht gerne Sport. Ich auch! Also direkt mal nach rechts geswiped. Wie man das auf der Singlebörsen-App Tinder so macht, wenn einem jemand gut gefällt. Auch ansonsten macht Clemens, so heißt der Kerl, einen guten Eindruck. Wir schreiben, treffen uns und werden schon bald ein Paar.

Einmal erzählt Clemens mir abends von seiner Radtour. 3.000 Kalorien habe er verbraucht, müsse jetzt erstmal „Carb Loading“ machen – also viele Kohlenhydrate zu sich nehmen. Moment mal, denke ich:

Wie zum Teufel verbrennt der Typ 3.000 Kalorien?

Dafür müsste ich wochenlang joggen. So langsam dämmert es mir. Clemens erzählt mir von seinen Plänen mit dem Ironman. Eigentlich habe er ihn schon in diesem Jahr machen wollen. Ging nicht – wegen Corona.

Ironman-Wettbewerbe nicht nur auf Hawai

Radfahren beim Ironman
privat

„Ach, fliegst du dann nach Hawaii?“, frage ich ahnungslos. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt nie ernsthaft mit solchen Wettkämpfen beschäftigt. Heute könnte ich mich vermutlich bei einer Fachredaktion für Triathleten bewerben. „Nö, ich mach den in Frankfurt“, antwortet Clemens gelassen und klärt mich auf.

Dabei strahlt er übers ganze Gesicht, ist voll in seinem Element. Es macht ihm offenbar wirklich Spaß, stundenlang Fahrrad zu fahren. Mit 200 Watt. Berghoch.

Neben einem Triathleten fühlte ich mich faul und unsportlich

Gut, ich kann‘s nicht nachvollziehen, nehme das Ganze aber zu dem Zeitpunkt auch noch nicht so richtig ernst. Ob der das wirklich durchzieht!? Bis zum geplanten Wettkampf, der nun auf Sommer 2021 verschoben wurde, ist es noch eine ganze Weile hin. Und jetzt, wo ich in sein Leben getreten bin, wird er ohnehin nur Augen für mich haben.

Ironman: Ein Triathlon

Als Triathlon wird der Dreikampf oder auch Mehrkampf bezeichnet, bei dem es drei verschiedene Disziplinen nacheinander zu absolvieren gilt: Schwimmen,Radfahren und Laufen. Die Reihenfolge ist fest vorgegeben, die Strecken können je nach Wettkampfdistanz variieren. Die Aufgaben beim Ironman in Frankfurt:

  • 3,8 Kilometer Schwimmen
  • 180 Kilometer Radfahren
  • 42 Kilometer Laufen

Ganz so romantisch war‘s dann nicht. Clemens hat sich zwar immer Zeit genommen für unsere Treffen, war aber durch sein tägliches Training eingeschränkt. Oft konnten wir uns erst spät am Abend treffen, weil er nach der Arbeit noch „eine Einheit“ unterbringen musste. So eine Einheit dauerte in der Regel zwischen einer und drei Stunden.

Nach und nach fühlte ich mich schlechter. Nicht, weil ich mich vernachlässigt gefühlt habe. Tag und Nacht – das ist eh nicht mein Ding. Was an mir genagt hat, war der Vergleich. Langsam hatte ich kapiert, wie viel Sport Clemens wirklich macht und wie unsportlich ich im Vergleich bin. Dabei dachte ich immer, drei mal die Woche „Cardio“ könnte sich sehen lassen.

Du machst Sport, ich trainiere.

Das pflegte der Herr stets zu sagen. Das sei ein Unterschied. Zum Glück lernte ich nach und nach Freunde und Familie von Clemens kennen, die mir versicherten: „Das, was du machst, ist super. Das, was Clemens macht, ist vollkommen irre.“

Warum tut man sich das nun an?

Stundenlanges Training. Verzicht auf bestimmte Lebensmittel und vor allem Alkohol. Denn der schade der Regeneration, hat mir Clemens mal erklärt, während ich genüsslich am zweiten Glas Rotwein nippte.

Mit dem Ironman wolle er es sich beweisen, sagte Clemens. Sehen, zu was sein Körper fähig ist.

So vergingen die Monate. Besonders im Winter musste sogar Clemens zugeben: Spaß macht das nicht, drei Stunden „auf der Rolle“ zu sitzen und um sein Leben zu strampeln. „Auf der Rolle“ bedeutet: Das Fahrrad wird auf eine dafür vorgesehene Vorrichtung befestigt. Quasi wie ein Spinning-Rad, wie sie in Fitnessstudios genutzt werden.

Kosten für den Ironman

Der Kostenpunkt für so ein Teil ist übrigens 900 Euro. Ein Klacks gegen das Fahrrad. Dafür hat Clemens nämlich um die 5.000 Euro geblecht. Mal abgesehen von sämtlichen Zusatzteilen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum Triathlon als Elite-Sport gilt. Denn das Geld muss man erst mal haben. Die Anmeldung für den Ironman kommt mit gut 600 Euro dazu.

Wenn der Körper nicht mehr mitmacht

Als Clemens das Winter-Training überstanden hat, der „Supergau“: Bei einem seiner „langen“ Läufe – und schön, dass 30 Kilometer sogar für einen Triathleten „lang“ sind – knickt er um, verletzt sich. Die Diagnose: Ermüdungsbruch. Clemens wochenlang auf Krücken, die Stimmung zu Hause auf dem Tiefpunkt. Mit Engelszungen rede ich auf ihn ein: Das sei ein Zeichen, der Körper schreit: „Ich kann nicht mehr!“ Clemens ist kurz davor, die Sache mit dem Ironman abzuhaken.

Tut er auch. Allerdings nur für dieses Jahr. Denn das wäre mit der Vorbereitung eng geworden. Also Pläne verschoben auf 2022. Noch ein Jahr Schweiß und Entbehrungen. Für uns beide.

Training für Ironman bestimmt Beziehungsleben

Jede Woche richtete sich nach Clemens‘ Trainingsplan. Jedes Treffen mit Freunden musste genau geplant sein. Gemeinsames Kochen unter der Woche? Unmöglich. Außer am „Pausentag“, an dem Clemens nach Feierabend aber seinem Ehrenamt nachging. Am Wochenende bei schönem Wetter eine gemeinsame Radtour? War auch selten drin. Beim Abendessen mit Freunden versacken und bis nach Mitternacht bleiben? Schwierig. Denn der nächste Tag war ja von früh bis spät mit Training verplant.

Kurzum: Es war kompliziert.

Vor dem Wettkampf keine Treffen mehr

Carina umarmt Clements
privat
Nach 3 Jahren Vorbereitung: Clemens hat den Ironman geschafft.

Und ja: Manchmal hat‘s auch geknallt. Das Training war die perfekte Ausrede für alles. Saugen, Bad putzen, Wäsche machen! „Ich muss trainieren.“ Ich nicht, und deswegen blieb alles an mir hängen.

Manchmal war das okay, manchmal hat es mich tierisch genervt.

Nach ein paar Krisen, Wutausbrüchen und Tränen rückte der Tag endlich näher. Die letzten Wochen und vor allem die letzten Tage vor dem großen Tag waren die heftigsten. Besonders hart: Die Einschränkungen im sozialen Umfeld.

Beziehungsprobe Training

Wegen Corona haben wir einige Feiern und Geburtstage absagen müssen. Zu groß das Risiko, dass Clemens sich ansteckt und womöglich Tage und Wochen nicht trainieren kann. Denn fehlendes Training könnte das Aus für den Wettkampf bedeuten.

Darunter haben wir jedenfalls beide gelitten. Klar, in der Regel hatten Familie, Freundinnen und Freunde Verständnis für die Situation, schön war es trotzdem nicht. Und einsam war die Zeit auch.

Kompromisse für den sportlichen Ehrgeiz

Die „Race Week“, also die Woche unmittelbar vor dem Ironman, war die Krönung: Clemens stellte seinen Schlafrhythmus um, ging früh ins Bett und stand früh auf. Wir lebten tatsächlich komplett aneinander vorbei, ich vermisste ihn, obwohl er zu Hause war. Auch kräftezehrend: die Angst. Die Angst vor Covid, die Angst vor einer Verletzung oder vor sonst einer Katastrophe, die noch über uns hereinbrechen könnte. Einige Wochen nach dem Wettkampf, konnten wir endlich sagen: Alles ist gut gegangen.

Okay, mal abgesehen davon, dass Clemens nur wenige Tage später nach dem Ironman in Frankfurt mit Covid flachlag und wir unseren Urlaub verschieben mussten.

3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42 Kilometer laufen. Bei Höchsttemperaturen von knapp 30 Grad. Die ersten Worte meines Freundes nach dem Zieleinlauf am Frankfurter Römer: „Es war so hart.“ Das lasse ich mal so stehen.

Clemens nach dem Ironman 2022
privat