Typologie: Dorfheld oder Stadt-Queen?

Landpflanze: Mein Ort, meine Straße, mein Leben, mein Glück. Warum in die Ferne schweifen, wenn doch alles da ist: Kirche, Fußball, Kneipe, Freiheit, viel Freiheit und vor allem weit und breit nichts, was irgendwie Unruhe stiften könnte.

Du kennst im Ort jeden, jeder kennt dich. Na und, ist doch super. Für dich ist jede Fahrt in die nächste Großtadt wie ein kleiner Abenteuer-Trip. Meist stehst du dann nach wenigen Augenblicken schweißgebadet an irgendeiner Kreuzung und wünschst dich zurück in die Hauptstraße deines Heimatortes.

Dieser Lärm, diese vielen Menschen, diese Autos. Und mal ganz ehrlich, wer bitte schön braucht schon fünf verschiedene Schuhgeschäfte, wenn er einen Paket-Ablageort hinterm Haus hat?

Stadtmensch: Was gibt es Herrlicheres: Du machst das Fenster auf und siehst die Welt vor dir. Alles ist zum Greifen nah, du musst es dir nur nehmen. Okay, über den Lärm wollen wir jetzt nicht reden. Es ist eben alles da: Schulen, Unis, Arbeitgeber, Bundesliga-Fußball, Museen, Konzerte, Einkaufsmeilen, Flughafen und hey, ja, auch Anonymität.

Kein Mensch möchte von der Mutter einer alten Schulfreundin angequatscht werden, wenn er oder sie mal eben ungeschminkt zum Bäcker rennt. Oder gar vom Typen gestern Abend in der Bar.

Manchmal lässt du dich von deinen Kumpels überreden, am Wochenende aufs Land zu fahren. Warum auch immer. Spätestens, wenn du einen leichten Kuh-Geruch mit der Nase wahrnimmst, ist es mit dem Spaß vorbei. Hey, schmeckt hier gerade der Kaffee nach Kuh? Mal schnell googeln, ob  nicht irgendwo ein Bahnhof ist, denkst du dir und starrst entgeistert auf dein Smartphone: Oh nee, kein Empfang!

Zugezogener: Wie um Himmels Willen bin ich hierher gekommen? Diese Frage stellst du dir – Hand aufs Herz – oft: Samstags beim Friseur, montags beim Dorfmetzger, mittwochs an der Bushaltestelle …. Eigentlich hast du dein Leben in der Großstadt geliebt. Richtig geliebt. Aber dann stand SIE da. Naja, aus Verliebtsein wurde Liebe und du hast ihr einen Antrag gemacht.

Allerdings hast du verdrängt, wie eng sie doch mit ihrer Mutter und ihrer besten Freundin verbandelt ist. Und die Mitgliedschaft im Kirchenchor und im Tennisclub. Pendeln sei gar kein Ding, hat sie gesagt. Und warum solltest du ihr mißtrauen? Und nun sitzt du hier auf dem Land. Und über die Bahn wollen wir jetzt lieber nicht reden.

Aussteigerin: Atmen, tief einatmen. Boah, wie frisch, wie gesund die Luft sich anfühlt, nein schmeckt. Wie doof  von dir, so viele Jahre in diesem Drecksloch von Stadt zu wohnen. Endlich bist du angekommen im Schoß von Mutter Natur.

Aber jetzt bist du da und das kann ruhig jeder wissen. Voller Elan klingelst du an einer Nachbartür nach der anderen und stellst dich Freude strahlend vor: „Ich bin die Neue und freue mich, dass wir nun Nachbarn sind“, sagst du voller Esprit in eine stoische Miene nach der anderen. Bei deinem direkten Nachbarn fällt dir noch schnell ein, nach dem nächsten Bio-Bauern zu fragen. „Sowas ham wir net“, sagt der mürrisch.

Komisch, denkst du, was hat der nur, dem muss ich unbedingt meinen veganen Lieblings-Kuchen backen, dann wird er sich freuen.

Durchstarter: Endlich, endlich ist der Tag gekommen: Deine erste eigene Bude, weg von Mama und Papa, raus aus dem Kaff, das sich dein Heimatort schimpft.

Jetzt, genau jetzt beginnt dein neues Leben. Und es kennt keine Grenzen. Ich meine, hallo? Du kannst am Samstag zwischen vier Bäckern wählen, und keiner ist weiter als fünf Minuten von deiner Wohnungstür entfernt. Wie krass ist das denn? Doch bevor du deine Brötchen-Auswahl triffst, fragst du noch mal schnell bei Mutti nach, wie nochmal das Brötchen hieß, das sie dir immer gekauft hat und dass du so liebst.

Schadet ja nichts, wenn man noch mal nachfragt. So 'ne Großstadt kann auch schon verwirrend sein.