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1950er

Weihnachten in der Krise: Weniger Klimbim und mehr Lametta

Weihnachten im Jahr 1953 bei Familie Krieger: Siegmund Krieger mit Bruder Hans-Ulrich und Schwester Cornelia (von links) mit ihren Weihnachtsgeschenken.
privat
Weihnachten im Jahr 1953 bei Familie Krieger: Siegmund Krieger mit Bruder Hans-Ulrich und Schwester Cornelia (von links) mit ihren Weihnachtsgeschenken.

Wir haben Erfahrungsberichte über Weihnachten in den 1950ern eingesammelt. Spoiler: Die Feste waren oft bescheidener als heute.

Wenn Helmut Bock an Weihnachten zurückdenkt, dann erinnert er sich als erstes an den Sattlerbetrieb seiner Familie. „Vor Weihnachten kamen die Leute mit vielen Sonderwünschen in die Werkstatt. Zum Beispiel musste das Geschirr für ein Schaukelpferd angefertigt, eine Tasche repariert oder eine Bank gepolstert werden“, sagt der 1935 geborene Gelnhäuser.

Auch an Heiligabend, erinnert er sich, habe der Vater bis in den Abend hinein gearbeitet, um Weihnachtsgeschenke fertig zu stellen. „Meine Mutter, meine Schwester und ich sind ohne ihn in den Gottesdienst gegangen“, erzählt er.

Heiligabend versammelt sich die Familie vor dem Radio

Nach dem Gottesdienst  gab es bei Familie Bock Rindswurst und Kartoffelsalat.  Wichtig war, dass alle rechtzeitig mit dem Essen fertig waren. „Punkt 19 Uhr haben wir uns vor dem Radio versammelt und die Sendung „Dome und Kirchen läuten Weihnachten ein“ gehört. Das war ein festes Ritual“, sagt er. Im Anschluss wurden die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet und Geschenke verteilt.

Es gab benötigte Kleidungsstücke, oder mal ein Buch – Helmut Bock erinnert sich an eines mit Reiseberichten aus fernen Ländern. „Es war alles etwas einfacher als heute, mit weniger Klimbim. Aber dafür mit viel Lametta am Weihnachtsbaum“, erinnert er sich. Geschenke  seien für ihn eher nebensächlich gewesen. „Das schönste war der geschmückte Weihnachtsbaum und das die Familie den Abend zusammen verbracht hat“, sagt er.

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Dünne Pfannkuchentaschen mit Hackfleisch gefüllt

„Die Weihnachtsfeste früher fielen deutlich bescheidener aus als heutzutage“, erzählt auch Karin Spangenberg aus Oberursel. Die Familie der 1940 geborenen Frau stammt aus dem Baltikum, nach dem Krieg mussten sie fliehen und landeten im nordhessischen Melsungen.

Das traditionelle Weihnachtsessen bestand aus einem baltischen Gericht namens „komm bald wieder“, – dünne Pfannkuchentaschen, die mit Hackfleisch gefüllt wurden, dazu gab es eine Brühe. „Das hat so gut geschmeckt, dass man sich gewünscht hat, es am nächsten Tag wieder zu essen“, erläutert Spangenberg.

Gedichte und Hausmusik an Heiligabend

Nach dem Weihnachtsessen wurde gesungen und die Kinder trugen Gedichte vor, überhaupt spielte die Hausmusik eine wichtige Rolle. Als Geschenke waren etwa Puppen im Trend, generell handelte es sich aber eher um Kleinigkeiten. „Einmal hat meine Schwester ein Glas Gurken bekommen, weil sie die so gern gegessen hat“, erinnert sich Spangenberg.

Keine geheizte Kirche in Melsungen

Eine geheizte Kirche? Die gab es Anfang der 1950er Jahre in Melsungen nicht. „Wir saßen mit nassen Klamotten in der Kirche  und haben gefroren, weil wir zuvor durch den Schnee gelaufen sind“, sagt Spangenberg.

Die Städte, erinnert sich Karin Spangenberg, seien damals im Winter deutlich dunkler gewesen als heute. „Und wenn ich zurückdenke an den Kerzenschein in der Kirche und zuhause – das war schon etwas ganz besonderes!“

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Ein strenges und liebevolles Elternhaus

Weihnachten bei Familie Krieger im Jahr 1954 vor der Krippe in der Harpstedter Kirche: Siegmund Krieger mit Bruder Hans-Ulrich, Schwester Cornelia und Vater Herbert Krieger
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Weihnachten bei Familie Krieger im Jahr 1954 vor der Krippe in der Harpstedter Kirche: Siegmund Krieger mit Bruder Hans-Ulrich, Schwester Cornelia und Vater Herbert Krieger

„An Weihnachten ging  es sehr geheimnisvoll zu“, erinnert sich Helmut Krieger aus Rosbach. Die Familie lebte damals in Harpstedt bei Bremen, Vater Herbert Krieger war dort Pastor. „Das Wohnzimmer im Pfarrhaus wurde als Weihnachtszimmer hergerichtet, die Kinder durften es nicht betreten“, sagt der 1947 geborene Ruhestandspfarrer.

Familie Krieger hatte damals ein Hausmädchen, das mit den Kindern die Weihnachtsgeschichte eingeübte – vor der Bescherung haben die Kinder sie vorgetragen. „Dabei durfte man keinen Fehler machen“, erzählt Krieger.  Die Frage, ob die Kinder brav gewesen sind, habe damals stark im Vordergrund gestanden. „Mit dem Nikolaus zusammen kam Knecht Ruprecht“. Krieger erinnert sich an ein strenges und zugleich liebevolles Elternhaus.

Lametta wurde für das nächste Jahr aufbewahrt

Weihnachten, so beschreibt Siegmund Krieger es, sei damals kein Fest des Überflusses gewesen. „In meiner Familie haben wir keinen Mangel erlebt. Aber vielen ging es anders, etwa den Geflüchteten aus dem Osten.“ Vater Herbert Krieger arbeitete bei einer Verteilstelle im Ort, versorgte dort Menschen mit amerikanischen Care-Paketen, die etwa Nahrungsmittel und Milchpulver beinhalteten. 

Der Weihnachtsbaum wurde unter anderem mit Lametta geschmückt. „Nach Weihnachten haben wir es vom Baum runter genommen, sorgsam über die Stuhllehne gehängt und für nächstes Jahr aufbewahrt“, sagt er. Geschenke für die Kinder der Kriegers 1953 waren eine Puppe, eine mechanische Aufzieheinsenbahn und ein Postamtsschalter zum Aufklappen

Lesetipp: Unvergessene Weihnachten

Spannende Geschichten mit Zeitzeugen-Erinnerungen, einige fröhlich, manche traurig: Die Buchreihe „Unvergessene Weihnachten“ erzählt Weihnachts-Erlebnisse des vergangenen Jahrhunderts. 

Unvergessene Weihnachten. Erinnerungen aus guten und aus schlechten Zeiten. Bände 1 – 14. Zeitgut Verlag, Berlin.

Kein Weihnachtsbaum und keine Geschenke

„Die Weihnachtsfeste früher waren nicht schön“, sagt Sigrid Haller aus Dreieich. Geboren 1936 in Schlesien am Fuß des Riesengebirges, floh die Familie nach dem Krieg ins Sauerland. „Mein Vater war in Kriegsgefangenschaft und ist später gestorben. Meine Mutter war allein mit meinem Bruder und mir“, erzählt sie.

Im Sauerland bekam die Familie eine einfache Stube zugewiesen, einen Weihnachtsbaum und Geschenke gab es nicht. „Dafür hatten wir damals kein Geld“, erzählt Haller. Der einzige Unterschied zwischen Weihnachten und anderen Tagen habe darin bestanden, dass die Kinder nicht in die Schule mussten.

Auch die Feiertage über arbeitete die Mutter in einer Gaststätte, die Kinder besuchten sie dort. „Wenn die Gäste gegessen hatten bekamen wir das, was übrig war“, sagt Haller. Sie erinnert sich etwa an Grünkohl mit Speck und Kartoffeln.

Das schönste Weihnachtsfest für Sigrid Haller war 1955. In dem Jahr hat sie ihren Mann geheiratet und die erste Tochter kam zur Welt. „Das war das erste Weihnachten, das wir als Familie verbracht haben. Ab dann ging es allmählich bergauf.“ In dem Jahr hatte die Familie einen kleinen Weihachtsbaum, zu essen gab es Gans.

Ihr Mann schenkte Sigrid Haller ein Fläschchen Parfüm der Marke 47/11. „Das habe ich heute noch im Schrank und noch nie benutzt. Es ist ein schönes Erinnerungsstück an unser erstes gemeinsames Weihnachten“, erzählt sie.