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Resilienz in der Bibel

Hiob verliert alles und gewinnt doch

Ein Mann öffnet ein riesiges Tor
gettyimages/francescoch

Eine „Hiobsbotschaft“ ist eine richtig schlechte Nachricht. Der Hiob in der Bibel führt ein gutes Leben, aber dann trifft ihn ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Alles ändert sich und zwar durchaus zum Positiven.

Aberwitzig, wie viel Unglück Hiob ertragen muss. Eigentlich läuft alles gut, sehr gut sogar. Zur Familie des frommen und gottesfürchtigen Mannes gehören sieben Söhne und drei Töchter. Er ist nicht nur wohlhabend, sondern ausgesprochen reich, „reicher als alle, die im Osten wohnten“.

Was heißt das genau? 7.000 Schafe, 3.000 Kamele, 1.000 Rinder und 500 Eselinnen gehören ihm, jede Menge Personal wuselt um ihn herum.

Aus Segen wird Fluch - von jetzt auf gleich

Dann eines Tages die Wende. Vier Boten überbringen ihm schreckliche Nachrichten: Alle seine Kinder sterben, sein Eigentum wird gestohlen, alle Tiere weg. Daher kommt der Begriff „Hiobsbotschaft“. Sein Leben ändert sich von jetzt auf gleich, aus Segen wird Fluch - ohne erkennbaren Grund für ihn.

Hiob ist tieftraurig und zerreißt sein Gewand

Und wie reagiert Hiob? Er steht auf, schert sich den Kopf und zerreißt sein Gewand. Im alten Israel ist das ein Zeichen tiefer Trauer. Aber er bleibt fromm wie eh und je, verneigt sich tief vor Gott. „Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren.

Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“

Er lässt das Leid an sich heran und beklagt es aus voller Kehle

Dann wird er auch noch krank, Geschwüre bedecken ihn vom Scheitel bis zur Sohle. Doch er hält weiter an seinem Gott fest. Seine Frau versteht die Welt nicht mehr, verfluchen soll er diesen ungerechten Gott.

Zu dem Zeitpunkt kommen seine Freunde ins Spiel. Sie hören von Hiobs Unglück und kommen sofort angereist. Sieben Tage und Nächte schweigen sie mit ihm, trauern mit ihm, halten diese große Bedrückung aus. Danach „tat Hiob seinen Mund auf“. Damit legt er einen großen Schritt in Richtung Leidbewältigung zurück: Er lässt das Leid an sich heran und beklagt es aus voller Kehle.

Er verflucht Gott, zweifelt an seiner Güte

Der erste Redeschwall zielt noch ins Leere, dann adressiert er seine Klage an Gott. Er zweifelt nicht an der Existenz Gottes, aber an seiner Güte und Barmherzigkeit. Er wünscht sich weit weg von ihm, verflucht ihn kräftig. Aber er hört nicht auf, mit ihm zu reden. Er lässt nicht ab von Gott, sondern klagt mit Gott gegen Gott.

Die vielen Fragen wecken seine Widerstandskraft

Die Freunde spielen weiterhin eine wichtige Rolle beim Bewältigungsprozess dieses Unglücks. Sie reden mit ihm, fragen ihn Löcher in den Bauch, fordern ihn auf, Antworten zu finden.

Marlen Bunzel ist Hiobexpertin. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt sagt: Die Freunde wecken damit erst die Widerstandskraft in Hiob. Durch sie finde Hiob die Kraft auszudrücken, dass es schlicht ungerecht ist, was er zu erleiden hat.

Gerade durch sein Zweifeln kommt sein Glaube richtig zum Vorschein

Er glaubt fest an sich, seinen geraden Charakter, seine Unschuld, seine Ehrlichkeit. Vorzuwerfen hat er sich nichts. Hiob ist überzeugt davon, dass Gott wollte, dass es ihn gibt, dass Gott ihn gut geschaffen hat. Das verlangt ihm zwar alles ab, aber er hält stand. Gerade durch dieses Zweifeln, erklärt Bunzel, komme sein Glaube in seiner ganzen Dimension zum Vorschein.

Hiob geht stärker, reifer und geerdeter aus der Krise hervor

Was steckt hinter der Hiobs-Geschichte

Hiob ist eine fiktive Gestalt. In einem Streitgespräch zwischen Gott und dem Satan lässt sich Gott überreden, Hiobs Frömmigkeit durch Leiden auf die Probe zu stellen. Es handelt sich dabei um eine Jahrtausende alte jüdische Erzählung, für die es zahlreiche altorientalische Parallelen gibt.

Hinter all diesen Legenden über leidende Gerechte steht das Theodizee-Problem: Warum lässt der allmächtige Gott das Leid in der Welt zu? Warum trifft die einen ohne Schuld schweres Leid, während andere verschont bleiben? Das Buch Hiob gibt darauf keine Antwort.

Lernen lässt sich aber daraus, dass aus Schwäche Stärke werden kann. Und dass jemand, der ganz tief unten ist, sich auch wieder sehr weit nach oben hangeln kann.

Die Alttestamentlerin nennt Hiob ein biblisches Paradebeispiel für Resilienz. „In all seinem Leid glaubt er an sich selbst und an einen guten Schöpfergott.“ Das Unglück, das Hiob getroffen hat, könne nicht rückgängig gemacht werden, doch die Narben, die es hinterlassen hat, ließen Hiob gestärkt, gereift und geerdet aus der Krise hervorgehen.

Insofern ist für Marlen Bunzel die Botschaft des Hiobbuches keine schlechte, sondern eher eine gute, eine Mutmach-Botschaft. „Hiob ist ein Unglücksrabe, aber einer, der sein Schicksal annimmt, der wichtige Fragen stellt und sich auseinandersetzt. Dieser Mann gibt einfach nicht auf. In ihm steckt eine gehörige Portion Widerstandskraft – die Psychologie nennt es Resilienz.“

Wer weiß schon, wie sie oder er in einer Krise reagiert?

Für die Wissenschaftlerin spielt auch das Unverfügbare eine Rolle: „Ich weiß nicht, wie ich mit einem derart heftigen Unglück umgehen würde. Das weiß vermutlich keiner. Das ist das Unverfügbare.“

Das Buch Hiob lasse sich auf unterschiedliche Weise auslegen. In ihren Augen gehe es nicht darum, warum Gott Leid zulasse, sondern vielmehr um das Verhältnis Gottes zu den Menschen und umgekehrt. Auf den Punkt gebracht: „Gott ist da, Hiob geht nicht weg.“

Happy End für den duldsamen Hiob

Die Geschichte endet wie im Märchen. Hiob bekommt noch einmal sieben Söhne und drei Töchter. Die Zahl der Schafe, Kamele, Rinder und Eselinnen verdoppelt sich. Er lebt danach noch 140 Jahre, stirbt alt und lebenssatt.