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Sexismus in der Kirche

Drei Frauen sprechen über Gleichberechtigung im Pfarramt

Die Evangelische Erlöser-Kirchengemeinde Neuhäusel streamt einen Gottesdienst mit Pfarrerin Lisa Tumma.
Fundus/Peter Bongard
Die Evangelische Erlöser-Kirchengemeinde Neuhäusel streamt einen Gottesdienst mit Pfarrerin Lisa Tumma.

Der „Herr Pfarrer“ kann auch eine Frau sein. Drei Wiesbadener Pfarrerinnen aus drei Generationen erzählen im Interview von ihren Erfahrungen mit Sexismus.

von Andrea Wagenknecht

Vor 50 Jahren, am 1. August 1971, wurde in Wiesbaden die Pfarrerin Eveline Clotz auf Lebenszeit verbeamtet. Sie war damit die erste Pfarrerin in der  Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die ihren männlichen Kollegen vollständig rechtlich gleichgestellt wurde. Damals gab es für Frauen im Pfarrdienst Sondergesetze.

Drei Pfarrerinnen aus drei Generationen erzählen hier, wie sie ihren Beruf als Frau empfinden, ob sie Sexismus erleben und was sie sich in Sachen Gleichberechtigung wünschen.

Wird der Pfarrberuf durch Frauen abgewertet?

Portrait
Ev. Dekanat Wiesbaden/Andrea Wagenknecht
Pfarrerin Katharina Wegner ist mit halber Stelle Gemeindepfarrerin in der Erlösergemeinde in Wiesbaden-Sauerland. Sie lebt mit ihrem Mann in Rheinhessen und ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.

Katharina Wegner, 56 Jahre: Auf meiner ersten Pfarrstelle habe ich mit einem männlichen Kollegen zusammengearbeitet. Oft hieß es dort: der Herr Pfarrer und Frau Wegner. Auch wenn das vielleicht nicht abwertend gemeint war, kam das so an.

Nach Trauergesprächen wurde ich von Angehörigen immer wieder gefragt, ob ich meine Aufzeichnungen für die Beerdigung an den Pfarrer weitergeben könnte. Ich habe dann erklärt, dass ich Pfarrerin sei und die Beerdigung selbst mache. Hierbei gibt es – so denke ich – ein großes Stadt- Landgefälle.

Kein Abendmahl von einer potenziel menstruierenden Frau

Ich habe auch erlebt, dass Männer von mir nicht das Abendmahl empfangen wollten, mit der Begründung, ich könnte ja meine Tage haben. In Zeiten des Alten Testaments galten diese Frauen als unrein.

Trotz allem Erreichten gibt es noch einiges zu tun.

Es gibt ja schon wieder Stimmen, die davon sprechen, dass der Pfarrberuf durch die hohe Frauenquote feminisiert und deshalb abgewertet wird. Trotz allem Erreichten gibt es noch einiges zu tun – sowohl in den Köpfen als auch in der Verteilung der Ämter.

Ich bin gespannt, ob wir in der EKHN mal eine Kirchenpräsidentin bekommen.

Wunsch: Mehr Diversität in der Kirche

Es ist einfacher eine Predigtreihe über Frauengestalten in der Bibel anzubieten als die Sprache zu ändern. Und doch denke ich, dass es notwendig ist. Je selbstverständlicher neue Formulierungen einfließen, ohne zu kämpferisch daher zu kommen, umso größer sehe ich die Chance der Akzeptanz. 

Ich würde mir wünschen, dass wir auch in der Kirche Menschen in allen Bereichen in ihrer Diversität mehr (Be)-Achtung und Raum geben, dass wir Homosexuelle, Transgender, Regenbogenfamilien und andere Formen als Bereicherung erleben.

Andere Rollenbilder in den jüngeren Generationen?

Portrait
Ev. Dekanat Wiesbaden/Andrea Wagenknecht
Birte Kimmel ist Pfarrerin im Probedienst in der Lukas- und der Hoffnungsgemeinde in Wiesbaden-Biebrich.

Birte Kimmel, 29 Jahre: Ich erlebe bis jetzt keinerlei Vorbehalte. Ich trage einen Talar mit Stehkragen ohne Beffchen, weil das Beffchen ursprünglich ein Bartschutz für die Männer war. Anfangs hat mich mal jemand irritiert gefragt, ob ich das Beffchen denn später noch bekommen würde.

Ich habe in meinem Vikariatskurs einen Kollegen gehabt, der sehr viel feministischer war als ich. Ich denke, die Rollen verändern sich in der jüngeren Generation.

Im Gottesdienst versuche ich auch weibliche Formulierungen von Gott zu nutzen: die Quelle des Lebens, ,sie‘ statt ,er‘, ich vermeide in der Gebetsansprache das Wort Vater. Ich finde die Vielfalt an Formulierungen bereichernd, weil das auch unser Gottesbild facettenreicher macht.

Aber es kommt tatsächlich sehr auf die Gemeinde an. In meiner Vikariatsgemeinde im Dillkreis hätte es einen Aufstand gegeben. Man muss es ausprobieren.

Weibliche Formulierungen machen unser Gottesbild facettenreicher.

Ich finde es wichtig, dass wir den Blick stärker auf Emanzipation im Sinne von Gleichberechtigung richten. Im Feminismus haben wir, glaube ich, viel erreicht in den vergangenen Jahren, nur müssen wir allmählich den Blick auch auf die Jungs und Männer richten. Bei zwei Drittel der Abiturientinnen frage ich mich, was ist mit den genauso begabten Männern? Richtig gut werden wir nur gemeinsam.

Gibt es einen Wandel?

Portrait
Ev. Dekanat Wiesbaden/Andrea Wagenknecht
Pfarrerin Christa Böttcher ist 71 Jahre alt und seit sechs Jahren im Ruhestand. Sie war Gemeindepfarrerin unter anderem in Bierstadt und Delkenheim.

Christa Böttcher, 71 Jahre: Auf meiner ersten Stelle war ich die erste Pfarrerin in dieser Gemeinde: Ich hatte gleich zu Beginn 65 Konfirmandinnen und Konfirmanden im Unterricht. Im Nachhinein haben mir Kirchenvorsteher erzählt, dass sie es sich nicht vorstellen konnten, wie eine junge Frau sich da durchsetzen kann. Bevor der Kurs startete, hatten sie einen Plan gemacht, wer mich wann unterstützen kann. Das wurde zu ihrem Erstaunen dann nicht nötig.

Er hat mich spüren lassen, dass er nicht damit klarkommt, dass ich diesen Beruf als Frau ausübe.

Probleme hatte ich auch mal mit einem katholischen Pfarrkollegen. Er hat mich spüren lassen, dass er nicht damit klarkommt, dass ich diesen Beruf als Frau ausübe. Das ging so weit, dass er bei ökumenischen Trauungen auch in der evangelischen Kirche, als einziger den Segen sprechen wollte. Da er darauf bestanden hat, habe ich mit ihm keine Trauungen mehr gemacht.

Früher war es sicher so, dass sich die Gemeinden eher einen Pfarrer wünschten und dass Kirchenvorstände sich bei zwei Stellen in der Gemeinde eher zwei Pfarrer als zwei Pfarrerinnen vorstellen konnten. Das hat sich gewandelt.