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Ehrenamt

Sind Prädikanten die Pfarrer von morgen?

Können Ehrenamtliche Hauptamtliche beim Gottesdienst erstetzen?
Peter Bongard / fundus-medien.de

Ehrenamtliche gestalten Gottesdienste, obwohl sie keine Pfarrer sind. Ein Modell für die Zukunft?

Tassilo Grün war lange Zeit ein normaler Gottesdienstbesucher. Aufgewachsen im Westerwald als „Dorfkind“, wie er sagt, war der Kirchgang am Sonntag für ihn und seine Familie völlig normal. „Mit Mitte 20 wenden sich viele von der Kirche ab und treten aus. Ich habe mich in dem Alter stattdessen dazu entschlossen, kirchlich aktiv zu werden“, sagt der 31-jährige Chemiker.

Tassilo Grün
privat
Tassilo Grün

Auch wer nicht Theologie studiert hat, darf predigen

Grün entschied sich für eine Ausbildung zum Prädikanten in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Das Ehrenamt befähigt ihn dazu, selbst zu predigen und Gottesdienste zu gestalten.  „Auf dem Land sind die Gottesdienste eher traditionell. Als ich in die Stadt gezogen bin, habe ich ganz verschiedene Gottesdienstformate kennen gelernt. Diese Vielfalt hat mich begeistert. Außerdem mag ich es, mich mit biblischen Texten auseinanderzusetzen“, begründet Grün seine Entscheidung.

Ein Jahr Ausbildung zum Prädikanten

Der Ausbildung zum Prädikanten geht eine einjährige Ausbildung zum Lektoren voraus. Lektor:innen dürfen Gottesdienste gestalten, bei Gebeten und der Predigt greifen sie aber auf vorgeschrieben, fremde Texte zurück. Wer im Anschluss eine weitere einjährige Ausbildung zum Prädikanten dranhängt, der darf Gebete und Predigten selbst schreiben sowie Taufen und mit der Gemeinde das Abendmahl feiern.

Die Ehrenamtlichen wollen das weitergeben, was sie selbst erfüllt.

sagt Pfarrerin Christiane Braungart. Sie ist Referentin für ehrenamtliche Verkündigung am Zentrum Verkündigung der EKHN und für die Ausbildung der Lektorinnen und Prädikanten zuständig.

Prädikantenausbildung

Hinter der ehrenamtlichen Verkündigung steht der Gedanke des „Priestertums aller Gläubigen“ nach Martin Luther. Demnach können auch Menschen das Evangelium im Gottesdienst verkünden, wenn sie nicht Theologie studiert haben. Zudem sorgen die Ehrenamtlichen für andere Perspektiven auf den Glauben.

Mehr zum Thema: Informationen zur Prädikantenausbildung vom Zentrum Verkündigung der EKHN

Prädikanten sorgen für neue Perspektiven

Hinter der ehrenamtlichen Verkündigung steht der Gedanke des „Priestertums aller Gläubigen“ nach Martin Luther. Demnach können auch Menschen das Evangelium im Gottesdienst verkünden, wenn sie nicht Theologie studiert haben. Zudem sorgen die Ehrenamtlichen für andere Perspektiven auf den Glauben, da sie in anderen Lebenskontexten und in einem anderen Alltag verankert sind als hauptamtliche Pfarrpersonen.

„Die Gruppe der Prädikantinnen und Lektoren ist bezogen auf ihr Alter, den Bildungshintergrund und die eigene Frömmigkeit sehr heterogen. Das bereichert die Verkündigung vor Ort“, sagt Christiane Braungart.

Trauungen und Beerdigungen nach Zusatzausbildung

870 Prädikantinnen und Prädikanten sowie 330 Lektorinnen und Lektoren sind aktuell innerhalb der der EKHN in der ehrenamtlichen Verkündigung aktiv. Wer als Prädikant eine weitere Zusatzausbildung ablegt, der darf sogar Trauungen und Beerdigungen gestalten. Die Unterschiede zwischen Prädikanten und Pfarrern sind:

  • Prädikanten tragen keine Amtskleidung, das heißt keinen Talar
  • sie führen keine Seelsorgegespräche
  • sie erteilen keinen Religionsunterricht an Schulen.

Und dennoch sind die Gemeinsamkeiten groß. Können die Ehrenamtlichen die Pfarrer mittel- oder langfristig sogar ersetzen? Diese Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund, da schon jetzt viele Pfarrstellen in den Gemeinden nicht  besetzt sind. Eine Pensionierungswelle der „Boomer-Generation“ steht bevor und es mangelt der Kirche an Pfarrernachwuchs. Zudem sieht der kirchliche Zukunfts- und Sparprozess „ekhn2030“ vor, die Pfarrstellen bis ins Jahr 2030 um ein Drittel zu reduzieren, von derzeit 1.465 Stellen auf 950 Stellen im Jahr 2030. 

Prädikantenkurse für Jugendliche

Schon jetzt haben die Ehrenamtlichen in der EKHN einen hohen Stellenwert. „Ich hoffe, dass die ehrenamtliche Verkündigung in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnt. Vor dem Hintergrund von ekhn2030 sieht das „Zukunftskonzept Kinder und Jugend“ etwa vor, Prädikantenkurse auch für Jugendliche und junge Erwachsene zu organisieren“, sagt Oberkirchenrätin Melanie Beiner. Sie ist Leiterin des Dezernats für kirchliche Dienste in der Kirchenverwaltung der EKHN.

Und dennoch betont Beiner: „Prädikantinnen und Prädikanten sollen kein „Ersatz“ für Pfarrerinnen und Pfarrer sein.“  Das Berufsbild von Pfarrerinnen und Pfarrern gehe durch ihr umfangreiches Theologiestudium über das Feiern von Gottesdiensten hinaus.

Kirche: Prädikanten sind kein Ersatz für Pfarrer

„Mit dem Theologiestudium ist der Selbstanspruch der Kirchen verbunden, Glaubensbekenntnisse und -zeugnisse mit wissenschaftlichen Methoden zu reflektieren, neue Erkenntnisse zu erforschen und in den Dialog mit anderen Wissenschaften zu treten“, sagt sie.

„Die Ehrenamtlichen bestimmen den zeitlichen Umfang und auch die Grenzen ihres Engagements“, ergänzt Christiane Braungart. „Daher brauchen wir auch weiterhin die Hauptamtlichen, zum Beispiel auch dafür, um die Ehrenamtlichen auszubilden.“ Wichtig, sagt Braungart, sei daher eine „gute Dienstgemeinschaft, in der jeder den anderen in seinen Stärken wahrnimmt und wertschätzt.

Ein Privileg, Gottesdienste zu halten

Tassilo Grün ist aus beruflichen Gründen im vergangenen Jahr nach Ludwigshafen gezogen. In der pfälzischen Landeskirche möchte er seinen Prädikantendienst fortsetzen. „Ich habe das Privileg, Gottesdienste halten zu dürfen. Im Gegensatz zu einem Pfarrer bin ich nicht gebunden, jeden Sonntag einen Text zu produzieren, sondern den Schwerpunkt auf einzelne Predigten zu setzen. Das ist ein großer Luxus“, findet er. 

Sag uns deine Meinung!

Was denkst du: Können Ehrenamtliche die Pfarrer:innen eines Tages ersetzen? Oder ist es dir wichtig, wenn du einen Gottesdienst besuchst, dass er von Theolog:innen gehalten wird? 

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