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Fasching

Stand das Halleluja dem Helau Pate?

Fastnachtswagen: Eine der Figuren hält einen Schal, auf dem Helau steht
Günter Schenk
Den Narrenruf Helau haben die Mainzer in den 1930er Jahren aus Düsseldorf importiert.

Auf der Suche nach den Wurzeln des populärsten deutschen Narrenrufes

von Günter Schenk

„Hellau und a luckh drau, /Mir ist wohl wie der dicksten Sau", hieß es 1603 in einem Dokument aus Tirol. Es ist der bislang älteste Beleg für das Wort Helau und vielleicht auch dafür verantwortlich, dass einige den Narrengruß fälschlicherweise noch immer mit Doppel-l schreiben. Gefallen sei der Spruch unter anderem im Rahmen einer Faschingsfeier, doch verifizieren lässt sich das nicht.

Woher kommt das Wort Helau?

Seitdem wurde immer wieder über die Herkunft des Wortes spekuliert.

  • Es erinnert klanglich an Kinder- oder Hirtenrufe wie Holla oder Hallo.
  • Das englische Hello klingt ähnlich und wurde in jenem ersten Abschnitt des 19. Jahrhunderts Mode wurde, als der Karneval wie in Düsseldorf zu seiner organisierten Form fand.
  • 1833 tauchte das Wort dort bei Erwähnung eines Maskenspiels auf, das die „Verlobung des Hanswursten unter Helau und Habuh mit Anna Dorothea Petronella Weichbusen“ feierte.

Helau in Mainz

Mainz, wo man lange Zeit nur „Hoch“ oder in den Sitzungen auch gern „Bravo" oder „Vivat" rief, importierte die Helau-Rufe Mitte der 1930er Jahre aus Düsseldorf. „Lange bevor der eigentliche Zug zu sehen war, tauchten in den verschiedenen Straßen phantasievolle Masken auf, die mit lauten Helau-Rufen begrüßt wurden", notierte eine Lokalzeitung am 9. Februar 1937. Beim Rosenmontagszug selbst sei der Ruf schließlich aus vielen Tausend Kehlen erschallt.

Helau ist deutschlandweit beliebter als Alaaf

Seitdem ist Helau der bestimmende Narrenruf in Deutschland. Seine Kernzone reicht heute im Süden bis weit ins Hessische, im Norden von den Niederlanden über Dortmund bis ins Westfälische. Mittendrin liegt allerdings die Alaaf-Region mit den närrischen Metropolen Köln, Bonn und Aachen.

Fastnachtswagen: Eine der Figuren hält einen Schal, auf dem Helau steht
Günter Schenk

Hin und wieder zu Verschmelzungen der Narrenrufe kommt es am närrische Äquator wie in Rommerskirchen (Rhein-Kreis Neuss), wo man „Alau“  ruft, oder in Langenfeld (Kreis Mettmann), wo man neuerdings ein „Helaaf“ kreiiert hat.

Gibt die Kirchengeschichte Hinweise auf Helau-Herkunft?

Bei der Suche nach den Ursprüngen des Helaurufes könnte ein Blick in die Kirchengeschichte helfen. Vielleicht nämlich handelt es sich dabei nur um die Verballhornung einer anderen Lobpreisung, nämlich des kirchlichen Halleluja.

Frau sitzt alleine in einer Kirchenbank
gettyimages/urbazon

Fast zwei Dutzend mal findet sich das hebräische Wort „halalū-jāh“ in den Psalmen des Alten Testaments und ein paarmal taucht es auch im Neuen Testament auf. Genauer in der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch des Neuen Testaments, das dem Untergang Babylons gewidmet ist. Jener Stadt, die nach der mittelalterlichen Narrenidee das Reich der Narren verkörperte.

Wie Halleluja und Helau zusammenhängen

Anfangs wurde das Halleluja nur zu Ostern gesungen, ehe es das ganze Jahr über die Liturgie bereicherte. Spätestens zu karolingischen Zeiten (751 n. Chr. bis 919 n. Chr.) aber entfernte man das Halleluja aus den Gottesdiensten der Fastenzeit.

Fastenzeit damals

Damals fastete man Fleisch ab Aschermittwoch. Dazu gehörte auch eine Vorfastenzeit. Diese sollte den Übergang von der festlichen Weihnachtszeit, in die von Buße und Einkehr bestimmte fleischlose Fastenzeit erleichtern. Sie begann am neunten Sonntag vor Ostern, den die Kirche Septuagesima nannte.

Die Vorfastenzeit gab es in der katholischen Kirche offiziell bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, seitdem nur noch in Form außerordentlicher Riten. In der evangelischen Kirche heißt sie Vorpassionszeit. Weil Weihnachtszeit und Vorfastenzeit wegen des variablen Ostertermins manchmal überschneiden konnten - wurde die Vorpassionszeit neu geregelt.

Kein Halleluja in der Fastenzeit

Der Abschied vom Halleluja wurde im Lauf der Zeit feierlich ausgestaltet. Weil man sich aber über den Zeitpunkt, wann der Lobgesang zu verstummen habe, nicht einigen konnte, legte ihn Papst Alexander II (1061-1073) verbindlich für die erste Vesper am Vorabend des Sonntags Septuagesima fest. „Wir verabschieden uns vom Alleluja wie von einem lieben Freund, den wir vielmals umarmen und auf Mund, Kopf und Hände küssen, bevor wir uns von ihm trennen“, schrieb im 13. Jahrhundert ein Bischof.

Obwohl Papst Alexander II die Gläubigen gebeten hatte, den Abschied vom Halleluja-Gesang nicht eigens zu markieren, entwickelten einige Gemeinden vor allem in Frankreich besondere Abschiedszeremonien. Im Stundengebet von Auxerre etwa wurde jedem folgenden Halbvers des Psalms 148 (Halleluja! Lobet im Himmel den HERRN, lobet ihn in der Höhe!")  ein Halleluja mehr angehängt, sodass allein dem letzten Vers achtundzwanzig Halleluja folgten.

Abschiedszeremonien vom Halleluja in Frankreich

Richtig theatralisch verabschiedete man das Halleluja im 15. Jahrhundert im heute französischen Toul. Dort organisierten die Chorbuben eine Prozession, in deren Rahmen sie einen Sarg mit dem symbolisch gestorbenen Halleluja singend zu Grabe trugen und ihn mit Weihwasser besprengten. In Chartres peitschten die Kinder nach dem letzten Abschiedsruf auf das Halleluja zwölf Kreisel aus dem Chor der Kirche auf den Vorplatz und vertrieben so symbolisch den Lobgesang aus der Kirche, der erst mit der Osternacht zurückkehren sollte. In Paris trug man eine mit Alleluia" beschriftete Strohfigur aus dem Chor der Kirche auf den angrenzenden Friedhof, wo sie anschließend unter letzten Halleluja-Rufen verbrannt wurde.

Warum Helau und Halleluja zusammenhängen könnten

Bis in die frühe Neuzeit gab es diese Abschiedszeremonien zu Beginn der Vorfastenzeit, die vielleicht auch ersten närrischen Rufen Pate gestanden haben könnten. Ideengeschichtlich hätten sie Sinn gemacht, war der Narr im Mittelalter als Leugner Gottes doch immer auch blasphemisch. Warum also sollte er sein eigenes Fest und seine Repräsentanten nicht auch mit jenen Worten hochleben lassen, die einst nur Gott verherrlichten?

Helau wäre so betrachtet das Halleluja auf den Antichristen, verkehrte Welt in XXXL.

Beweise dafür wird es vorerst keine geben. Nur Mutmaßungen, wie alte Bräuche zum Beispiel im Eifelstädtchen Blankenheim nahelegen. Hier wird seit vielen hundert Jahren Fastnacht gefeiert wird. „Juh-Ja, Juh-Ja, Kribbeln in d`r Botz! Wer dat net hät, dä es nix notz“, heißt es dort heute noch beim traditionellen Geisterzug am Vorabend des Karnevalsonntags.

Helau oder Alaaf?

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Auch das früher im Rheinland weit verbreitete Fastnachtslied mit der Eingangszeile „Ajuja, Ajuja, jetz geiht et widder. Ajuja, jetz geiht et loss“, nährt den Verdacht, dass unser heutiges Helau aus dem hebräischen halalū, das zum Halleluja wurde, verballhornt sein könnte. 

Wie fremde Sprachen aus dem Gottesdienst in den Alltag eingingen

Ganz ähnlich vielleicht, wie das lateinunkundige Kirchenvolk die einst im Gottesdienst mit den Worten „Hoc est enim corpus meum“ („Das ist mein Leib“) gefeierte Wandlung des Brotes in den Leib Christi als Hokuspokus abtat.